DEEP PURPLE, MOTHER’S CAKE / 19.07.2023 – Hamburg, Stadtpark Freilichtbühne

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Triumph! Mein Stadtparkfluch ist gebrochen. Denn schien es bisher so, als wollten mich unheilige Kräfte von einem Konzertbesuch im Hamburger Stadtpark fernhalten, so gelingt mir heute erstmals (!) der Genuss eines Liveerlebnisses vor dieser malerischen Kulisse. Und das auch noch bei und mit DEEP PURPLE! Stammleser:innen werden sich an meinen Nicht-Bericht vom letzten Jahr erinnern, in welchem ich den gescheiterten Versuch schildere, in einer über fünfstündigen Odyssee von Kiel nach Hamburg rechtzeitig das Gelände zu erreichen. Jaja, übers Scheitern lest ihr eigentlich lieber, oder....? Doch heute muss ich euch enttäuschen, denn meinen am Schluss des letztjährigen (Nicht-)Berichts gefassten Plan „Eins ist sicher: Wenn DEEP PURPLE wieder in die Nähe kommen, werde ich da sein! Morgens los. Oder am Vortag.“ setze ich heute um. Da ich gerade wegen guter Leistungen sechs Wochen frei bekommen habe, passt das auch mit dem frühen Start. Ich rolle erst mal noch in die Plattenkiste auf ‘nen Schnack mit Christian Kind, der natürlich als Mensch mit exquisitem Geschmack ebenfalls in den Stadtpark möchte.

 

DEEP PURPLE

Fotos von Christian Kind 

 

Der Christian dämpft meine Vorfreude etwas, indem er mir erzählt, dass er im Stadtpark auch schon ganz schlimme Konzerte erlebt habe. Sound zu leise, Band nur superkurz gespielt, Regen, diesdas. Ohauer!  

Doch als wir später ankommen, merken wir schnell, dass dies heute ein guter Tag wird. Der Regen gehorcht dem God of Rock’n’Roll und beendet sein Werk pünktlich vor Konzertbeginn. Den Stadtpark schließe ich ja sofort in mein Herz. Schon vor den Toren herrscht eine entspannte Stimmung, denn dort fläzen sich ganze Familien auf die Rasenflächen, gönnen sich zum Klang von DEEP PURPLE eine Grillung, während nebenan eine Gruppe langhaariger Freaks friedlich einen dampft. Und das eigentliche Konzertareal hatte ich mir ja viel größer vorgestellt. Es wird gut voll (ganz ausverkauft ist es offenbar nicht), aber mehr als chillige 5000 Menschen (in Relation zur Größe der Band ein intimer Rahmen) dürften es nicht sein. Durch die einem Amphitheater ähnelnde Abschüssigkeit des Geländes sind die Sichtverhältnisse optimal. Es sind alle Altersklassen und Typen von Konzertbesucher:innen vertreten, Headbanger in Kutten, Großfamilien. Dieser Aspekt fiel mir bereits bei meinem letzten DEEP-PURPLE-Konzert auf (2015 in der Barclaycard Arena, siehe Bericht). Einziger Nachteil: Die wirklich gepfefferten Bierpreise, aber immerhin gibt’s Köpi vom Fass, geht klar. Man wundert sich, was für Größen hier ohne viel Werbung spielen, in den letzten Wochen z.B. BETH HART, HOLLYWOOD VAMPIRES, YUSUF / CAT STEVENS, demnächst TOCOTRONIC, NILE RODGERS oder auch HELGE SCHNEIDER. Ich bekomme davon selten was mit, bin wohl zu sehr auf kleine Klubs und Underground fixiert.

 

MOTHER'S CAKE

 

MOTHER’S CAKE erweisen sich als gut gewählter Opening Act! Vor so einer Legende wie DEEP PURPLE zu spielen, das kann ein undankbarer „Job“ sein. Doch spätestens nach drei, vier Songs hat die Band aus Innsbruck das Publikum überzeugt. Erfreulicherweise ist der Sound laut, satt, klar und differenziert, was den Hörgenuss steigert. Auf ihrer Bandcampseite droppen MOTHER’S CAKE die Begriffe Alternative, Progressive Rock, Funk Rock, Psychedelic Rock und Space Rock. Das passt tatsächlich alles. Mich erinnert die Band einerseits an Classic Rock der Sechziger/Siebziger, als dieser noch offen für Soul und Funk war, andererseits umspannen MOTHER’S CAKE mehrere Jahrzehnte gitarrenorientierter Musik. Einer der Songs erinnert Christian und mich gar an RAGE AGAINST THE MACHINE. Mit der schweren Orgel passt der Klang natürlich super zu DEEP PURPLE. Die Hunde spielen tight, zeigen sich zudem dankbar für die positiven Reaktionen und verlassen die Bühne unter donnerndem Applaus.   

 

DEEP PURPLE

 

Aaah, bei DEEP PURPLE erweist sich der Sound als sogar noch besser, falls das überhaupt möglich ist. Der Mix muss ausdrücklich gelobt werden, denn bei aller Wucht hört man jedes Instrument äußerst klar heraus. Gleich beim ersten Stück strahlen Christian und ich uns an und präsentieren uns gegenseitig die Unterarme, auf denen man beobachten kann, wie sich die Haare aufstellen und sich eine fette Gänsehaut bildet. Denn: „Highway Star“! Hui, damit hat sich gerade Ian Gillan nicht gerade einen Einstieg zum Eierschaukeln gegönnt. Das Stück verlangt ihm alles ab, er meistert es sehr gut und bietet im Refrain aggressive Kopfstimmenschreie. Nur an ein, zwei Stellen klingt er noch etwas angestrengt, was im weiteren Verlauf des Abends aber von Song zu Song besser wird. Sensationell auch, wie selbstverständlich Neu-Gitarrist Simon McBride (SWEET SAVAGE) bereits in die Band integriert ist! Dass der Mann ein unfassbar guter Gitarrist ist, konnte ich 2016 im Downtown Bluesclaub erleben, und zwar beim Auftritt von DON AIREY & FRIENDS (siehe Bericht). 2022 galt er noch als kurzfristiger Ersatz für Steve Morse, der aber mittlerweile seinen Ausstieg bekanntgegeben hat, um seine erkrankte Ehefrau pflegen zu können. Dafür (und für seine Leistung in 27 Jahren bei DEEP PURPLE) gebührt ihm höchster Respekt. Gleichzeitig kommt mit Simon McBride ein neues Element in die Band. Bilde ich es mir ein, oder klingen DEEP PURPLE frischer, knackiger? McBride versetzt sich gekonnt in die Spielweise eines Ritchie Blackmore, zockt zentrale Soli wie bei „Highway Star“ originalgetreu nach, gönnt sich aber ähnlich wie Don Airey an der Orgel Raum für Improvisationen. Damit führt er den Stil und den Spirit von Steve Morse weiter, zeigt sich gleichzeitig selbstbewusst und songdienlich im Spiel. Auf die Klasse von Roger Glover, Ian Paice und Don Airey brauche ich kaum noch einzugehen, alle sind sie entspannt und motiviert, grinsen sich an und scheinen den Auftritt zu genießen. Die Setlist pendelt geschickt zwischen Klassikern (allein sechs von „Machine Head“), neuen Songs („No Need To Shout“, „Uncommon Man“) und Überraschungen (so hatte ich nicht mit „Anya“ gerechnet). Immer wieder bricht der britische Humor durch, etwa wenn Ian Gillan verkündet, dass er gern etwas über den Inhalt des nächsten Songs erzählen wolle, der sei aber so alt und das Publikum dafür viel zu jung. Herrlich auch Don Airey, der in einem längeren Solo einen Ton stehen lässt, bis ihm von einem als Kellner verkleideter Roadie eine Flasche Wein samt Glas gebracht wird – die Flasche wird geöffnet, der Wein erst gemächlich eingeschenkt und dann genossen, bevor das Georgel fortgesetzt wird. Airey bringt es fertig, von „Mr. Crowley“ über Beethoven bis hin zu „Auf der Reeperbahn nachts um halb eins“ die Orgel wabern zu lassen. Absolute Höhepunkte im Set stellen für mich „Pictures Of Home“, „Into The Fire“, „Lazy“, „When A Blind Man Cries“ (hier gibt Ian Gillan ALLES), „Perfect Strangers“ (klingt wie 1984, das sage ich als Zeitzeuge), „Space Truckin‘“, „Hush“ und „Black Night“ dar. Selbst das eigentlich überhörte „Smoke On The Water“ macht heute Laune, Simon McBride schlendert dafür bis ans äußerste Ende des Stegs und zockt die Anfangsriffs herrlich lässig aus der Hüfte. Ergänzt wird das Ganze durch geschmackvoll erstellte Projektionen, die zum Teil die Texte der Songs visualisieren.

 

Was soll man sagen? Diese Mark IX Besetzung von DEEP PURPLE hat heute die Funken nur so sprühen lassen. Wohin du guckst, siehst du nur zufriedene und lächelnde Gesichter. Selbst die unvermeidbare Fraktion Meckerpötte, die hinter mir steht (natürlich), kann ihre anfängliche Haltung nicht beibehalten, wird zusehends kleinlaut, bis sie spätestens ab der Hälfte in wohlwollende Kommentare verfällt, gen Ende gar in Jubel.

 

Also, ich werde beim nächsten Mal wiederkommen. Mögen DEEP PURPLE uns in dieser Form noch einige Jahre erhalten bleiben!

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