ABBATH, TOXIC HOLOCAUST, HELLRIPPER / 27.01.2024 – Hamburg, Kultur Palast

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Erstes Konzert 2024! Das bedeutet gleichzeitig, dass genau ein Monat seit meinem letzten Konzertbesuch (HOLY MOSES am 27.12.2023) vergangen ist. Für mich eine ungewöhnlich lange Zeit. Immerhin begann das Jahr dennoch mit Musik, nämlich eigenen Studioaufnahmen. Die Entzugserscheinungen, die ich jetzt verspüre, konnte das natürlich kaum lindern. Es gab ja durchaus ein paar interessante Veranstaltungen im Januar, aber irgendwie hatte ich immer gerade keine Zeit. Mit dieser Phase ist nun Schluss und der Bock auf den heutigen Abend schwellt in den Tagen davor ins Unendliche an. Übrigens höre ich von vielen heute Anwesenden, dass es ihnen ähnlich ging, manche erzählen, dass es für sie das erste Ding seit drei Monaten ist.

Aber erst mal müssen wir ja hinkommen. Da kommt der erneute Bahnstreik nicht gerade gelegen, zumal man das Gefühl hat, dass in diesem Streit mal langsam eine Einigung erzielt worden sein müsste. Lösung: Wir mieten uns in einen Flixbus ein, was absolut reibungslos klappt. Betrunkenen Personen dürfen die Betreiber übrigens die Mitfahrt verweigern, was auf der Rückfahrt tatsächlich zum Ausschluss von zwei (uns fremden) Leuten führt. Gut, dass Herr Lobeck und ich niemals unter derartigen Verdacht fallen könnten! Die oben beschriebenen Entzugserscheinungen (Hände mimen unvermittelt Luftgitarren, der Kopf zuckt nach vorn und nach hinten) sind allein dem fehlenden ROCK geschuldet, der Rausch findet auf musikalischer Ebene statt!

 

ABBATH

Fotos von Thomas Harms und Anonymus. 

 

Voll ist es vorm Bambi/Kultur Palast, die Metaller:innen stehen brav in Reih und Glied an. Wir treffen unzählige Bekannte, es ist unfasslich, wer alles vor Ort ist! Auch auffällig divers gemischt, altersmäßig ein wildes Durcheinander, und schön viele Punks und Metalpunks dabei. Das Konzert dürfte ausverkauft oder knapp davor sein (bis zum Mischpult ist es jedenfalls knackvoll, hinten ist ja immer noch etwas Platz). Wir erfreuen uns an den schicken T-Shirt-Motiven, schrecken aber angesichts der Preise vor einer Ernte zurück.

 

HELLRIPPERHELLRIPPERHELLRIPPER

 

Viel Zeit zum Grübeln wird uns eh nicht gelassen, denn da deibeln HELLRIPPER bereits los. Ich war ja so gespannt, wie die live sein mögen! Drehen sich doch „Complete And Total Fucking Mayhem“, „Coagulating Darkness“ sowie „Warlocks Grim And Withered Hags” hartnäckig auf meinem Plattenspieler. Die Antwort: Das ist ja noch geiler als auf Platte! In wahnwitziger Geschwindigkeit bretzeln die Songs in unsere Gesichter. Die Metalpunks aus Aberdeen (Schottland) klingen wie VENOM auf Speed, vielleicht mit noch mehr Punk drin. Supergeil der räudige Schreigesang von Mastermind James McBain (ähnlich wie bei TOXIC HOLOCAUST handelt es sich eigentlich um ein Ein-Mann-Projekt, was man live aber nicht merkt). An den richtigen Stellen gibt’s auflockernde Midtempo-Passagen, aber insgesamt bestimmt Speed das Geschehen. Die Meute ist begeistert, gut mit den Songs vertraut und legt sofort mit Circle Pits und Stagediving los, was eigentlich den ganzen Abend so bleibt (minus Circle Pits bei ABBATH, das ist ja klar). „Hell’s Rock’n’Roll“, „Nekroslut“, „Goat Vomit Nightmare“, „All Hail The Goat“ und “Headless Angels” heißen meine Highlights. HELLRIPPER gehören auf jedes Festival, zumal sie mit ihrem trockenen Humor bei vielen noch zusätzlich punkten.

 

HELLRIPPERTOXIC HOLOCAUSTTOXIC HOLOCAUST 

 

Bei TOXIC HOLOCAUST weiß ich, was mich erwartet, sehe ich die Band heute doch bereits zum sechsten Mal. Der letzte Gig liegt bereits wieder ein paar Jahre zurück, 2018 aufm Wacken war das, ein höllisches Flammeninferno auf der Wasteland Stage und eines der besten Konzerte, das ich je gesehen habe. Wir waren nur kurz pullern und Bier holen, verpassen aber glatt die ersten beiden Songs. Mist! Die Leute wirbeln bereits vor der Bühne herum und Joe Grind schüttelt sein Haupthaar. Auf dieser Tour spielt er übrigens Bass, bisher war es immer die Gitarre, meine ich. Aber da er auf den Platten eh (fast?) alles selbst einspielt, kann er sich theoretisch aussuchen, wie er das Live-Line-Up gestaltet. Egal, wie immer liefern die Hunde eine Überdosis giftigen Metalpunk/Thrash! Die längere Live-Absenz scheint den Kult eher vergrößert zu haben, denn wirklich jede:r dreht am Rad, als Granaten wie „War Is Hell“, „Wild Dogs“, „Acid Fuzz“, „Death Brings Death“ oder „Nuke The Cross“ durch die Halle böllern. Der Sound ist nicht ganz optimal, die Gitarre könnte für meinen Geschmack definierter sägen, der Gesang etwas mehr aus dem Mix kommen. Aber das passt schon, denn die Energie dringt herüber.

 

ABBATHABBATH 

 

Dass ABBATH überhaupt live auftreten, ist nicht selbstverständlich. Denn Abbath selbst musste den Tourtross aufgrund des Todes seiner Mutter für mehrere Tage verlassen: „Abbath need to leave the tour to be with his family and bid farewell with his dear mother, who sadly passed away a few days ago.“ (Facebookseite der Band) Es ist bemerkenswert und irgendwie typisch für Abbath, dass er diesen Hintergrund so offen kommuniziert. Bestimmte andere Black Metal-Musiker hätten dies wohl nicht getan. Abbath entspricht aber eh nicht dem mythischen unnahbaren Elite-Okkultisten, er ist eher eine Art Lemmy des Black Metal. Seine Fehler und Ausfälle haben ihm eher noch mehr Respekt und Liebe zuteilwerden lassen, da ist es völlig egal, ob ein Video durchs Netz kursiert, wie der Gute sich samt Instrument abmault. Viel Kraft jedenfalls und mein Beileid! Abbath hat hervorragende Musiker in die Band geholt, die ein tolles Konzert darbieten. Was der Drummer und der Gitarrist abziehen, ist ein Genuss für sich. Die Musik ist vielschichtiger und abwechslungsreicher, als mancher glauben mag. Ich bin ja Freund aller drei ABBATH-Scheiben und sämtlicher IMMORTAL-Werke. Von daher halte ich die heutige Setlist für nahezu perfekt. Es gibt je drei Stücke der drei Soloplatten (besonders schön: „Acid Haze“, „Dread Reaver“ und „Bridge Of Spasms“), drei IMMORTAL-Songs („In My Kingdom Cold“, „Beyond The North Waves“ und „One By One“) sowie „Warriors“ von der herrlichen I-Platte. Der Sound ist phantastisch, diese Lautstärke und Transparenz hätte man gern auch bei den beiden ersten Bands gehört. Abbath wirkt angesichts der Umstände gelöst, wirft immer mal einen Brocken Deutsch ein („Wasser!“) und krächzt die Lyrics mit der gewohnten Verachtung in der Stimme. Ich hoffe, man kann mal seine MOTÖRHEAD-Coverband BÖMBERS live sehen, die ja klasse sein sollen. Ein tolles, teilweise bewegendes Konzert! Schließen wir mit den Worten Abbaths, der das Konzert seiner Mutter gewidmet hat: „This morning, while we arrived in Germany, I got the call my mom passed away. It was very sudden. She was one of the loveliest and most kind people you could ever meet. A fighter, a true warrior. Thanks for everything, mom. Rest in peace. All shows will be played in your honor.” (s.o.)

 

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