18.09.2013 - Hellsongs, Neo Rodeo, Leo Skaggmansson - Orange Club, Kiel
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- Kategorie: Berichte aus dem Pit
- Veröffentlicht: Freitag, 27. September 2013 10:01
- Geschrieben von Philipp, MetalSon
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Philipp: Der MetalSon hatte dieses Konzert ja recht skeptisch angekündigt, die Herangehensweise von HELLSONGS, Metalsongs in Loungeversionen zu covern, gar als „Blasphemie“ bezeichnet. Die generelle Idee ist indes nicht unbedingt neu – schon in den Neunzigern brachte Pat Boone sein „In A Metal Mood“-Album heraus, seit über zehn Jahren verswingt der Ami Richard Cheese metallische Stücke, diverse Bands und/oder Sänger_innen haben einzelne Stücke in ruhigen Versionen gebracht – z.B. THE CARDIGANS mit „Iron Man“ oder TORI AMOS mit „Raining Blood“. Was die Schwed_innen von HELLSONGS aber von allen diesen Beispielen abhebt, ist ihr Ansatz, das Ganze in Ansagen, Artwork und genereller Haltung mit libertären Inhalten zu verknüpfen. Vordergründig zwar witzig verpackt, aber auf tieferer Ebene eben doch politisch, weist Gitarrist Kalle Karlsson in seinen genialen Ansagen auf soziale Abgründe hin. Man merkt dem Typen darüber hinaus bei näherer Betrachtung sofort an, dass er ein Metal-Fanatiker ist, der die gecoverten Stücke so gut kennt, dass er sie sezieren und in der typischen HELLSONGS-Weise neukonstruieren kann.
MetalSon: So ganz Unrecht hat der Herr Wolter mit seinen einleitenden Worten nicht. Allerdings stehe ich Coversongs immer skeptisch gegenüber. Hinzu kommt in diesem Fall, dass ich den Stil Hellsongs als zu eintönig empfinde.
Philipp: Auf dem 2012er Wilwarin fand ich die Schwed_innen bereits geil, seitdem kreiselten diverse Tonträger der Band im Wolter'schen Haushalt. Bei der Länge eines ganzen Tonträgers werde ich allerdings gegen Ende meist fickerig – die geballte Ladung RUHE kann ich schwer ertragen, es muss dann schnell wieder Krach, Lärm und Gebrüll auf den Teller!
Drastischer noch ergeht es mir bei den beiden Supportbands, die mir mit Akustik-Gezupfe und Jaulgesang schwer im Magen liegen. Immerhin kann man sich in Zimmerlautstärke unterhalten und muss sich nicht über die Musik hinweg anbrüllen...
MetalSon: Leo Skaggmansson ist aber bei weitem nicht so nervig wie "Neo Rodeo". Er nervt wenigstens nicht in deren Maße mit "Rumgeheule". Auch ich kann mich den Stimmen anschließen, die sagen: "lasst die Supportbands weg und nehmt 15€". Das passte zwar vom Sound etwas, aber von der Stimmung her gar nicht, zu Hellongs.
Philipp: Los geht es dann mit „Meistern der Musik aus Schweden, aber nicht ABBA“. Können ja nur ENTOMBED sein und in der Tat perlt eine sehr coole Version von „Eyemaster“ („Wolverine Blues“) in meine Ohren. Klingt wie viele der HELLSONGS-Versionen auf diese Art völlig neu und doch vertraut, das schwer krachende Original wird hier zum melancholisch klingenden, von einem Piano getragenen und balladesken Stück. Die bereits dritte Sängerin der Band meistert die nicht ganz einfachen Gesangspassagen souverän, wechselt in ihrer Mimik dabei zwischen evil Metalfresse und hippieskem Lächeln. Der Hammer ist der Keyboard/Heimorgel-Mann, der in seiner biederen Schnauzbart-Optik wohl bei jedem Besucher die Frage aufwirft, was der wohl sonst so treibt. Jemand mutmaßt neben mir, der könne gar ein Lehrer sein, aber wollen wir mal nicht übertreiben hier. Keine Beleidigungen! EIN Effekt der HELLSONGS-Versionen ist es, dass man unwillkürlich stärker auf die Texte achtet. So kriechen dicke Gänsehäute über meine Hühnerbrust, als „Skeletons Of Society“ ertönt: „Deafening silence reigns / As twilight fills the sky / Eventual supremacy / daylight waits to die / Darkness always calls my name / A pawn in the recurring game / Humanity going insane“. Karlsson weiß zur Entstehung des Stücks zu berichten, dass SLAYER es zusammen mit Margaret Thatcher geschrieben hätten, welche dann aber populär geworden und eine totale antisoziale Scheißpolitik betrieben habe. Daran stimmt vieles. Zu den diversen Höhepunkten zählt unbedingt DIOs „Stand Up And Shout“, welches hier eine beschwingt poppige Note erhält. Den Chorus singen zahlreiche Anwesende mit, wobei ich schätze, dass höchstens ein Drittel der Erschienenen Metalheads sind (wenn ich oberflächlicherweise vom optischen Eindruck ausgehen darf). Die neue Platte ist recht abwechslungsreich, was sich in der heutigen Playlist niederschlägt. Während AT THE GATES' „Cold“ in die düster-melacholische Ecke geht, konserviert die Band bei AC/DCs „Sin City“ den Partycharakter. Mit BLACK SABBATH („Iron Man“), PANTERA („Walk“), SKIDROW („Youth Gone Wild“) oder IRON MAIDEN („Run To The Hills“) wählt man diverse populäre Stücke (das SKID-ROW-Cover finde ich gar besser als das Original), traut sich aber auch an Eigenkompositionen. „Animal Army“ und „Equality“ zeigen, dass HELLSONGS auch auf diese Art und Weise zu überzeugen vermögen, die im positiven Sinn poppige Eingängigkeit dieser Stücke nötigt den Besucher_innen gar jeweilige Mitsingchöre ab. Und da er dies für einen Beleg gegenseitiger Harmonie hält, lädt Karlsson uns doch glatt alle dazu ein, nach Göteborg zu kommen, einer Stadt, in der ihm zufolge der Schnaps einfach durch die Straßen rinne. Zugegeben, es sei kalt im Winter, aber dann könne man sich einfach bücken und an den Schnapspfützen lecken. Ach ja, und ihr sollt beim nächsten HELLSONGS-Konzert unbedingt lautstark MAIDENs „Trooper“ verlangen. Leider wird der Band nur eine Zugabe gegönnt, denn danach steht Disco an. Schade, denn es war eigentlich noch MEGADETH - „Symphony Of Destruction“ geplant. Bisschen arg unflexibel von der Traumfabrik-Crew, die paar Minuten nicht noch zu gewähren, zumal weit und breit noch gar kein Gast für diesen Kack-Tschiep-Tschiep-Klub (Wtf?) zu sehen ist.
MetalSon: Mein "Problem" mit Hellsongs hat meiner Meinung nach auch sehr viel mit der Authentizität der beteiligten Musiker zu tun. Dem einzigen, dem ich auch ernsthaft glaube tiefer in der Metalszene verwurzelt zu sein, ist Kalle Karlsson. Der Keyboarder wirkte mir viel zu unbeteiligt, fasst so wie ein aktiveres Bühnenelement. Nachdem Karlsson sehr sympathisch die Band und auch die Songs vorstellte und kleine Geschichten zum Besten gab, hätte ich mir da auch etwas mehr Beteiligung der Sängerin gewünscht. So wirkte es eher wie das Projekt von Karlsson.
Von den dargebotenen Coversongs gefielen mir "Skeletons Of Society", "Walk", "Sin City" und "Iron Man". Am besten waren jedoch die eigenen Songs. Zusammen mit den kleinen Anekdoten versprühten sie deutlich mehr Charme als der Rest des Programms. Das absolute Highlight war "Music Took My Life", in dem Karlsson von seinem Weg zur Musik und der Rolle der Musik in seinem Leben singt. Ganz und gar nicht gut finde ich hingegen "Run To The Hills" und "Youth Gone Wild". Bei diesen Songs ist Meinung nach wie vor: "Blasphemie".
Aus einem Dialog mit Törtchen:
"Du verlangst also, dass sie keine Songs covern, die Du gut findest?"
"Kann man so sagen, ja."
Ich würde den Anteil der eigenen Lieder deutlich erhöhen und nur ein paar Coversongs spielen. Dann schaue ich mir Hellsongs sicher auch nochmal an!
Setlist:
- - Eyemaster (Entombed)
- - Stand Up And Shout (Dio)
- - Skeletons Of Society (Slayer)
- - Walk (Pantera)
- - Cold (At The Gates)
- - Animal Army
- - Sin City (AC/DC)
- - Youth Gone Wild (Skid Row)
- - Music Took My Life
- - Equality
- - Thunderstruck (AC/DC)
- - Iron Man (Black Sabbath)
- - Run To The Hills (Iron Maiden)
Philipp: Beim nächsten Mal also in der Meierei spielen und wieder „We're Not Gonna Take it“ einpacken!
Der Bericht wird eventuell um eine weitere Sichtweise und Bilder erweitert.
Kommentare
PS: Also ich fand ja, dass Philipp mit dem Bart eher cool pennermäßig und noch etwas weniger bürgerlich aussah. Ist vielleicht auch eine Frage des Kontextes. Schade.
Toffi und Andy: Ich erzähl euch nie wieder von zu Hause. Ihr plaudert ja alles aus!
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