ELECTRIC WIZARD, ANGEL WITCH / 05.04.2017 – Hamburg, Markthalle

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Irgendwann wankte Andi Harkonnen in den Vladi-Proberaum und erzählte mir begeistert von einem ELECTRIC-WIZARD-Auftritt, den er auf einem Stoner-Festival gesehen hatte. Diese Band müsse ich mir mal anhören! Ich hatte von denen schon gelesen, sie als für mich nicht zwingend relevant eingestuft, besorgte mir jedoch schließlich auf Andis wiederholtes Mahnen das „Time To Die“-Album – welches sich dann allerdings gar nicht so oft auf meinem Teller drehte. Zwar sagten mir Ausrichtung und Attitüde der Band durchaus zu, aber es blieb nie richtig was hängen, die nötigen Widerhaken fehlten, die einen immer wieder zu einer LP zurückkehren lassen. Dennoch konnte ich mir durchaus vorstellen, dass diese schlecht gelaunte Mischung aus Psychedelic Rock, Stoner, Doom und Sludge in der Live-Situation tatsächlich ganz gut kicken könnte. Als nun die Neuigkeit reintrudelte, dass ELECTRIC WIZARD in die Hamburger Markthalle kommen, war ich gleich interessiert. Endgültig „hin da!“ hieß es, als bekannte wurde, wer den Support macht, nämlich die Legende ANGEL WITCH.

 

Es ist schon kurios: Als die ersten ELECTRIC-WIZARD-Alben in der Presse reviewt wurden, hieß es häufig sinngemäß, dass dieser zähflüssige Lava-Sound nur für die wenigsten etwas sei und schlicht zu nervenaufreibend für die Masse daherkomme. Nun machen die Briten die große Markthalle voll, am Merch hängt nur noch ein einsames Shirtmotiv und ein „Sorry, Hamburg!“-Schild, denn das komplette Tourmerch ist nahezu ausverkauft und das Publikum ist bunt gemischt. Kann dieser kranke Sound plötzlich Mainstream sein?


Alles erst mal egal, denn ANGEL WITCH legen erfreulich pünktlich los. Was für eine Verwöhnung gönnt die Band dem geneigten Hörer plötzlich bitte? Jahrzehnte lang konnte man die Briten sehr selten auf Festivals sehen – seit dem Release des 2012er Albums „As Above So Below“ drehen sie richtig auf, waren mit GRAND MAGUS und ENFORCER auf Tour, beehrten KEEP IT TRUE, HEADBANGER’S OPEN AIR, HELL OVER HAMMABURG und überraschen nun bereits wieder mit dem ELECTRIC-WIZARD-Support. Der Vierer um den wie immer sympathisch verpeilt wirkenden Kevin Heybourne ist wohl nicht zuletzt deshalb cremig eingespielt und liefert eine tight drückende Performance. Hurtig bessert sich der anfangs suboptimal abgemischte Sound, sodass „White Witch“, „Angel Of Death“, „Dead Sea Scrolls“, „Into The Dark“ oder „Confused“ mal wieder unterstreichen, dass es sich bei ANGEL WITCH nicht etwa um ein One-Hit-Wonder handelt. Heybournes Stimme geht vor allem in den mittleren Tonlagen völlig klar, außerdem gelingen ihm und Jimmy Martin mehrere magische Twin-Leadguitar-Momente. Natürlich geht beim finalen „Angel Witch“ ein regelrechter Ruck durchs Publikum und es scheint mir, als erreichen die NWOBHM-Recken gerade einige Leute, die sie noch nie gesehen hatten. Als wir nach dem Konzert später zum Auto latschen, singt z.b. eine ganze Horde junger Schüttelrüben den Refrain.



Das ELECTRIC-WIZARD-Logo wird wabernd und in oszillierenden Farben auf eine Backdropleinwand projiziert, Rauschwaden schweben durch die Markthalle. Letztere sind definitiv kein Kunstnebel, selten wurde das große „Rauchen verboten“-Schild am Halleneingang derart eklatant missachtet… Als Intro böllert SLAYERs „Hell Awaits“ aus den Boxen, welches mit dem später folgenden Outro „South Of Heaven“ eine in sich logische inhaltliche Klammer bildet. Bevor die Band loslegt, wird mit CELTIC FROSTs „Procreation Of The Wicked“ noch ein zweites Intro abgefeuert, welches in Sachen Groove und Tempo durchaus zu ELECTRIC WIZARD passt. Diese riffen dann in infernalischer Lautstärke los – der proppevolle Innenraum wird von im Takt bangenden Köpfen dominiert. Den gesamten Auftritt über laufen über die besagte Leinwand Ausschnitte aus 70er (S)Exploitation-Streifen. Es gibt kaum einen Moment, in welchem dort nicht ein nacktes Mädchen einer Art Blutritual unterzogen wird. Ebenso finster und okkult dröhnt die Musik, wobei auf Monotonie und Dauerschleife gesetzt wird. Die Stücke bestehen häufig lediglich aus einem Riff, das endlos wiederholt wird. Der Gesang stellt eher ein weiteres Instrument dar, er ist eher ein Kratzen im Hintergrund. Meine eingangs erwähnte Wahrnehmung, dass ELECTRIC WIZARD nicht gerade auf nachhaltige Gesangslinien setzen, bestätigt sich – diese Band sucht DAS GERÄUSCH. Im Zusammenhang mit dem visuellen Konzept ergibt sich da schon ein Gesamtbild aus Blut, Sex, Okkultismus und Drogenhölle. Als Show unterhaltsam, eine weitere Platte benötige ich von der Band allerdings nicht.
 

Fazit: Alles schon ganz geil, aber ich hör lieber ANGEL WITCH.

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