IN SOLITUDE, BEASTMILK, DANIEL BAY / 06.10.2014 – Hamburg, Hafenklang

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Kerstin: Mein erstes Mal hier.

Was tut man nicht alles, um noch eine Karte bei Beastmilk zu ergattern? Ja, man beteiligt sich beim Berichtschreiben für Dremu.

Dabei war meine Angst wohl unbegründet. Es war nicht ausverkauft. Hätte ich das vorher gewusst, hätte auf jeden Fall das Geld investiert.

So hätte ich mir das Generve von Phil sparen können. Kaum hatten wir nämlich das Hafenklang verlassen, hat er schon angefangen, meine Nerven zu strapazieren (nett formuliert).

Wer häufig mit Phil schreibt, weiß wahrscheinlich, wovon ich schreibe.

Philipp: Obwohl es im Moment nun wirklich nicht an lohnenswerten Konzerten mangelt, sticht dieses Ding hier aus dem Wust der Termine bereits im Vorfeld deutlich hervor. BEASTMILK und IN SOLITUDE haben nämlich meiner bescheidenen Meinung nach mit „Climax“ und „Sister“ zwei der besten Alben der letzten Jahre herausgebracht. Und dann ist Kerstin nach langer Zeit der Rekonvaleszenz nach einem dreifachen Bruch ihres Sprunggelenks endlich mal wieder auf einem Konzert dabei! Die Vorfreude stieg, schon lange war ich vor einer Show nicht mehr so aufgeregt. Doch würde diese hohe Erwartungshaltung nicht fast zwangsläufig an der schnöden Realität zerschmettert werden?

Bericht von Kerstin und Philipp Wolter. Fotos von Jan ML (folgen noch).


Philipp: Zunächst muss man die Nachricht verdauen, dass OBNOXIOUS YOUTH die gesamte Tour canceln mussten. Nun, ich kenne die Band eh nicht, hatte lediglich erzählt bekommen, dass die gut seien. Als Ersatz steht ein schwedischer Singer/Songwriter namens DANIEL BAY auf der Bühne. Mutig und irgendwie witzig ist es zwar schon, den Abend so ruhig zu beginnen – schließlich sind 95% der Anwesenden Metalheads. Aber zu mehr als einer Hintergrundbeschallung, während an allen Ecken Begrüßungen und gespannte Gespräche geführt werden, reicht das dann definitiv nicht.

Kerstin: OK, nun zum Konz. Gleich vorweg: Ich bin kein Musiknerd.

Meistens frage ich sogar Phil oder Freunde, ob ich die Bands kenne oder mag, wenn ein Konz is. Ich könnte bestimmt mit mehr Wissen über die Hosen der einzelnen Bandmitglieder aufwarten.

Ma gucken, ob ich mich da zurück halten kann.

Erster musikalischer Beitrag war ein „Liedermacher“ (Mist, das fängst schon gut an. Sagt man das zu einem Musiker, der ganz alleine auf der Bühne steht? Auch wenn der Englisch singt und nich deutsch? Muss ma eben googeln: Gleich verkackt, denn: "Der Begriff Liedermacher bezeichnet im deutschsprachigen Raum einen Sänger, der Musik und Texte seines Programms überwiegend selbst geschrieben oder originär bearbeitet hat."

Also war es eben ein Mann mit seiner Gitarre, der den Abend eröffnete. Ich werde nicht schlecht über einen einzelnen Musiker schreiben, man darf nicht schlecht über kreative Menschen sprechen geschweige denn schreiben, dass gibt sonst bestimmt schlechtes Karma. Obwohl ich mich schon gefragt habe, was in einem Musiker wohl vorgeht, der ganz alleine Musik macht, ohne kreativen Austausch mit anderen, ohne kreatives Feedback anderer Bandmitglieder, kein kreatives Teilen der Freude über ein neues Lied ? Alleine Touren? Alleine Auftreten?

Gut gesungen, gut Gitarre gespielt, ABER nicht meins.

Was ich ganz nett fand, war, dass Daniel Bay (Phil hat mir ma schnell einen Zettel mit den Namen der Bands gebracht) auch folkloristische Elemente auf der Gitarre gespielt hat, erinnerte mich an Flamenco. War aber nur kurz, dann war es wieder der Mann mit Gitarre, der gesungen hat. Da ich ja weiß, dass Phil ja doch mehr über die Musik schreibt, kann ich doch noch über seine Hose schreiben. Die war kunstvoll mit selber hergestellten großen Rissen verziert. Leider auch auf dem Poppes. Kurz hatte ich Angst, als er sich bückte, um seine Gitarre zu verkabeln, denn der Riss auf dem Poppes war doch sehr mittig. Wegschauen konnte ich auch nicht, kennt ja jeder von uns, aber Gott sei Dank trug er einen Schlüpper.

Philipp: BEASTMILK sind seit einiger Zeit zu fünft – mit an Bord der finnischen Postpunker ist jetzt Ex-THE OATH-Gitarristin Linnea Olsson. Das hatte ich noch gar nicht mitbekommen, aber bei der Musik von BEASTMILK sind zwei Gitarren generell eine gute Idee. Zumal die Band keine Synthies auf der Bühne stehen hat, wie es bei vielen Darkwave-Bands durchaus üblich war und ist. Alle Effekte werden von den Gitarren (und den ca. 30 Tretminen...) erzeugt. Bass und Schlagzeug-Patterns erzeugen einen so typischen 80er-Jahre Groove, dass man zu Assoziationen mit JOY DIVISION oder frühen KILLING JOKE förmlich gezwungen wird. Das Ganze hat ja schon auf Platte Energie und ganz große Melodien, aber live sprengen dir BEASTMILK förmlich den Schädel! Ich war ja saugespannt auf den Gesang – den bringt Kvohst tatsächlich wie auf Platte – wenn nicht noch besser. „YOU ARE NOW UNDER OUR CONTROL!“, wird uns verkündet – und verdammt, der Mann hat Recht! Zumindest gerät der eh schon willige Mob mit jedem Song stärker in den Sog der Unpasteurisierten. Doch da fallen bei „Death Reflects Us“ plötzlich beide Gitarren aus. Gerade bei einem der Überhits! Doch die Band spielt weiter und Kvohst verwandelt das Ding einfach in ein Mitsing-Happening – der „ooohooohuuuhuuu“-Part eignet sich ja auch hervorragend dazu. Währenddessen reißt ein verzweifelt schwitzender Stagehand die Kabel aus den Buchsen. Tatsächlich muss da irgendeine Sicherung rausgeflogen sein und schließlich funzen beide Sechssaiter wieder. Danach sind endgültig alle (eh kaum vorhandenen) Dämme gebrochen, denn welches Publikum liebt es nicht, wenn eine Band sich so souverän und spielfreudig angesichts eines technischen Fuck-Ups zeigt? Es kommen fast alle Stücke des Albums (bin mir bei „Strange Attractors“ gerade nicht mehr sicher) und das superbe „Children Of The Atom Bomb“ von der 2011er 7“. Was für eine Band! Da stimmt von der Optik über die Songs bis hin zur Livedarbietung wirklich alles. Voll geil und nachhaltig beeindruckend. Man darf gespannt sein, ob BEASTMILK über das Metalgenre hinaus bekannt werden. Das Potenzial haben sie definitiv, aber bisher scheinen sie nahezu ausschließlich innerhalb metallischer Strukturen wahrgenommen zu werden.

Kerstin: Zweite Band. Yeah, Beastmilk!

Phil hat die Pladde von mir zum Geburtstag bekommen. Ohne dass ich wusste, was oder wer Beastmilk war. (Ich bekomme von Phil immer eine Wunschliste zu den Geschenkefesten im Jahr. Ich, die Musik-Nichtwissende, sucht immer nach den Covern aus, die mir gefallen.) Als er sie das erste Mal auflegte, war es um mich geschehen. Eine Band, wie sie mich seit Jahren nicht mehr berührt hat.

Und so war auch der Auftritt und zwar auf verschiedene Arten.

Hat der Sänger eine Hammerstimme. Live! Die ganze Band hat eine unglaubliche Bühnenpräsenz und ist sehr professionell. (Über musikalische Einzelheiten schreibt wieder Phil, keine Ahnung, ob sich jemand verspielt hat). Der Sänger leider ein bisschen zu professionell.

Warum den Gottesfinger? Warum betende Hände? Die gestreckte Faust? Fäuste langsam vors Gesicht führen?

Vielleicht bin ich auch zu sehr 90er geschädigt, dass ich solche „großen“ Gesten auf der Bühne nicht mehr sehen kann. Ich weiß, dass das auch sehr witzig sein kann. Mir muss man Witz nicht erklären, nee (das hab ich jetzt innerlich schreiend geschrieben)!

Wenn ich Musik wirklich toll finde, werde ich bierernst.

Also kurzum : Er soll das nicht mehr machen!!!!!

Viele beschweren sich ja über die auf die Schuhe starrenden Musiker. Ich nicht. Weniger kann auch mehr sein. Also starrte ich dann eben auf meine Schuhe, und siehe da, alles ist wieder gut.

Eine tolle Band!!!

Eine so tolle Band, dass ich schon geschaut habe, wo sie noch spielen, an dem Datum, wo ich aber kann, spielt schon die nächste tolle Band in Hamburg: Blues Pills. Zu den Buxen kann ich hier nix schreiben, weil es mittlerweile so voll war und ich wegen meines kaputten Sprunggelenks das ganze Konz sitzen musste.

Philipp: Aber wer nun denkt, dass IN SOLITUDE qualitativ an diesen Hammer nicht anschließen können, der hat nicht mit der dunklen Macht der „Schwester“ gerechnet. Alter, was brennt diese Band! Ich hab selten Musiker gesehen, denen so dermaßen der Wahnsinn aus den Augen sprüht. Vor allem die Brüder Pelle (v) und Gottfried Ahman (b) spielen, als ginge um ihre unsterblichen Seelen (die wahrscheinlich eh schon dem Leibhaftigen gehören). Dazu ist die Bühne liebevoll dekoriert – Räucherstäbchen (ich riech jetzt noch wie nach einer Lagerfeuerparty), mehreren Sträußen Lilien und natürlich Kerzen en masse. Schick, schick. Den ekligen Fuchs hat sich Pelle dieses Mal zum Glück nicht um den Hals gehängt, dafür hängt das Vieh schlapp auf der Bassdrum rum. Man muss IN SOLITUDE einfach attestieren, dass sie mit der Stiländerung von dem MERCYFUL FATE-beeinflussten Sound der ersten Platten zum „Sister“-Album extrem viel Mut gezeigt haben. Denn ob die echtmetallische Basis die leicht wavige Ausrichtung der „neuen“ IN SOLITUDE so akzeptiert, ist durchaus fraglich. Ich finde, dass die Platte absolut authentisch klingt und nur wahrer Leidenschaft entsprungen sein kann. Es wäre schade, wenn ihr Teile der Szene kein Gehör schenkten, denn diesen Leuten entginge dann schlicht Atemberaubendes. Wie die Gitarren den Saal mit Twin-Soli und schwer atmosphärischen Riffgebirgen in Schwingung versetzen, das hat ganz großen Songwriting-Stil. Es gelingt den Schweden auch erstaunlich fließend, in der Playlist neue Stücke wie „Sister“, „Lavender“, „Death Knows Where“, „A Buried Sun“, „He Comes“, „Horses In The Ground“ oder „Inmost Nigredo“ mit den älteren Klassikern „Witches Sabbath“, „To Her Darkness“ und „Demons“ zu kombinieren, wobei die Setlist offenbar jeden Abend spontan neu umgestellt wird. Irgendein obskurer Song wird auch gecovert, ich erkenne die Originalband allerdings nicht. Was mir am Bühnengebaren von Pelle besonders gefällt: Du weißt nicht, ob der Typ dir gleich einfach mal auf den Kopf springt. Das wirkt so schön unberechenbar, und das haben nur noch wenige Metalsänger oder generell Musiker. Der dürre Pelle (ich muss immer wieder an Joey Ramone denken) scheint manchmal urplötzlich umzukippen, wirft sich ins Publikum, singt von da weiter, während er sich auf dem Boden windet. Ach ja, und hab ich schon diese unfassliche Gitarrenarbeit erwähnt?

Ich bin insgesamt dermaßen begeistert, dass ich mir am liebsten noch ein Konzert der Tour ansehen würde.

Kerstin: Nun die letzte Band: In Solitude. Hier fange ich sogar gleich mit den Buxen an!!. Alle Musiker trugen skinny slim Jeans/Hosen. Einige füllten sie mehr aus, andere weniger. Bei dem Sänger und dem Bassisten sahen die Hosen eher wie boyfriend Hosen aus. Sind Schweden immer so dünn? Dann muss ich da auch mal hin.

Nach dem Soundcheck wurde noch schnell die Bühne mit Lillien und Räucherstäbchen dekoriert und dann sollte es losgehen. Sollte, tat es aber nicht. Nach einer gefühlten Ewigkeit kamen die Jungs im Entenmarsch auf die Bühne.

Dann wurde der Nebel angemacht. Entweder haben die einen Exklusivvertrag mit den Nebelmaschinenherstellen oder sie mögen keine anderen Menschen. Man konnte seine eigene Hand nicht mehr sehen. Totale Reizüberflutung der Sinne. Meine Augen brannten wie Hölle und meine Lunge bedankte sich mit Reizhusten. Mein Gott, Jungs, ihr müsst echt was unternehmen gegen eure Anthropophobie. Ansonsten habt ihr nach der Tour die sogenannte Nebellunge.

So jetzt kommt's, alle Fans werden mich hassen, aber nach den musikalisch so perfekten Beastmilk war es für mich Proberaumcharakter.

Da ich ja auch von der besonderen Atmo (laut Leuten aus der ersten Reihe) auf der Bühne nix mitbekam, da es ja so unglaublich neblig war, habe ich mir die Leute in der nächsten Nähe angeschaut. Und das war auch interessant. Einen jungen Mann mit einem unglaublichen Schnauzer, richtig buschig, der sah aus wie Freddie Mercury. Dann saß noch Sideshow Bob auf 'ner Bank und hat geschlafen. Und Ashton Kutcher war auch da.

Nach einer Ewigkeit war es endlich vorbei. Sorry.

Ach ja, war auch mein erstes Mal im Hafenklang. Mag ich sehr!!!

Kommentare   

+2 #7 Torsten 2014-10-22 18:37
Ge-ni-al-er!!! Bericht!!! Wat heb wi lacht!!! :-D Rockstarhosen und Rockstarposen - gibt dat jetzt ne neue Rubrik bei DREMU? ;-)
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+1 #6 Philipp 2014-10-13 13:27
Haha, hatte mich schon gewundert, dass ich den Song gar nicht kenne!
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+2 #5 HOA-Rick 2014-10-12 18:14
Sorry- Nein, nicht Vortex sondern Cortex mit "C"! Blöd, dass die beiden Buchstaben auf der Tastatur so nah beieinander liegen...
Denn wenn In Solitude diese alten holländischen True/Thrash-Metal Haudegen covern würden, könnte ich mir auch nicht vorstellen...
Also noch einmal Cortex mit "C"!

VG Rick
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0 #4 Philipp 2014-10-12 12:28
Ah, Danke! Auf VORTEX wär ich jetzt gar nicht gekommen!
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+1 #3 HOA-Rick 2014-10-12 11:52
Moin Philipp,

laut meiner besseren Hälfte hheißt der Coversong "Jesus I Betong" und ist von Vortex. In Solitude haben ihn als B-Seite auf der Single "Lavender" aufgenommen.

VG Rick
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+2 #2 MetalSon 2014-10-10 13:40
Herzlich Willkommen Kerstin!

Super Einstand mit gewohnter Wolterschen Qualität. Herrlich erfrischend :-)

Gern mehr davon!
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+6 #1 casi 2014-10-10 13:37
Bitte in Zukunft mehr Wolter/Wolter-Berichte! :D
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