MORALENS VÄKTARE, THE BLUE SCREEN OF DEATH, LEVITATIONS, DIN / 01.09.2012 – Kiel, Hansastr. 48

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Obwohl ich durchaus finde, dass bei einem guten Konzertbesuch oft “der Weg das Ziel” ist und z.B. ‘ne feuchtfröhliche Bahnreise das eigentliche Highlight des Abends sein kann, schätze ich es auch mal, wenn ich meinen Stadtteil nicht verlassen muss, um einem erbaulichen Fest beizuwohnen. Zumal ich die Hansastr. 48 aufgrund zahlreicher subkultureller Erfahrungen (Sitzdisco, Theater, Kino, Konzerte…) in mein Herz geschlossen haben, nicht zuletzt durch das erste Dremu-Festival (OVERKIEL I - http://www.dremufuestias.de/index.php?option=com_content&view=article&id=113:qoverkiel-iq-2nd-engine-alias-caylon-elope-chaos-control--081103-kiel-hansastr-48&catid=15&Itemid=26) oder mein allererstes selbst gezocktes Konzi (A.L.D.I.)! Heute locken zur Wiedereröffnung nach der Sommerpause nicht nur vier Bands, sondern ein veganes BBQ und eine Aftershow-Party. Motto: JUST A LITTLE BIT DANGEROUS… (schicker Flyer übrigens! Muss ja auch mal gewürdigt werden. Hab ich mir gleich als Plakat fürn Proberaum mitgenommen).

Wir sind nicht die einzigen Gäste, die sich früh aufmachen, um noch etwas vom BBQ abgreifen zu können. Vielmehr sind bereits alle Freiluftsitzplätze in der Hansastr. besetzt. Überall futternde und plaudernde Grüppchen, der Duft von gegrilltem Seitan – beste Sommerfestatmosphäre. Die Schlange ist anfänglich zwar lang und stellt eine Geduldsprobe für hungrige Mägen dar, das Anstehen lohnt sich aber definitiv. Richtig leckerer Kram von der Pancake Revolution Crew – Salate, Brot, Aufschnitt, Tofu, Seitan. Bis zur zweiten Band grillen die Freaks weiter wie die Gestörten, sodass auch später ohne Schlange immer wieder Nachschlag geholt werden kann – und auch angesichts der durch Bierkonsum erweiterten Mägen geholt WIRD…

Um 21.00 Uhr ist die Hütte wirklich mehr als voll. An der Kasse höre ich von bereits 140 Zahlenden – passen die überhaupt in den lütten Konzertraum? Ich schätze mal, dass zu keinem Zeitpunkt alle Besucher_innen drinnen sind, denn eigentlich bleiben die Platzverhältnisse ganz angenehm.

         

DIN aus Dresden/Leipzig beginnen mit minimalistischem Postpunk. Während der Rest der Band introvertiert wirkt, bewegt sich der Sänger auf eigentümliche Weise. Sieht irgendwie aus, als mache er Dehnübungen. Aber hey – dat ist Punk, dat raffst du nie. Gilt wohl auch für die fiese kurze Hose, die er trägt. Noch vor wenigen Jahren hat man derartige Beinkleider auf Bad-Taste-Partys getragen, heute sind sie angeblich wieder hip. Der Gesang ist meist stark verzerrt, bis zum Ende des Auftritts schraubt der Sänger an irgendwelchen Knöpfen, um sein gewünschtes Ergebnis zu erzielen. In Ansätzen kann die Band gefallen, insgesamt geht es mir aber wie bei den meisten Postpunkbands so, dass mir die Sache zu sehr nach angezogener Handbremse und zu verkopft klingt. Dann doch lieber Kernasis wie Spuckschluck oder Schlöidergang, die möglicherweise weniger darüber nachdenken, was sie tun, das dafür aber lauter und mit mehr Herzblut…


         

Aus Berlin kommen LEVITATIONS. Von den vier Frauen singt und schreit jede mal ins Mikro, wobei mir die Stimme der Gitarristin rechts (von uns aus gesehen) am besten gefällt. Kommt schön hysterisch, so a la HANS-A-PLAST. Als mir dieser Vergleich gerade wieder durch den Kopf geht, kommt auch ein HANS-A-PLAST-Cover vom kultigen „Lederhosentyp“ („Du bist so'n geiler Lederhosentyp, oh, oh, / ich kann dich ja so ab! / Laß' mich auf deinen Lederarsch ran, / laß' mich zwischen deine Beine hau'n.“). Hehe, sehr geil, allerdings auch der Höhepunkt des Auftritts. Die eigenen Songs können nicht alle so überzeugen und werden auch etwas wackelig/unsicher dargeboten. Naja, letzteres ist ja auch wumpe, Charme hat die Band auf jeden Fall!

         


Die Band, die mich im Vorfeld am wenigsten interessiert hat, heizt dem Mob am stärksten ein und bringt definitiv die meiste Action auf die Bühne. Vom Konzept her hätten so wohl auch Kiels Legende MOvS live geklungen – hätten die faulen Hunde es denn je auf eine Bühne geschafft. Der Nintendo-HC/Punk von BLUE SCREEN OF DEATH geht voll nach vorne, die Sängerin springt entfesselt auf der Bühne herum, brüllt sich die Stimmbänder aus der Kehle und bittet zur völligen Eskalation.

         

Schon witzig und mitreißend, allein: Es gibt keinen Gitarristen. Stattdessen eben diese Nintendo-Sounds, welche der Schlagzeuger jeweils vor einem Stück per PC startet. Und im Zweifelsfall hör ich dann doch lieber Punk MIT Gitarren… Dennoch: Spaß macht die Sache und ohne eine Zugabe kommen BSOD nicht davon – sie entscheiden sich auch für ein Cover und zwar McLuskys „To Hell With Good Intentions“, welcher die gigantischen Textzeilen „When we gonna torch the restaurant? / Sing it / When we gonna pay the guide dog? / Sing it / My love is bigger than your love / Sing it / My love is bigger than your love / Sing it!” enthält.


         

Alle sind nun gespannt auf die schwedischen MORALENS VÄKTARE, deren Plattencover mit dem Unterhosenmann mir bereits in mehreren Zines positiv aufgefallen ist. Reingehört hatte ich bisher noch nicht. Ich bin daher überrascht, dass es sich bei der Band um einen Haufen Langhaariger handelt, welche eher Garagepunk bzw. 70er Protopunk zocken. Schon mal geiler als Postpunk, hehe. Allerdings gelingt es den Schweden irgendwie nicht, die totale Begeisterung zu entfachen. „Die Band steht auf der Bühne, doch sie haut nicht richtig rein“- oder wie heißt noch gleich diese Textzeile bei den EMILS? Jedenfalls fehlt die Konsequenz oder die Gnadenlosigkeit, der den durchaus willigen Mob zum Tanzen gezwungen hätte. Liegt es am Sound? Oder an spielerischen Details? Witzigerweise zündet die Mucke auf Platte tatsächlich viel mehr (ich hole mir nämlich seltsamerweise die LP, obwohl mich der Auftritt nicht völlig überzeugt – irgendwie ahne ich schon beim Konz, dass die Band auf Platte geiler klingt)! Hier ist alles perfekt in Szene gesetzt und du wirst von Riffs und eingängigen Refrains nahezu überrollt, was wie gesagt live nicht wirklich umgesetzt wird.

         

Obwohl ich bei allen Bands etwas zu meckern habe, ist dat ein ganz hervorragendes Fest. Ich hab jetzt zwar viel über die Musik geschrieben, aber insgesamt steht das Happening im Vordergrund. Draußen liegen die Punks auf dem Asphalt, neben den üblichen Verdächtigen sind viele Leute da, die man nie in z.B. der Meierei sieht. Und es dauert, bis irgendwer nach Hause geht oder weiterzieht. Gerne wieder häufiger Punk inner Hansastr.!

Kommentare   

+1 #9 JanML 2012-09-12 23:29
Ich habe mal ein paar Fotos ergänzt. Weitere gibt es hier: www.dremufuestias.de/index.php?view=category&catid=242&option=com_joomgallery&Itemid=35
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+3 #8 pan 2012-09-03 17:58
"kernasis" :)
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+1 #7 bockfred 2012-09-03 16:00
Achso, zum Konzert: Ich habe nur den nintendokram und die schweden gesehen, nintendokram ist nicht meins, ich kann mit elektronischem zeug einfach nichts anfangen.
die schweden fand ich ok, aber irgendwie ist nichts hängengeblieben, was aber auch am alkoholpegel liegen könnte.
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+6 #6 bockfred 2012-09-03 15:55
@ Herb: Du kannst eine subjektive meinung über musik doch nicht berichtigen!?!?!?!
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+1 #5 toffi 2012-09-03 15:51
Blue Screen Of Death haben schon in der Flora damals ordentlich abgeräumt, symphatisch unspackig und live ein großer Spaß! (Für's musikalisch desorientierte studentische Scheißhipstermilieu versteht sich.)
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-8 #4 HeavyHerb 2012-09-02 21:29
Also, da muss ich ja mal was berichtigen: Levitations waren auch mit ihren Stücken gut, da hab ich schon zig miesere Bands gesehen (vor allem, was das Songwriting angeht), TBOD dagegen gingen GAR NICHT, studentische Hipsterscheiße galore! Habe einen Song ausgehalten, mehr ging nicht. Nichts gegen Elektronisches, aber sowas ist gewollte Coolness von nerdigen Depp_innen für hippe Student_innen, die im Endeffekt gerade mal wissen, wie man Punk oder Hardcore schreibt. Lieber freiwillig nach Lüxxxx ziehen, als die ncoh einmal zu gucken. Moralens Väktare fand ich dagegen richtig knackig, schön prägnant auf den Punkt. Und was die fehlende Tanzbereitschaft angeht: vielleicht fehlten da nur ein paar "coole" Nintendosounds...
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+2 #3 Johannson Crusoe 2012-09-02 20:55
Schön geschrieben! Kritisch und charmant! :D
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+1 #2 Matt 2012-09-02 19:03
LIKE!!!
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+4 #1 Kochi 2012-09-02 17:04
Zwei Daumen hoch für Deine Forderung: mehr Konzerte in der Hansastraße! Da war ich Ewigkeiten nicht.
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