THRÄNENKIND, GOLDUST, HIKIKOMORI / 09.11.2013 – Hamburg, Villa Dunkelbunt

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Oft sind es die negativen Reaktionen „der anderen“, die mir eine Band sympathisch machen. So kannte ich von THRÄNENKIND noch gar keine Musik, als ich auf einen antifaschistischen Patch stieß, der im Netz vom üblichen Geheule der ach so misanthropischen Black-Metal-Gemeinde begleitet wurde. Dutzende, vielleicht Hunderte von Kommentaren auf eine im Grunde völlig selbstverständliche Positionierung seitens THRÄNENKIND („Anti-fascist, green-minded“). Geradezu entlarvend und viel über die anonymen Hetzer selbst aussagend waren Kommentare, die beklagten, dass diese Haltung ja „total schwul“ sei, Musik mit Politik nichts zu tun habe etc. usw. blabla, ihr kennt das. THRÄNENKIND hatte ich da schon automatisch ins Herz geschlossen – was für eine erfreuliche Fügung, dass auch noch deren Musik gut ist!

Das und die Tatsache, dass mit GOLDUST eine weitere Band dabei ist, die ich schon seit längerem sehen möchte, lassen mich heute gar auf MONO FOR ALLE und NERVÖUS in der Alten Meierei verzichten.

Die Villa Dunkelbunt erweist sich als herrliches Wohnprojekt, gelegen mitten in Altona in der Nähe der Fabrik. Viele selbstgebaute Möbel (eine Bank aus Longboards), ein gemütliches Flair, ein mit Liebe eingerichteter Konzertraum, Eintritt und Getränke auf Spendenbasis – und wenn du aufs Klo gehst, dann stehst du in der Schlange zur Toilette der Bewohner_innen und kommst gleich ins Gespräch. Erinnert an ähnlich gemütliche Orte wie die Senffabrik Flensburg oder die Uhlandstraße Potsdam. Viele Leute sind gekommen, teils der Bands wegen, teils einfach aus Neugierde auf die Villa Dunkelbunt. In letzter Zeit gibt es in Hamburg diverse neue Konzertgruppen, die mit frischem Wind und Elan neue Dinge anpacken! Weiter so, VIOLENT BANANA Shows!

Zunächst gibt es ein ca. viertelstündiges Grind-Gewitter, welches mir in genau dieser Länge Spaß macht: HIKIKOMORI. Leider versteht man von den Ansagen kein Wort, so wie der Gesang überhaupt den ganzen Abend über etwas zu leise ist. Aber man versteht sich auch ohne Worte. Wenn der Sänger mit verzerrtem Gesicht in das Publikum hineinrennt, ist schon klar, dass es sich um 'ne No-Bullshit-Einstellung handelt. Sehr geil kommen die mahlenden langsamen Parts, die sich am ehesten dazu eignen, die Rübe zu schütteln. Ganz schön kurz, sagen die einen. Länger höre er sich prinzipiell GAR KEINE Band an, erwidert Bolle.

Endlich GOLDUST! Die Band mag ich seit der 2007er Split mit BLADE. Seitdem haben die Jungs so einiges an Tonträgern veröffentlicht – der Merchtisch präsentiert neben diversen 7“s gleich drei Longplayer (nach kurzer Recherche komme ich übrigens auf ELF Tonträger in sieben Jahren). Mir gefällt der düstere Hardcore. Leicht melancholische Melodien könnten eine Schnittmenge zur THRÄNENKIND-Klangwelt ergeben, insgesamt zeigen GOLDUST aber die deutlich höhere Grundgeschwindigkeit und aggressivere Stücke vor. Pan weist darauf hin, wie erfreulich unprätentiös das schäbige gestreifte Shirt des Gitarristen ist – da hat sie Recht. Keine Hipster-Ironie, keine Dresscodes, jede Minute, in der du überlegst, wie du auf der Bühne aussehen willst, ist verschwendet und hätte mit relevanteren Dingen gefüllt werden können. Und sei es „nur“ mit Musik. WOLTER empfiehlt: Mehr GOLDUST hören!

Ich muss ziemlich sofort an ALCEST denken, auch wenn THRÄNENKIND sich nicht auf diese Referenz reduzieren lassen. Witzigerweise hab ich den Tipp, mir ALCEST anzuhören, vor Jahren von Niles bekommen, der – richtig! - jetzt bei THRÄNENKIND singt. Sowieso verrückt: Ein Kieler (mittlerweile Hamburger), der bei einer Münchener Band einsteigt! Da muss dann wohl einiges passen, zumal Niles musikalisch auch ansonsten nicht gerade inaktiv ist. THRÄNENKIND wirken dann auch als Einheit. Sehr ernsthafte und geradezu traurige Musik ist das, die dir das Gefühl vermittelt, dich in einem seltsamen Schwebezustand durch einen Traum zu bewegen. Anders als bei (neueren) ALCEST wird hier aber mehr geschrien, gibt es Hardcore-Einflüsse, die sich nicht zuletzt im Cover eines HAVE HEART-Songs ("Pave Paradise") manifestieren. Niles macht sein Ding als Sänger richtig gut, insofern erstaunlich, da man ihn bei FÄULNIS, OPHIS etc. bisher ausschließlich hinterm Schlagzeug erleben durfte. Er berichtet gar von der auf der Fahrt aufgeschnappten Info, dass irgendwo in Deutschland ein paar ausgebüchste Kühe eine Bullenwanne demoliert hätten – „der Song ist für diese Kühe, hoffentlich wurden die nicht erschossen“. Ansonsten geht es ernster in den Texten zu – der Druck, den die Gesellschaft ausübt; Ziele, die sich nicht erreichen lassen; Hoffnungslosigkeit; Enttäuschung; Versagen… Total Shoegaze – ich mag es sehr und genieße diesen bewegenden Auftritt.

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