Doppelbericht aus Göteborg

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Rövsvett + Mögel + Fuck Frankie / 11.10.13 - Göteborg, Henriksberg UND Glue Girls + Tear them Down + Perkele / 12.10.13 - Göteborg, Henriksberg

Malte: Schon seit längerem hatten May-Britt und ich geplant am 12.10.2013 zum Album-Release von Perkele nach Göteborg zu fahren. Eine Woche drauf gibt’s das gleiche Spektakel zwar auch in Magdeburg, aber Schweden klang doch irgendwie vielversprechender. Außerdem konnte man es ja gleich mit einem Kurzurlaub verbinden.

May-Britt: Ich wollte sowieso mal wieder nach Göteborg und da bot sich das Konzert als Sahnehäubchen natürlich blendend an. Da Malte großer Perkele-Fan ist und einer meiner wenigen Freunde mit ausreichend Lust und Geld für so eine Reise ist, dauerte es nicht lange ihn zum Mitfahren zu überreden. An sich ist die Deutsche Bahn ja ziemlich ätzend und nicht würdig, dass man für sie Werbung macht… aber: die Europa-Spezial-Angebote sind echt günstig! Also schnell Zugverbindungen gebucht, Schlafplatz klargemacht, weitere Göteborg-Pläne geschmiedet und Sachen gepackt. Für einen Schweden-Urlaub empfiehlt es sich ausreichend Alkohol mitzubringen, da der dort ja unbezahlbar ist und ne Flasche Apfelkorn eignet sich perfekt als Geschenk für die Gastgeber.

 

Malte: Wir sind morgens um 6:51 Uhr in Kiel gestartet. Die Fahrt sollte knapp 10 ½ Stunden dauern. Ich dachte mir einfach mal ich schlafe die meiste Zeit der Fahrt, aber da hatte ich schon den ersten Fehler gemacht und zu Hause schon einen Liter Kaffee getrunken und mir am Bahnhof noch `nen riesigen Humpen gegönnt. Also erst mal nervös und unter Schweißausbrüchen im Zug sitzen und warten… Ich weiß gar nicht mehr wo wir umgestiegen sind. Nach dem ersten Umsteigen (Anmerkung von M-B: wo du schon fast deinen Rucksack vergessen hättest!) wurds dann auch Zeit fürs erste Bier, ich dachte mir ich könnte damit der Kaffee-Wirkung entgegenwirken und etwas schlafen, allerdings hatte es bloß zur Folge, dass ich alle 10 Minuten schiffen musste. May-Britt schämte sich für mich (wie eigentlich das ganze Wochenende) weil ich um 9 schon Bier im Zug trinken musste (den Rest des Wochenendes eher aus anderen Gründen, vielleicht erläutert sie die ja). Aber In Dänemark stiegen ein paar Fußballfans ein und beknackten sich ordentlich, da fielen meine 2 Bier während der Fahrt nicht auf. May-Britt schlief, hustete und schnarchte eigentlich die komplette Fahrt, wachte nur zwischenzeitlich mal auf um verwirrt zu sein und mir zu erzählen, dass sie wirres Zeug geträumt hat. Ich langweilte mich, stelle verärgert fest, dass ich für meinen Mp3-Player keine Kopfhörer mithatte, sondern irgendeinen komischen Handy-Freichsprech-Zinnober. Also musste ich ohne Musik lesen, mich langweilen und warten. Ansonsten verlief die Fahrt relativ langweilig und irgendwann konnte ich sogar etwas schlafen. Aber ich sollte definitiv mal einen Chirurgen aufsuchen, der mir zwischen Knie und Knöchel und zwischen Hüfte und Knie noch ein zusätzliches Gelenk einsetzt. Denn mit meinen langen Kackstelzen, war es echt unbequem und mir tat mittlerweile alles weh. Rücken, Arsch, Beine...

Irgendwann kamen wir dann endlich in Göteborg an. Wir konnten bei Bekannten von May-Britt schlafen, die uns auch vom Bahnhof abholten. Alle Leute denen ich erzählte, dass ich nach Göteborg fahre meinten zur mir, es sei eine wunderschöne Stadt und so. Aber wir waren im schlimmsten Ghetto von Göteborg einquartiert, riesige Wohnblöcke und schöner Mettenhof-Charme. Eine oder zwei Wochen vorher waren dort erst zwei Leute erschossen worden und allgemein ist sowas dort ziemlich alltäglich.

May-Britt: Die Fahrt war recht entspannt, nur Maltes lange Modelbeine waren ständig und überall im Weg. Was ganz angenehm ist: in Schweden kann man überall auf den Bahnsteigen rauchen und muss nicht erst dieses beknackte gelbe Viereck suchen. Die Schaffner haben mir immer Bescheid gesagt, wo wir länger anhalten werden und manchmal haben sie sogar ein paar Minuten Verspätung in Kauf genommen, damit sie selbst ihre Zigaretten fertigrauchen können ;-)

Ich habe ein paar Freunde in Göteborg und habe mich auch schon richtig darauf gefreut sie wiederzusehen. Die Vorfreude auf den Stadtteil, in dem sie wohnen, war eher gering. Biskopsgarden ist wohl der „schlimmste“ Stadtteil in Göteborg und ein Paradebeispiel für misslungene Stadtplanung und Schießereien zwischen Jugendgangs unterschiedlicher Ethnien sind keine Seltenheit.

Malte: Also sind wir erst mal zu unserem Schlafdomizil der nächsten Tage gefahren, haben unser Geraffel abgeladen und die beiden Gastgeber zu sehr glücklichen Menschen gemacht. Es ist ja bekannt wie sauteuer Alkohol in Schweden ist, also hatten wir vorgesorgt, ich hatte eine Palette Holsten und 2 Flaschen Oldesloer mit und May-Britt Waldmeister- und Erdbeer-Rhababerlikör. Die beiden erzählten uns, dass am Abend ein Konzert mit den Bands „Rövsvett“ (was soviel wie „Arsch-Schweiß“ heißt), „Mögel“ (Schimmel) und „Fuck Frankie“ stattfindet, in selbigem Laden, wo am nächsten Tag auch Perkele spielen sollten. Wir tranken ein paar Bier und Schnäpse und machten uns dann auf den Weg dorthin. Da ich durch nervige Sachen wie viel zu viel Arbeit und Magenschleimhautentzündung 4 Wochen lang so gut wie gar keinen Alkohol getrunken hatte, war ich natürlich ziemlich schnell, ziemlich blau. Ich hatte zwischenzeitlich einige kleine Gedächtnislücken und weiß auch nicht mehr, in welcher Reihenfolge die Bands gespielt haben, bzw. welche Band welche war. Außer Fuck Frankie, die waren an der Sängerin zu erkennen, die auch eine echt verdammt geile Stimme hatte. Für 39 Kronen gab es dort „Pripps Bla“ zu trinken. Ein Bier in der Geschmacksklasse „Oettinger“ und in der Preisklasse „Champagner im Puff“. Naja nützte ja nichts, irgendwie ging es ja doch rein. Man durfte nur nicht über den Preis nachdenken.

May-Britt: Die Bandnamen waren ja schon sehr vielversprechend und Mögel und Rövsvett sollten wohl ziemlich alte, sehr bekannte schwedische Punkbands sein, von denen ich aber bisher noch nie was gehört habe…. Also haben wir einen unserer Gastgeber zum Konzert begleitet. Nach einer abenteuerlichen und lustigen S-Bahn-Fahrt, kompliziert-angetrunkenem Umsteigen und kuriosen Vorfällen (z.B. trafen wir eine Gruppe Jugendlicher, die ne Mini-Disco aus Boxen dröhnendem Techno und Scheinwerfern usw. in ner Mülltonne vor sich herschoben) kamen wir beim Henriksberg an. Vor dem Laden betrieben wir zunächst (kulturellen) Bier-Austausch und lernten ein paar schwedische Punks aus allen Teilen Schwedens kennen, die extra für das Konzert nach Göteborg gekommen sind und wirklich lustig, offen und interessiert waren. Ständig kamen neue Leute zu uns an und waren darüber erfreut mal Deutsche zu treffen, die nicht in weißen Socken+Sandalen herumrennen ;-) Die meisten Schweden sprechen ja ziemlich gut Englisch und ich ein bisschen Schwedisch, also gabs auch kaum Kommunikationsprobleme. Nach etlichen lustigen Gesprächen wollten wir auch endlich mal rein und der Zeitpunkt war auch recht günstig: ein unglaublich teures Pripps Blaam Tresen von den äußerst gutaussehenden männlichen Tresenmenschen bestellt und schon fing die erste Band „Fuck Frankie“ an zu spielen. Der Laden war sehr schick und urig zugleich und die „Türsteher“ und das restliche Personal auch ganz nett. Einziges Manko: Das Bier in dem Laden war unglaublich teuer. Ich glaube für ein 0,33er Pripps-Plörre hätte ich mir in Deutschland einen Sechserträger anständiges Bier kaufen können… aber wir haben ja vorgesorgt und genügend Geld mitgenommen.

Das Bandlogo von „FUCK FRANKIE“ lässt zunächst eine mittelklassige Rockabilly-Horrorpunkband vermuten, aber schon am Aussehen der Band und durch Gewinnen eines Überblicks über das Publikums stellte ich glücklich fest, dass es keine mittelklassige Rockabillykapelle mit singendem Kirschenmädchen und zugehörigen Kirschenmädchenfans ist. Ich war von der ersten Sekunde an total begeistert von der unglaublich guten Stimme der Sängerin und der Mischung aus aggressivem, rotzigen und melodisch-melancholischem Punkrock. Der Sound war natürlich etwas schrammelig, „so wie es sich auf einem Punk-Konzert ghört“ aber dennoch konnten Fuck Frankie aus Stockholm mich überzeugen, sich die nochmals zu Hause zu Gemüte zu führen. Das bunt gemischte Publikum tanzte schon wild und als die Sängerin Elvira Bira sich des Shirts entledigte und nur noch im Bikinioberteil (und Hose) auf der Bühne stand drehte die Menge noch mehr durch. Insgesamt ein gelungener Auftritt und die signifikante Stimme der Sängerin ist wirklich genial! So muss Punkrock klingen!

Leider kann ich mich nicht mehr wirklich gut an die „Punklegenden“ MÖGEL und RÖVSVETT erinnern und kann nicht mehr zuordnen welche Band welche war. Auf jeden Fall gab es nichts auszusetzen und das Publikum pogte wild und durch stagedivende Stiefelpunks gabs sicher auch mehrere gebrochene Nasen (eine war die von Crusta unserem Begleiter), was ja auch immer ein gutes Zeichen ist. Ich war auf jeden Fall überrascht von der Band mit den alten Punkopas, die so Mitte bis Ende 40 sein müssten… denn sie waren wirklich gut, haben ihre Instrumente gut gespielt und hatten eine tolle Ausstrahlung auf der Bühne, was ja leider nicht bei vielen Uralt-Punkbands der Fall ist. Da ist schon oft einfach die Lust raus. Leider mussten wir auch schon während die letzte Band ihre Zugaben spielte los…. Wegen Maltes Einschlafaktion und Crustas gebrochener Nase. Ich wäre gern noch länger dort geblieben.

Malte: Irgendwann bin ich dann aufm Sofa eingeschlafen und bin erst wachgeworden, als ich vom Türsteher geweckt und rausgeschmissen wurde. Anscheinend finden die das da nicht so gut, wenn man in der Kneipe einschläft. Achja, zu dem Laden kann ich ja auch noch was erzählen. Von draußen sah es eher nach `ner Disco oder sowas in der Art aus, zumindest der Eingangsbereich, drinnen aber doch recht muckelig und ranzig. Nachdem ich dann rausbegleitet wurde, fuhren wir mit der S-Bahn nach Hause, wo ich nach ein paar Schnäpsen auch gleich wieder ins Koma fiel. May-Britt und die anderen soffen wohl noch bis morgens um 6 weiter.

Der nächste Tag begann erstmal mit furchtbaren Kopfschmerzen und Verständigungsschwierigkeiten. Ich schätze mal daran war der Erdbeer-Rhababerlikör Schuld. Zumindest war die leere Flasche das erste was ich erblickte. Ja dann hatte ich doch etwas Probleme mich mit unseren Gastgebern zu verständigen. Schwedisch konnte ich seit dem Vorabend lediglich zwei Worte „Rövsvett“ und „Mögel“. Naja und es ist mittlerweile auch schon 8 Jahre her, dass ich zur Schule gegangen bin und ich glaube seitdem habe ich kein Englisch mehr gesprochen. Am Vorabend war das kein Problem, da war ich betrunken und im Suff spreche ich sämtliche Sprachen fließend. Aber irgendwie klappte das mit der Zeit auch immer besser.

May-Britt: Es war wirklich unglaublich amüsant, dich und Crusta beim Gespräch zu beobachten und zu belauschen. Er brabbelte irgendetwas auf Schwedisch und nuschelte auch stark und du hast ständig auf Deutsch geantwortet. Ihr habt euch aber anscheinend blendend verstanden, euch zugenickt, geprostet und gelacht… und Simon und ich hatten auch etwas zu lachen J

Malte: Die Tickets für das Perkele-Konzert hatte May-Britt über einen Freund mit Kreditkarte (Anm. von MB: in Schweden braucht man für jeden Mist ne Kreditkarte, also falls ihr einen Schwedenuralub planen solltet und nicht unbedingt vom Bus mitten in der Pampa stehen gelassen werden wollt: holt euch so ne blöde Kreditkarte oder son Schnickschnack-Handy mit schwedischem Netz) übers Internet geordert und wir mussten die bloß in einem von vielen Läden abholen, die es echt überall in der Stadt verteilt gab. Unsere Gastgeber meinten dieser Laden hätte noch bis 17 Uhr auf. Ich war ja schon diverse Stunden wach, hungrig und wollte mal vor die Tür. Aber das es zog sich alles ewig hin bis wir endlich mal vor die Tür kamen. Also hin zu dem Ticketladen, der seit 15 Uhr geschlossen hatte...Tolle Wurst. Also zur nächsten Filiale. Auch geschlossen. Meine Laune ging rapide bergab und ich war eigentlich ausschließlich am rummaulen. Also kauften wir kurz was zu essen ein und gingen zurück um im Internet nach diesen Läden und deren Öffnungszeiten zu gucken. Einer sollte bis 3 Stunden vor Konzertbeginn geöffnet haben. Der war allerdings `n ganzes Ende weit weg. Also ab in die S-Bahn und hoffen. Wir waren uns nicht sicher ob es der Laden war, zumindest fanden wir einen Laden wo es Tickets gab, der aber geschlossen hatte. Ich war nur noch am Pöbeln, fand Schweden scheiße, fand May-Britt scheiße, eigentlich alles. Wird wahrscheinlich jeder nachvollziehen können, dass man etwas grantelbärtig wird, wenn man extra nach Schweden fährt für ein Konzert und man wahrscheinlich nicht reinkommt, weil die Zeit vertrödelt wurde. Vor allem wenn man selber schon viel früher los wollte um die Karten zu holen. Aber ich will May-Britt nicht des Trödeln bezichtigen, ich glaube sie musste genug unter meiner Laune leiden. Gibt kaum was Schlimmeres als meine schlechte Laune zu ertragen. Höchstens Pimmel im Waffeleisen. Das Konzert war ja ausverkauft, also machten wir bzw. ich mir wenig Hoffnung an der Abendkasse noch reinzukommen. May-Britt jedoch war super gelaunt und sehr zuversichtlich, dass das noch klappen würde, was mich eigentlich nur noch wütender machte, hehe. Also fuhren wir rechtzeitig zum Henriksberg, dem Laden wo das Konzert sein sollte. Es war noch gar nichts los da. Hoffnung keimte in mir auf. Das Konzert am Vorabend war in einem anderen Teil des Ladens, weshalb wir auch etwas verwirrt waren. Doch dann sahen wir ein paar Skinheads und wir glauben doch richtig zu sein. Also sind wir rein und erzählten dem Mann an der Kasse von unserer Misere. Er wollte 20 Kronen von jedem haben und wir kriegten unseren Stempel. Wir konnten uns nicht vorstellen, dass das jetzt alles war. Es war noch nichts los in dem Laden also gingen wir erst mal raus, ich hatte eh ganz fiesen Hunger, weil ich so gut wie nichts gegessen hatte in all dem Stress. Dann kaufte ich mir den ekelhaftesten Döner, den ich je in meinem Leben gegessen hab und versuchte mich an einem Bier, welches aber irgendwie noch nicht schmeckte. Lag wohl am Vorabend, an der ungewissen Situation ob des Konzertes und an meinem fürchterlichen Sodbrennen.

Danach gingen wir zurück und inspizierten den Laden von Innen. Ein großer Tresen, mehrere Billardtische und Sitzgelegenheiten. Aber Keine Bühne. Der Typ am Einlass faselte irgendwas von „Concert upstairs“, aber da war keine Treppe zu sehen. Das Anwesende Publikum sah auf jeden Fall nach einem Perkele-Konzert aus, also machte ich mir doch noch leise Hoffnung. Dann lief auch noch der Bassist da herum, also waren wir scheinbar wirklich am richtigen Ort, aber da das Konzert ja in einem anderem Raum stattfinden sollte, so wie wir das verstanden hatten, dachte ich mir, wir haben 20 Kronen Eintritt für diese Kneipe bezahlt und kommen aber nicht in den Konzertraum. Also wieder abwarten und Bier trinken und vor allem das was ich den ganzen Tag schon gemacht hatte: meckern und alles kacke finden. Als wir später aus einem Nebenraum kamen, wollte ich erst meinen Augen kaum trauen, neben dem Tresen war eine offene Tür, wo ein merkwürdiger Kerl in einer „Ordningsvakt“-Uniform stand und wo eine Treppe zu sehen war, wo es “upstairs“ ging. Also hin da, kurz Stempel gezeigt und durchgewunken worden. Ziemlich verdutzt gingen wir ein paar Treppen höher und kamen in einen ziemlich kleinen, schäbbigen Konzertraum mit einem Perkele-Merchstand wo die Band verweilte und einer Bühne wo ein Backdrop von „Tear them down“ hing. Also hatten wir es geschafft! Aufatmen, gute Laune kriegen und mich ein paar mal bei May-Britt entschuldigen und sie dafür loben, dass sie meine schlechte Laune so gelassen ertragen hatte. Dann gleich `ne neue Runde „Pripps Bla“ geordert und ich war so gut drauf, dass es gar nicht soooo widerlich schmeckte. Hätten wir das gewusst hätten wir uns ja gar keine Tickets kaufen brauchen, hehe. Der Konzertraum war wirklich ziemlich klein, ich würde mal sagen, nicht viel größer als die T-Stube. Fand ich verwunderlich, da Perkele in Deutschland ja recht große Läden vollkriegen. Also erkundeten wir erstmal den Laden weiter. Hinter diesem Raum mit der Bühne sah es aus wie in einer Schickimicki-Disco oder sonstwas. Riesige Glasfassade, von wo man auf den Hafen gucken konnte und alles war ziemlich befremdlich. Vor dem Durchgang zur Dachterrasse , wo ein großes Partyzelt aufgebaut war, befand sich ein großes Banner auf dem „Välkommen till Oktoberfest“ stand....Oh nein. Fährt man schon nach Schweden und selbst da trifft man auf so eine Scheiße. Drinnen standen Bierzeltgarnituren an denen aber nur vereinzelt Leute saßen, zum Glück ohne Lederhosen oder Dirndl. Dafür hatten die Tresendamen etwas Dirndl-ähnliches an. Auf den Tischen lagen überall total beknackte, grüne, Papierhüte mit Gamsbart. Wo waren wir gelandet? Naja Egal. Irgendwann fing die erste Band an. GLUE GIRLS. Die wären beinahe schon wieder ein Grund gewesen schlechte Laune zu kriegen. Die waren einfach kacke, schwer zu beschreiben was das für eine Art von Musik war. Hohes, Kastratengejaule, zu Keyboard- und Gitarrengeklimper. Nach 2 Liedern reichte es dann auch ….

May-Britt: Malte hat den Tag ja schon ganz gut beschrieben und ja: die erste Band, die „Glue Girls“ waren echt nicht sehr gut und passten auch gar nicht in das Konzept eines Perkelekonzerts… ich hätte da auf jeden Fall etwas Schnelleres und Energiegeladeneres erwartet. Glue Girls = emotionaler Softrock mit sicherlich ganz kultivierten und raffinierten Texten, aber leider echt lahm, quasi nahezu einschläfernd. Könnte man sich zu Hause anhören, wenn man in seinen Depressionen versinken möchte, aber auf das Konzert haben die Gluegirls (dir übrigens alle dieselben karierten Flanellhemden anhatten…) nicht gepasst.

Malte: und wir gingen auf eine andere Dachterrasse wo es Sitzsäcke und Wolldecken gab. Da tranken wir Bier und lernten merkwürdige Leute kennen. Ein Pärchen kam vorbei die wir anscheinend schon am Vorabend getroffen hatten?? keine Ahnung. Die junge Dame, schon sichtlich angetrunken, unterhielt sich mit May-Britt während ihre männliche Begleitung die ganze Zeit seine wenigen deutschen Wörter sagte, die er wohl kannte. Es waren „Hallo“, „Bomben“, und „Rote Armee Fraktion“. Später stellten wir fest, dass er das aber zu jedem sagte und anscheinend nicht nur zu uns, weil wir aus Deutschland kamen. Irgendwann fing die zweite Band „Tear them Down“ an, die ich ganz gut fand. Schöner ranziger Punkrock, aber mit Melodie und Spielfreude vorgetragen. Nicht wie die andere Band die eher scheintot, mit dem Fuß wippend, ihr Geplänkel vortrugen. Mittlerweile war es auch knapp Mitternacht und die diversen „Pripps Bla“ entfalteten ihre Wirkung und ich war angenehm angeschüttet. Das Publikum war wild am pogen, bis sich dieser komische Typ von der „Ordnungsvakt“ mitten den Mob stellte und den Leuten versuchte das Tanzen zu untersagen und immer wieder Leute festhielt und sie zur Ordnung rief. Was fürn Quatsch, wenn ich da auf der Bühne stehen würde und jemand würde dem Publikum verbieten zur Musik abzugehen, würd ich aber mal wild das Pöbeln anfangen. Aber in die Situation werde ich wohl nicht geraten, bei unseren Spuckschluck-Auftritten tanzt ja eh nie jemand und alle gehen lieber nach draußen und hoffen, dass das Grauen bald ein Ende nimmt, hehe.

May-Britt: So schlecht sind Spuckschluck nicht mal. Ehrlich gesagt hätte ich mir euch viel schlimmer vorgestellt…. Der Name und die Bandmitglieder sprechen ja nicht so für Qualität, aber liebe Leser: Spuckschluck kann man sich gut mal angucken.

Auf der Dachtrrasse haben wir nicht nur die unglaublich betrunkene Adelina aus Stockholm und ihren noch betrunkeneren „Bombe-Hallo-RAF“-Freund getroffen, sondern auch einen unglaublich komischen Typen, der übergroße „Baggiepants“ trug und die ganze Zeit zu uns „Blutengel“ sagte… auch wenn ich normal auf Englisch und dann Schwedisch geantwortet hatte. Malte hat das anscheinend in seinem fröhlich-angetrunkenem Zustand nicht gestört, aber ich fand das ganz schön skurril. Also schnell wieder rein und die nächste Band angucken…

Tear them down aus Göteborg fand ich auch ganz gut, aber ich habe mir nicht den ganzen Auftritt angesehen. Ich war auch eher mit Pripps Bla-trinken und Kontakte-knüpfen beschäftigt… Sie haben meiner Meinung nach schnellen Punk Rock gespielt, aber mit diesen ganzen Genre-Merkmalen kenne ich mich gar nicht so gut aus, hätte auch ne „Meldodic“-Hardcoreband sein können oder so. Die Musik war auf jeden Fall schnell, laut und hatte melodische Refrains mit „ohohoho“, die mich nicht mal genervt haben, wie sonst so häufig. Das „ohohoho“ hat gut in die Lieder gepasst, es hat sich alles stimmig und treibend angehört und die Stimme des Sängers fand ich auch schön, aber sie konnten mich nicht so sehr fesseln, dass ich mir den kompletten Auftritt angeguckt habe.

Auf der gemütlichen Dachterrasse (sogar mit Heizpilzen und Kissen und Decken ausgestattet) habe ich viele nette Leute kennenglernt und lustige Gespräche in „Swenglish“ geführt…. Ein Typ kam mir aber schon etwas seltsam vor: er hatte mehrere Panzer auf dem Arm tätowiert und blickte finster drein. Naja. Kann ja nicht jeder so tiptop-gelaunt sein wie Malte und ich ;-) Ich hatte zigtausend Skinheads und die klassischen Punker, wie man sie sonst auch auf solchen Konzerten trifft, erwartet, doch insgesamt war das Publikum sehr durchmischt. Von dem „Blutengel“ und „Panzermann“, über die „TurbojugendGöteborg“ , High-Heel-Damen, älteren Herrschaften mit bereits grauweißer Haar“pracht“ bis hin zu gröhlenden Skinheads und Punkern war alles vertreten.

Malte: Dann fingen endlich Perkele an. Da ich mir ein paar Wochen vorher `ne Rippenprellung zugelegt hatte, stelle ich mich lieber an die Seite auf die Treppe zwischen Konzertraum und Fensterfrontraum um mir die Dinger nicht gleich wieder zerschmettern zu lassen. Sie fingen an mit „Fran flykt till kamp“ und danach kam gleich der Titelsong „A way out“ vom neuen Album. Der Sound war zwar ziemlich grottig, doch May-Britt und ich hellauf begeistert. Nach dem 3. oder 4. Lied waren mir meine lädierten Rippen auch egal und ich tanzte ein bisschen, wenn auch eher gemäßigt im hinteren, ruhigeren Bereich und als mein untrainierten Körper mit ersten Ermüdungserscheinungen und Schnappatmung darauf reagierte, beschränkte ich mich aufs Mitgröhlen. Das war allerdings etwas problematisch. Bis auf ein paar Songs vom neuen Album, welche alle in Englisch sind, spielten sie sehr viele alte Lieder auf Schwedisch. Ich hab zwar alle Platten auf Vinyl und mit Textblatt, aber schwedische Texte auswendig lernen ist mir doch zu anstrengend. Aber man kann ja auch so tun als könnte man schwedisch und gröhlt einfach irgendwas, was so klingt.

May-Britt: Perkele finde ich immer wieder gut, sowohl live als auch auf Platte. Die Texte sind zwar jetzt nicht sehr philosophisch, aber die Band schreibt sehr eingängige Melodien und Singalongs, die ich sehr mag und immer wieder anhören kann. Perkele haben sowohl fröhliche Partylieder, als auch aggressive „Wut-hymnen“ und Texte in Englisch und Schwedisch. Ich bin da anders als Malte und stehe vor allem auf die schwedischsprachigen Songs von den drei Göteborgern. Leider haben sie auf ihrer neuen Scheibe „A way out“, dessen Releasekonzert das ja war, keinen einzigen Song mit schwedischem Text. Zu meiner Freude haben sie aber viele schwedische Kracher, wie „det var da“, „längtan“ usw. gespielt. Das Publikum ist mittelmäßig durchgedreht und der Raum war dann doch etwas zu klein für all die tanzwütigen Menschen, sodass man auch weiter hinten schon mal ordentliche Schubser abbekommen hat, aber wir sind ja nicht aus Zucker oder Glas. Obwohl Perkele, übrigens mit neuem Schlagzeuger, ein sehr gutes Konzert abgeliefert haben, fehlten mir persönlich dennoch einige Hits.

Malte: Nach einer Stunde war das Konzert vorbei. Ohne Zugabe. Etwas irritiert gingen wir nach vorne zur Bühne und warteten eigentlich, dass sie gleich wieder anfingen zu spielen, aber die packten wirklich ein. Wir redeten noch mit dem Schlagzeuger und dem Sänger und es war wohl so, dass sie nicht länger spielen durften, aber sehr gerne noch hätten. Man hätte einfach die erste, grausame Band weglassen sollen. Da der Sänger ja eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Schweinchen hat machten May-Britt und ich noch Scherze darüber dass wir unbedingt ein Foto mit ihm machen müssten. Das wäre dann ja ein „PiGture“ höhöhö. Also machten wir schnell noch ein Foto mit ihm und unterhielten uns mit ihm. Er war wirklich gerührt als wir meinten, dass wir extra aus Deutschland gekommen waren für dieses Konzert und bedankte sich sogar noch bei uns.

Am nächsten Tag erzählte mir Simon, unser Gastgeber, dass Perkele in Schweden ziemlich unbekannt sind, das erklärte dann auch warum der Laden so klein war. Auch spielten sie ja so viele schwedische Lieder, die auf den Konzerten in Deutschland, ja doch eher die Ausnahmen sind.

Mir fehlten auf jeden Fall ein paar Lieder, aber im Großen und Ganzen war ich sehr zufrieden mit dem Konzert. Ich glaube hätten sie in Deutschland nicht „Heart full of Pride“ gespielt, wären sie bestimmt mit Schimpf und Schande von der Bühne gejagt worden. Obwohl es 2012 aufm Spirit-Festival etwas anstrengend war, als sie dieses Lied ca. 10 Minuten lang gespielt haben. Wo dann mal nur der Bass spielte, das Publikum sang, dann nur Schlagzeug usw., usf. Da wurden sämtliche Variationen ausgetestet.

Danach musste dann noch das ein oder andere Bier dran glauben, und irgendwann saßen wie wieder im Oktoberfestzelt. Auf dem Rückweg trafen wir in der S-Bahn noch zwei lustige junge Männer, die uns, wie sehr viele Schweden die merkten, dass wir aus Deutschland kommen mit dem Satz „You are from Germany? Do you know Hitler?“ angesprochen wurden. Hehe, ich weiß echt nicht wie viele Leute uns das gefragt haben. Irgendwie waren auch wirklich ausnahmslos alle Menschen in der Bahn besoffen. Also tranken wir mit den beiden Bier und ließen uns zur nächsten Station bringen wo wir umsteigen mussten. In unserer großen Barmherzigkeit haben wir ihnen von unserem guten deutschen Bier ab, welches sehr dankbar angenommen wurde. Trotzdem führten sie uns irgendwie falsch durch die Innenstadt von Göteborg. Als ich mit dem einen der beiden zum pinkeln an ein Gebüsch ging, verpasste ich allerdings eine Sache, wegen der es sich schon gelohnt hätte nach Schweden zu fahren. May-Britt wartete und unterhielt sich an der S-Bahn-Station und wieder kam eine Person die mit seinen Deutschkenntnissen angeben wollte und teilte mit schwedischem Akzent mit: „Ich habe ein großen Spermakanone“. Ich hätte mir in den Arsch beißen können. Warum musste ich denn ausgerechnet in dem Moment pinkeln gehen?

May-Britt: Zurück bei unseren durchgeknallten schwedischen Gastgebern erzählten wir dann von unserem Abend, tranken noch etwas und ließen den aufregenden Tag gemütlich ausklingen.

Malte: Als ich irgendwann morgens mal kurz aufwachte, und feststellte, dass ich irgendwas Merkwürdiges an meinen Füßen hatte, stellte ich fest, es war May-Britts Gesicht. Komisch, normal hätte ich eher gedacht, dass man durch Füße im Gesicht aufwacht, als durch Gesicht an den Füßen. Aber kurz danach entfuhr mir ein derart lauter Furz, dass sie doch noch aufwachte und einen Lachanfall kriegte. Ich war stolz, ich habe noch nicht oft Leute wachgefurzt und schlief zufrieden wieder ein.

Den Sonntag und Montag verbrachten wir damit, uns Göteborg anzugucken, zu einer kleines Insel zu fahren und solchen Dingen die man als Tourist halt so macht, aber das brauch hier ja nun nicht auch noch berichtet werden.

May-Britt: Oh doch! Falls irgendjemand von den Lesern hier mal die Lust verspüren sollte nach Göteborg zu reisen: fahrt auf jeden Fall auf eine der Schäreninseln, z.B. nach Höno (eher groß und „viel zum abspazieren“) oder Köpstadsö (Schweden wie aus dem Bilderbuch: klein, süß, viele schöne typische Häuser in Falunröd…)!

Malte: Am Dienstag auf der Rückfahrt ging dann natürlich wieder alles schief. Viel zu früh aufgestanden, aber ich denk mir immer lieber zu früh, als zu spät. Nach einer Stunde fahrt oder so, hielt der Zug an und alle mussten aussteigen. Irgendwie war auf der Strecke irgendwas in Dutt gegangen oder so, wir konnten das nicht richtig verstehen und rausfinden. Wir warteten ewig in der Kälte auf Busse, die uns nach Helsingborg bringen sollten. Das zog sich alle ganz lange hin, sodass wir natürlich alle unsere Anschlusszüge verpassten. Meine Laune war noch schlechter als am Samstag, als ich dachte ich würde das Konzert nicht sehen. Wir hätten eigentlich gegen 18:30 Uhr in Kiel ankommen sollen, mit ewigen Wartezeiten in Kopenhagen und Rendsburg kamen wir dann irgendwann gegen 22 Uhr in Kiel an. Das hat den ganzen, echt schönen Tagen doch einen etwas bitteren Beigeschmack gegeben. Als ich dann endlich im heimischen Bokel angekommen war, war es auch schon nach 23 Uhr. Ich war hellauf begeistert. Vor allem von der Tatsache, dass schon um 5 der Wecker klingelt und ich wieder zur Arbeit muss. Ich war durch die letzten Nächte ja eh schon etwas übernächtigt und auf der Rückfahrt im Zug konnte ich auch wieder nicht schlafen, was auch wieder daran lag, dass mir die zusätzlichen Gelenke fehlten.

Ansonsten hat es sich auf jeden Fall gelohnt, nette Leute kennengelernt, 2 gute Konzerte gesehen und außer für Schinken aus der Tube, keinerlei Geld was man nicht hat, für Dinge die man nicht braucht, um Leute die man nicht mag zu beeindrucken, ausgegeben.

May-Britt: Mein Fazit fällt auch positiv aus. Die Konzerte waren sehenswert, ich habe meine Bekannten wiedergetroffen, der „Touristenkram“ war schön und Maltes schlechte Laune war auch gar nicht so schlimm ;-)

 

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