BLUES PILLS, DEAD MAN / 30.11.2014 – Kiel, Max

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Eigentlich war ich zunächst gar nicht so begeistert, als die Nachricht von der Verlegung des BLUES-PILLS-Konzertes ins Max die Runde machte. Wäre die Räucherei nicht deutlich gemütlicher gewesen? Aber letztlich war es in Hamburg neulich trotz Enge auch großartig, als Elin Larsson & Co. vom Headcrash ins Uebel & Gefährlich umgezogen sind. Tatsächlich wird das Max dann auch nicht so gerammelt voll wie befürchtet und die Veranstalter ziehen das Ganze liebevoll und zuvorkommend durch. Da wir ja zurzeit ein fußkrankes Mitglied in unserem Team haben (Kerstin), wird uns doch glatt so eine Presse-Lounge und ein entsprechender Balkon mitsamt Sitzgelegenheiten klargemacht. Das ist fast so gut wie die Pressebegleiterin, welche Jan ML und den MetalSon durch den ganzen Abend mit DEEP PURPLE geführt hat und die in ihrem Abendkleid tolle Fragen wie „ganz schön laut, oder?“ gestellt hat.


Bericht von Philipp Wolter / Fotos von JanML

Wir sitzen also zunächst in einer gemütlichen Ecke des Max, ein rotes Absperrband trennt uns vom Pöbel. Sehr interessant sind die Reaktionen der vorbeilatschenden Leute – da ist alles dabei. Verächtliche Mienen („die fühlen sich wohl wichtig“), neugierige Blicke und unverhohlener Neid. Wir finden das natürlich vollständig angemessen –wer für ein Fanzine namens „Dreckige Musik für stinkende Asis“ schreibt, der verdient verdammt noch mal eine spezielle Behandlung. Wo sind eigentlich Sekt, Kaviar und Schnittchen? So eine Fensterwand zur vollständigen Abschottung wär auch ganz genehm.

        

Veranstalter Jens Christiani sagt beide Bands an. Sowas mag ich, wirkt gleich persönlicher und nicht wie eine Massenabfertigung. Er muss selbst über seinen Versprecher lachen, als er die Gründung der DEAD MAN auf 1982 (statt 2002) datiert. Doch hätte mir jemand die Kontaktlinsen geraubt, würde ich also nur fleischfarbene Flecken mit Bärten auf der Bühne sehen, so hätte ich das glatt geglaubt. Oder sogar noch für zu jung befunden. Denn die Band klingt wie in den Sechzigern/Siebzigern gegründet. Im Gegensatz zu den meisten jungen Retrobands verfolgen DEAD MAN allerdings eher einen ruhigen Ansatz.


In Berichten über die Band stolpert man häufig über den Begriff „progressiv“. Dieser ist hier nicht im Sinne hektischen Gefrickels zu verstehen, sondern eher auf jam-artige, psychedelische Songepen gemünzt. Ich muss teilweise an Folkrock denken, auch an Namen wie GRATEFUL DEAD, CAPTAIN BEYOND oder APHRODITE'S CHILD. Alles klingt sehr warm und wird mit Bedacht gezockt. Irgendwie passt das als Eröffnung für den Abend recht gut, auch wenn ich gegen Ende eine gewisse innere Unruhe nicht verhehlen kann und die Vorfreude auf BLUES PILLS steigt.



Zur Nervenberuhigung scheint eine weitere Rutsche Bier eine gute Idee zu sein. Nur scheint am Tresen alles wie in Zeitlupe zu laufen. Als BLUES PILLS beginnen, bin ich endlich an der Reihe. Denke ich. Doch da kippt der Typ vor mir seinen Bierbecher um und kleckert alles voll. Die Tresenfee gehört zur gründlichen Sorte und schrubbt den gesamten Song („High Class Woman“) über alles sauber. Ich hätte fast in den Tresen gebissen. Dabei genieße ich gerade bei dem Song diese grollenden Basslinien. Egal, gleich drei Bier geholt, ab auf den Balkon und keine Ablenkungen mehr geduldet! Es ist wieder begeisternd, wie intensiv BLUES PILLS ihre Musik darbieten. Und dabei keinerlei Wert darauf legen, eine besondere „Show“ zu bieten. Ohne großen Aplomb wird schlicht gezockt.

         

Besonders Dorian Sorriaux versinkt förmlich in seinem Spiel und lässt mit seinem tollen offenen Sound und gelungenen Soli immer wieder aufhorchen – verdienter Szenenapplaus ist hier mehrfach die Folge. Auch Zack Anderson (b) und André Kvarnström (d) agieren mit erstaunlicher Selbstverständlichkeit. In irgendeinem Review stand mal was von „alten Seelen in jungen Körpern“, das finde ich recht treffend, denn man ist immer wieder verblüfft, wie viel Talent die Band besitzt und wie geschmackssicher sie das alles bringt (Soriaux ist grad mal 19 Jahre alt). Alle Blicke richten sich auf Elin Larsson, die in schwarzem Kleid und blickdichter Strumpfhose (Schuhe scheint sie live nie zu tragen) über die Bühne schwebt. Dabei hat auch Larsson es nicht ansatzweise nötig, aufgesetzt zu animieren – die unfassbar präsente und kraftvolle Stimme reicht schon völlig aus, die Besucher_innen in den Bann zu ziehen. Und ihr mittlerweile berühmtes Lachen tut ein übriges.

         

„No Hope Left For Me“ und "Little Sun" kommen so großartig, dass ich mir die Band allein wegen dieser Songs heute gleich wieder anschauen könnte. Ein weiteres Highlight stellt für mich „Devil Man“ dar, welches live zum Glück stets in der besseren Version von der 10“ (mit dem gesungenen Intro) gespielt wird. Wie schon beim Hamburger Gastspiel bin ich restlos begeistert und bin mal gespannt, was uns bei BLUES PILLS noch alles erwartet. Die Band kann richtig groß werden, insofern kann man sich wohl freuen, sie noch in einem Laden von der Größe des Max gesehen zu haben.

Kommentare   

+2 #5 peter ... mary 2014-12-04 08:15
Ich bin Herb, ich weiß, was gut für euch ist, und es gibt einen Rüffel von mir, falls ihr die falsche Musik hört.
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+1 #4 Philipp 2014-12-04 04:51
Bilder von Jan ML sind drin.
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+3 #3 Philipp 2014-12-03 10:08
Herrlicher - vor Wut bis zur Kenntlichkeit verzerrter - Herb-Kommentar mal wieder.

Nur warum soll die nächste "Welle" kommen und die deiner Meinung nach aktuelle ablösen? Du willst doch nicht wirklich, dass die lichtscheuen Infernal-Crust-Bragade-Bands plötzlich populär werden? Ich find ja, dass beides (besser: vieles) parallel geht und freu mich schon auf KRATZER am Samstach in der Meierei.
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+1 #2 Torsten 2014-12-02 23:35
Ich hab eigentlich nicht viel erwartet von dem Konz (die LP läuft erst jetzt rund) - wurde aber eines deutlich besseren belehrt!!! BLUES PILLS waren was für Herz, Seele und Bauch ;-) --- ich fands echt klasse!!!
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0 #1 HeavyHerb 2014-12-02 22:49
Schade nur,dass Blues Pills nichts, aber auch gar nichts mit dreckiger Musik zu tun haben. Fand schon das Tourplakat ultrabeschissen (Hippiedreck de luxe) und das Reinhören lässt mich im Kreis kotzen. Weinerlicher Scheiß oder drittklassiger 70er Rock. Für sowas wie "High Class Women", dass einfach nur mies und dreist Deep Purple kopiert (da ist NICHTS eigenes, nichts), hätten sich Blackmore und Gillan damals geschämt. Wo bleibt eigentlich die nächste Punkwelle, die uns von dieser im Dutzend auf Dremu abgefeierten 70er Jahre Retroscheiße befreit?

PS: Aber klar, ist nicht alles Gold,was glänzt, deshalb habt ihr auch nur von 97% der Bands Platten gekauft...
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