WACKEN OPEN AIR XXII / 04/05.08.11 – Wacken, Tag 0 & 1

0 Dislike0

Satanic Introductions/Anreise:

Philipp: Das gibt es doch nicht! Wer zufällig meinen JEX-THOTH-Bericht gelesen hat, wird wissen, dass uns auf der Fahrt nach HH bei Neumünster die Karre verreckt ist. Und heute – gerade auf der Fahrt zum W.O.A. – ertönt just als wir durch Shelbyville fahren wollen ein hässliches, ja brutales Geräusch. Es ruckelt und ächzt, uns wird klar: Soeben ist die Bremsscheibe des legendären Streckermobils gebrochen.

Was nun? Werden die Fragen, welche die Dremu-Gesandtschaft zu klären hat, nun unbeantwortet bleiben? Als da wären: Ist die Kritik am Festival hinsichtlich einer Ballermannisierung berechtigt? Kommen durch Wrestling, Schlammcatchen, Comedystars und Frei.Wild nur noch Mutanten dorthin? Spielen tatsächlich kaum noch gute Bands dort? Und sind die großen Bands OZZY, JUDAS PRIEST, MOTÖRHEAD zu keiner guten Leistung mehr fähig?

Da habt ihr aber Strecker unterschätzt! Nach kurzer Pause entscheidet sich der Helldriver dafür, „einfach etwas langsamer zu fahren“. Also im Schritttempo gen Wacken, zum Glück müssen wir nur selten bremsen, was dann jeweils von furchterregenden Geräuschen begleitet wird…

JoyBoy: In der Tat ein Schreckmoment. Aber ein paar Kilometer vorm Ziel aufgeben ist halt nicht mit dem unbeirrbaren Strecker zu machen. Für mich persönlich stellte sich zudem noch Frage, wie das im Teenageralter von mir zugegebenermaßen kultisch verehrte Festival nach acht Jahren der  Abstinenz (die Buchung der ONKELZ veranlasste mich ab 2004 zum Boykott, danach hatte ich die Kohle für den Eintritt nicht mehr übrig) und dem damit verbundenen Abstand wirken würde. Schließlich ist das Force Attack mit Abstand das größte Festival, welches ich seitdem aufgesucht habe. 

Die Bremsscheibe

Pics by JoyBoy

 

 

 

 

Strecker: Ich wusste ja, dass die Anreise in diesem Jahr spannend werden würde, da das Streckermobil dringend in die Werkstatt gemusst hätte, aber vorm Wacken keine Zeit dafür war. So ging es dann am Mittwoch mit abgelaufenem TÜV, angeschlagenen Bremsen und Auspuff los. Der Auspuff hat noch gehalten, aber die Bremsen haben es nur bis zur Abfahrt Neumünster geschafft und da hat es dann die Bremsscheibe zerlegt. Immerhin wollte der TÜV-Mensch am Montag die Überreste der Bremsscheibe für die Vitrine haben, weil er so was noch nicht gesehen hat. Eine neue Plakette gab es als Ausgleich aber nicht. Trotzdem sind wir irgendwie angekommen und so ging es nach der Begrüßungsminze durchs Dorf und übers Gelände. Hier haben wir dann ein Stück des Judas Priest Konzertes aus dem Rockpalast 1983 geguckt. Ich wusste bisher nur, dass es das Konzert gab, aber gesehen habe ich noch nie etwas davon. Würde ich gern mal ganz sehen. Wir haben dann noch einen Blick auf eine der Metal Battle Bands im Zelt geworfen und hier hat sich dann ein Mitglied unserer Reisegruppe mit dem Streckermobil solidarisch erklärt und sich ebenfalls zerlegt. Ich habe den Rest der Reisegruppe dann verbummelt und bin noch ein bisschen übers Gelände geschlendert und machte mich dann auf den Weg ins Bett.

Philipp: Die Akkreditierung geht flugs vonstatten. Wär sogar noch schneller gegangen, hätte sich nicht plötzlich ein ca. 20köpfiges Security-Kommando vor uns wichtig gemacht. Aber das muss man mal ausdrücklich loben: Die Wacken-Organisation läuft wirklich wie geschmiert, die Durchschleusung der Menschenmassen erfolgt überall reibungslos, man muss eigentlich nirgendwo länger anstehen. Einziger Meckerpunkt: Auf dem Pressezeltplatz gibt es wie im Vorjahr zu wenig Toiletten. Wir weichen statt des Toilettenwagens daher notgedrungen häufig auf ein Versehrtenklo aus…

JoyBoy: Bemerkenswert, wie die sanitären Bedürfnisse der Besucher_innen unseres Zeltplatzes von organisatorischer Seite offenbar eingeschätzt werden: dreieinhalb Klos aber ca. zwanzig Duschen pro binärer Geschlechterkategorie. Seltsam... Die Schlange vor den WCs hat jedenfalls zu jeder Tages- und Nachtzeit Bestand. Ansonsten ist die organisatorische und technische Leistung, die bei diesem Festival vollbracht wird, trotz der großen zur Verfügung stehenden Mittel für mich beeindruckend.

Philipp: Nachdem wir erfolgreich alle Zelte samt Pavillon etc. aufgebaut haben und zumindest in der Theorie Platz für später kommende Kumpels durch ein leerstehendes Fakezelt und großzügigen Aufbau erobert haben, muss natürlich ein Spaziergang durchs Dorf gewagt werden.

Dort ist die Hölle los. Trotzdem oder vielleicht auch gerade deswegen treffen wir auf zwei Typen, die eine „Metal-Bibel für Wacken“ verteilen und sogar entsprechende Shirts tragen. Wir nehmen natürlich jeder so ein Ding mit…

JoyBoy: Mich würde interessieren, was diese Missionierungsaktion wohl gekostet hat. Immerhin haben die Christen, wie ich tags darauf entdecke, auch auf dem Gelände einen Stand in unmittelbarer Nähe von „Nuclear Blast“. Ziel der Metal Bibel ist es, „eine Bibel so zu gestalten, dass wir alle, die wir Hardrock & Metal lieben, etwas damit anfangen können.“ Auf der entsprechenden Homepage www.bible-for-the-nations.com gibt es zudem eine erstaunlich breitgefächerte Auswahl von Bibelausgaben speziell für verschiedene Zielgruppen, von denen man anzunehmen scheint, dass jede von ihnen besondere spezifische Gemeinsamkeiten teilt, die eine jeweils auf sie zugeschnittene Bibelausgabe sinnvoll erscheinen lassen. So gibt es die „Street Bible für Teenager; die Biker Bibel, bisher in 11 Sprachen für Motorradfahrer; die Trucker Bibel für LKW-Fahrer; die Kicker Bibel für Fußballinteressierte; Hoffnung für alle - eine Spezialausgabe für Politiker und Geschäftsleute sowie die Frauen Bibel (!) mit vielen starken Lebensberichten von Frauen.“

Zumindest sorgt das Lesen der „Metal Bibel“ bei mir altem Hardrock- und Metalliebenden in der Tat für einige unterhaltsame Momente. Denn neben ausgewählten Auszügen des Neuen Testaments (Hauptprotagonist: „der radikale, mutige, langhaarige Rebell, der sich nicht zurückgehalten hat, die Heuchelei anzugreifen, die er bei den Führern seiner Zeit sah“) gibt es Statements von christlichen Metalfans und teils auch von sehr namhaften bekehrten Metal- und Hardrockmusikern zu lesen, von denen die prominentesten wohl Nicko McBrain („Ich möchte Dich gerne im Himmel sehen und mit dir zusammen sein.“), White Metal Ikone Michael Sweet („Die Bibel ist für mich wie Wasser.“) und Ex-KORN-Klampfer Brian Welch („Etwas brachte mich schließlich zur Besinnung, als ich meine fünfjährige Tochter summen hörte: ,All day I dream about sex.' Jetzt hatte ich genug.“) seien dürften.

Trotz der Vielfalt der Beiträge werden bestimmte stilistische Merkmale in der Metal Bibel konsequent eingehalten. Dazu gehört unter anderem, dass die Analysen kritischer persönlicher Lebenslagen nie ein bestimmtes (niedriges) Level an Komplexität überschreiten. Der typische Biografieverlauf eines christlichen Metallers beginnt demnach mit dem Interesse an der Musik, was im Rahmen des Verhaltenskodex des Milieus nahezu unweigerlich früher oder später zu Drogensucht und Satansanbetung führt. Irgendwann hilft nur noch Jesus. Danach wird man dann mit allem fertig, oder so ähnlich...

Die Spendenbankverbindung zur Unterstützung der Verbreitung der Metal Bibel findet sich auf der genannten Homepage. Für die Verantwortlichen zu beten wird zu diesem Zweck ebenfalls angeregt.

Philipp: Eine Wackener Familie hat es uns mit der Gestaltung ihres Grundstücks besonders angetan: Dort wird mit dem „Höllenschiss“ geworben, es gibt eine kleine Bar und man kann sich in den Vorgarten fläzen. Die Verständigung mit bayerischen Schüttelrüben wird jedoch auch nach der Einnahme mehrerer solcher Getränke (die sich als Mexikaner entpuppen) nicht einfacher.

JoyBoy: Aus anderen Regionen wird der hiesige Dialekt immer wieder mit Werner-Filmen in Verbindung gebracht. Welche Assoziation wäre wohl für die betreffenden Südländerinnen angemessen? Mir will leider partout keine halbwegs Positive einfallen.

Philipp: Also weiter aufs eigentliche Gelände. Wir schmuggeln diverse Getränke samt ‘ner Pulle Minze durch die Kontrollen und finden ein Open-Air-Kino, welches gerade JUDAS PRIEST vom 83er „Rock Pop In Concert“ zeigt. Das kann man nur abfeiern, vor allem JoyBoy kann es kaum fassen, dass er sehr bald JUDAS PRIEST live sehen wird.

Es mag daran liegen, dass der eben noch quietschfidele DOCTOR LOVE wenig später plötzlich auffallend stiller wird. Wir stehen gerade in diesem W.E.T.-Zelt, irgendeine Death-Metal-Band spielt und da legt sich JoyBoy doch glatt hin und schläft hart ein! Leider wird es jedoch gerade recht lebhaft voll im Zelt und aus allen Himmelsrichtungen flitzen Leute hin und her. Damit niemand auf ihn trampelt, stellen wir uns im Dreieck um JoyBoy herum auf und fangen heldenhaft die Banger ab. Der Weg zurück zum Zeltplatz wird allerdings anstrengend, da Stefan und ich den erschlafften Körper JoyBoys (eine Krankenschwester versichert uns: „Der lebt noch!“) zurückzerren müssen. Aber wir schaffen es! Nur ist jetzt irgendwie Strecker verloren gegangen. Wenig später gehe auch ich verloren und schlüpfe erst im Morgengrauen in mein brav wartendes Zelt.

JoyBoy: Nach dem nächtlichen Erwachen im Vorzelt verspüre ich die große Dankbarkeit gegenüber meinen Mitreisenden erstmalig bei eigenem Bewusstsein, denn mir ist schnell klar dass ich unmöglich selbsttätig in diese Position gekommen sein kann. Auf einmal war ich wohl betrunken ...und das trotz ausgiebiger Lektüre der Metal Bibel.

Stefan: Stefan: Die Dankbarkeit äußerte sich schon in der Nacht durch innige Umarmungen und Beteuerungen, dass Philipp und ich seine allerbesten Kumpels wären. Leider war die Nacht damit auch früher als geplant für mich beendet, da ¾ unserer Reisegruppe irgendwie nicht mehr da war.

 WTF?

 

WACKEN OPEN AIR XXII / 05.08.10 – Wacken, Tag 1

Philipp: Kein Wunder, dass Spätankömmling Magnus am Donnerstagmorgen keinen von uns auf dem Handy erreicht, obwohl wir ihm versprochen hatten, ihn morgens einzuweisen. Nun weiß Magnus nicht mal, auf welchem der Pressecampingplätze wir überhaupt sind. Die Rettung: Er erkennt an der auf unserem Campingtisch stehenden Flasche Lütje Minze, dass es sich hier nur um unser Revier handeln kann…

Auch unsere Nachbarn stürmen wenig später erfreut mit dem Schlachtruf „LÜTJE MINZE!“ auf uns zu, nachdem sie das Zeug ein Jahr lang vergeblich in diversen Supermärkten ihrer Region gesucht hatten.

Nach einer kurzen Morgentoilette (die Duschen sind mal richtig heiß!) sind alle fit und die Zeit bis 15.45 Uhr vergeht wie im Fluge.

Barbaren am Spieß

KVELERTAK:

Dann spielen nämlich KVELERTAK, auf die wir alle scharf sind. Leider muss man dafür zum „Wrestlingzelt“ in die „Bullhead City“, aber das geht dann doch schneller, als wir denken und im Gewusel in dem unfasslich großen Zelt treffen wir sogar zahlreiche Bekannte. Was habe ich das KVELERTAK-Debut oft gehört! Und jetzt endlich live. Man hat ja nur Gutes über deren Auftritte erzählt bekommen und in der Tat REGIEREN die norwegischen Black’n’Roll-Freaks das Zelt mit erbarmungsloser Tightness. Wie logisch einem im Nachhinein die Verbindung von Black-Metal-Gekeif und Turbonegro-Punk erscheint und wie seltsam, dass noch keiner früher darauf gekommen ist! „Fossegrimm“, „Mjød“, „Nekroskop“ und all die unaussprechlichen Titel werden runtergehackt, während der Sänger sich in Pose wirft, auf den Lichttraversen herumklettert oder über den Wrestling-Laufsteg sprintet. Ein hervorragender Einstieg in den musikalischen Teil des Festivals!

JoyBoy: Ich wünschte, es gäbe nicht die etwas zwielichtigen Gerüchte um diese Band. Beim Probehören auf Youtube und im Tourauto lediglich für „gut“ befunden ist die Band für mich live noch ein ganz anderes Kaliber. Die Kapelle versprüht eine Energie, der man sich unmöglich entziehen kann. Hierzu trägt auch der außerordentlich gute Sound in dem PA-mäßig exquisit bestückten Zelt bei, in dem ansonsten die klassischen Ballerm...äh... Heavy Metal-Programmpunkte wie „Oil-Catchen“, „Wrestling“, oder „Miss wet T-Shirt  Contest“ anstehen.

Stefan: Besser kann ein Festival musikalisch kaum beginnen. Die Songtitel kann ich weder aussprechen noch schreiben, es waren aber alle Highlights vom Album dabei. Klasse Auftritt.

Strecker: Der Donnerstag sollte für Wacken-Verhältnisse recht entspannt mit nur zwei Konzerten werden, die ich unbedingt sehen wollte und begann dann auch mit einem ausgiebigen Frühstück und Frühschoppen.

Nun standen für mich zwei Premieren an. Erstens der Besuch des Wrestlingzeltes und zweitens das erste Kvelertak Konzert für mich. In den vergangenen Jahren hatte ich das Wrestlingzelt immer erfolgreich boykottieren können, aber dies Jahr fanden dort erstmals auch Konzerte statt und so musste ich da dann mal hin. Vorher hatte ich zwar auch überlegt, ob ich die Konzerte nicht gucke, aber ich habe mir dann gesagt, dass die Band nichts dafür kann, dort spielen zu müssen-also Augen zu und durch. Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich es im Nachhinein nicht schlimm fand. Bis auf den Wrestlingring war es ein normales Konzert in einem großen Zelt und ich fand es besser als einige völlig überfüllte Konzerte, die ich auf der W.E.T. Stage in den vergangenen Jahren gesehen hatte. Trotzdem mussten auch bei Kvelertak einige Besucher draußen bleiben. Die hatten dann aber noch die Möglichkeit, das Konzert auf der Leinwand vorm Zelt zu verfolgen.

Nach der ersten Beschreibung, die ich über Kvelertak gelesen hatte -Schweinerock mit Black Metal Gesang- habe ich mir gedacht, dass ich so was nicht brauche und auch nicht hören muss. Durch Zufall habe ich dann die Platte in die Hände bekommen und da hat sich meine Meinung schlagartig geändert. Was für ein geiles Gemisch. Die Beschreibung trifft es ja tatsächlich, nur habe ich mir darunter was ganz anderes vorgestellt. Schweinerock funktioniert Live für mich deutlich besser als auf Platte und beim Black Metal ist es meist umgekehrt. Kvelertak schaffen es das Beste aus beiden Welten zu vereinen und boten eine energiegeladene und intensive Show, die im Zelt auch deutlich besser wirkte als mit Sonnenschein auf einer der großen Open Air Bühnen. Muss ich unbedingt im Herbst in Hamburg wieder gucken.

KVELERTAK

 

FREI.WILD:

Philipp: Da wir noch gut Zeit haben, bis mit OZZY das nächste Must-See ansteht, wird erst mal der Grill angeworfen. JoyBoy ist unbarmherzig zu sich selbst und besucht doch echt das FREI.WILD-Konz. Unser Mitleid begleitet ihn.

JoyBoy: So „wild“ war das nun nicht. Sowohl persönliches und journalistisches Interesse hat mich dazu veranlasst, mir das eine Viertelstunde lang mit eigenen Augen und Ohren zu Gemüte zu führen. Ich habe mich wie bei so vielem gefragt „Wer findet das ernsthaft gut?“ Die ermittelte Antwort: Eine Mischung aus Wacken-Metalheads, Halb- und Vollnazis mit Runentattoes sowie gewöhnlichen Volksfestprolls im ONKELZ-Shirt, wobei sich das FREI.WILD-Publikum nur durch den höheren Anteil der letzten beiden Gruppierungen vom durchschnittlichen Gesamtpublikum in Wacken unterscheidet (auch wenn ich betonen möchte, dass ich an diesem Wochenende trotzdem vielen Leuten begegnet bin, die ich wirklich nett fand und mir die Atmosphäre insgesamt angenehm entspannt vorkam).

Ansonsten ist die Band wie erhofft fast ebenso schlecht wie unsympathisch. Wie diese Band trotz ideenlosem Songwriting und musikalischen Fertigkeiten auf Amateurlevel so einen Erfolg haben kann, bleibt mir ein Rätsel. Vielleicht ja wegen der tollen Texte.

 

BLIND GUARDIAN:

Philipp: Von weitem hören wir die unsäglichen HELLOWEEN, zumindest unsäglich mit Andi Deris am Mikro. Dessen Ansagen sorgen selbst aus der Entfernung für Fremdscham.

Um uns gut für OZZY zu positionieren, gehen wir dann schon los, während BLIND GUARDIAN zocken. Der gesund zurückgekehrte JoyBoy weist Strecker darauf hin, dass dessen Maul noch voller Ketchup verklebt ist, aber Strecker hat gerade ein Schläfchen gehalten und möchte jetzt nicht zu viel Aktionismus.

Strecker: Nach einer Grillpause und Mittagsschlaf ging es dann zeitig zu Ozzy. Für mich etwas zu früh und ich musste noch Blind Guardian über mich ergehen lassen. Mag ja sein, dass die Band mal gut war/ist, sympathisch ist und auch ihre Berechtigung hat, in Wacken zu spielen, aber für mich ist dat nix. Ich kann nicht mal sagen warum, da ich Bands wie Queen und Savatage gerne höre und die mit Sicherheit auch zu den Haupteinflüssen von Blind Guardian zählen, aber mir fehlt da was. Da hatte Ozzy bestimmt schon bessere Vorbands -:)

Philipp: BLIND GUARDIAN gehören zu den Bands, die ich früher wirklich mochte, die mich im Laufe der Jahre aber als Hörer verloren haben. Frühe Auftritte in kleinen AZs und die ersten Platten sind mir noch in guter Erinnerung, aber das meiste von dem neueren Zeug ist mir zu überproduziert und aufgeblasen. Hansi Kürsch wirkt auch immer steifer auf der Bühne und redet mit den Fans wie ein Bankangestellter mit seinen Kunden. Unfreiwillig missverständlich auch die Aussage: „Wir bleiben fantastisch. Wir bleiben mystisch.“ Als eine der wenigen Bands des Festivals haben BLING GUARDIAN einen schwachen Sound – die Gitarren sind wirklich viel zu leise. Rein musikalisch kann man allerdings nicht meckern, der Schlagzeuger hat Drive und es gibt diverse richtig alte Stücke wie „Valhalla“ und „Majesty“, wobei „Time Stands Still (At The Iron Hill)“ und „Traveler In Time“ mir auch gut reinlaufen. Nun gut, wir sehen den Auftritt eher aus der Ferne über die Leinwände.

 

OZZY

OZZY OSBOURNE:

Philipp: Zu OZZY haben wir dann aber eine angenehme Position bezogen und sind gespannt wie die Flitzebögen. Dreimal hab ich den Madman bisher live gesehen, immer ein großer Spaß, aber das ist alles länger her und jeder kennt nun mal Berichte über einen OZZY, der die Töne nur so herausquält und/oder stark angeschlagen wirkt. Nicht so heute! Natürlich singt OZZY nicht „wie ein junger Gott“ oder was es so an Klischeesprüchen gibt, aber er legt eine passable Gesangsleistung hin und hat vor allem offenbar mächtig Spaß auf der Bühne. Die obligatorischen Wassereimer werden wahlweise auf der eigenen Rübe oder in den Fotograben geleert. Mit einem Schaumwerfer kommt man da schon weiter… Und so saut OZZY grinsend wie ein Verrückter die ersten Reihen und sich selbst komplett mit Schaum ein. Geil, wie man über die Bildschirme das Funkeln in seinen Augen sehen kann! Die Band ist richtig fit, Gus G. imitiert perfekt den jeweiligen Stil seiner Vorgänger Randy Rhoads, Jake E. Lee und Zakk Wylde und wenn OZZY mal zu früh einsetzt, wird das einfach locker aufgefangen und der Song dem Sänger angepasst. Es gibt keinerlei neue Songs, sondern ein Hit-auf-Hit-Programm, bei der das neueste Stück 20 Jahre alt ist…

Die Setlist sieht nach meinem vollgeschmierten Notizzettel wie folgt aus:

I Don’t Know

Suicide Solution

Mr. Crowley

War Pigs

Bark At The Moon

Road To Nowhere

Shot In The Dark

Mama, I’m Coming Home

Iron Man

Crazy Train

Paranoid

Dazwischen gibt es irgendwann überflüssige Sologeschichten, und etwas mehr Spielzeit hätte OZZY durchaus gehabt, aber dennoch war das ein riesiger Spaß, unser Fazit ist einhellig positiv.

Stefan: Stefan: Philipp hat auf seinem vollgeschmiertem Notizzettel noch “I don’t wanna change the world’ vergessen. Ansonsten schließe ich mich dem positiven Fazit an. Hab Ozzy vor ein paar Jahren in Holland beim Waldrock in katastrophaler Verfassung geshen. Hätte nicht gedacht, daß er sich nochmal berappelt. Allerdings fing das permanente ‚I can’t fuckin’ hear you’ irgendwann etwas an zu nerven. Bei Ozzy kann man aber mal darüber hinweg sehen.

Strecker: Nun gab es die dritte Premiere des Tages. Ozzy hatte ich bisher nur zusammen mit Black Sabbath gesehen und noch nie alleine. In jüngster Vergangenheit gab es ja schon wieder Schauergeschichten über die Gesangsleistung zu lesen. Ich fand den Gesang gut und Ozzy singt immer noch besser als viele andere und weitaus jüngere Sänger und vor allem hat Ozzy eine Ausstrahlung auf der Bühne, die zeigt, dass Genie und Wahnsinn dicht beieinander liegen. Die Band war zwar gut und hat sich super auf die teilweise vorhandenen „neuen Arrangements“ der Songs eingestellt. Trotzdem blieb die Band ein bisschen blass und vor allem Gus G hätte etwas mehr eigener Stil gut getan. Vielleicht durfte er nicht und sollte die Vorgänger nur kopieren. Mal abwarten, wie er sich noch entwickelt.

Es war aber ein sehr gelungenes Konzert, das ich gern noch länger geguckt hätte.

Nach dem Konzert ging es dann recht schnell zurück ins Camp und nun kommt eine „grausame Enthüllung“: Die Dremu Crew hat bei der Konzertanalyse des Tages erst mal reichlich Selters zu sich genommen. Mehr brauche ich zu dem Abend dann wohl nicht zu sagen. Gute N8.

Philipp: Die Idee schlechthin, die Dremu und der W.O.A.-Orga MILLIONEN einbringen wird, kommt von JoyBoy: Im Publikum laufen ja diese Bierboys herum, die einem das Bier aus auf dem Rücken mitgeschleppten Fässern in den Becher füllen. Nicht schlecht, aber ein Problem bleibt: Man hat einen guten Platz mitten im Mob, muss dringend urinieren – was tun? Hier kommen die PISS-PAGEN ins Spiel. In entsprechend uringelber Signalfarbe eingekleidete Typen, die den Besucher_Innen einen Eimer hinhalten, gern auch mit Ansaugvorrichtung (und Urinella für die Damen)! Das wäre uns jedenfalls pro Pagenbesuch 50 Cent wert! Schnell patentieren lassen, bevor Hübner und Jensen den Bericht lesen…

JoyBoy: Also spätestens wenn bei den Headlinern in ein paar Jahren nochmal 20.000 Leute mehr stehen und noch mehr Leute das gleiche Schicksal ereilt wie mich und Moe bei JUDAS PRIEST am Folgetag (Bericht folgt), wird ernsthaft über das Konzept nachgedacht werden müssen. Ich sehe da sehe da ganz klar eine zukunftsträchtige Branche. Hoffentlich geht nicht alles für die Tantiemen an Mel Brooks drauf.

Auf dem Weg zur Bühne kommt mir auch noch die Idee für einen Biografietitel, den ich Moe andrehen könnte: „Diary of a Mett-Man“, das sollte ich ihm mal vorschlagen. Alternativ käme vielleicht auch ein Weblog von Matt für diesen Titel in Frage.

Mit Ozzy steht sichtbar jemand auf der Bühne, der sich im Grunde den Renteneintritt redlich verdient hat, aber dafür ist Ozzy wirklich fit und sein Blick ist wie Strecker bemerkt wahrlich der eines Madman. Nur bei „Suicide Solution“ scheint mir irgendwas im Oberstübchen des Prince of fucking Darkness ein wenig durcheinanderzukommen, aber die Mitmusiker bügeln das sehr geschickt aus. Überhaupt ersetzt Gus G tatsächlich die Spielweise aller seiner nicht grade unprominenten Vorgänger beinahe 1:1. Krasser Typ. Das allein ist eine Attraktion.

Am meisten gefeiert habe ich wohl die Hits „War Pigs“, „Mr. Crowley“ und „Shot in the Dark“.

Von unserem Zeltnachbarn bekommen wir dann zu später Stunde großzügigerweise auch noch den unsäglichen „Dreamer“ dargeboten. Und das mit einer Gesangsleistung, für die man bei Ozzy wohl augenblicklich einen Mediziner herbeigerufen hätte.

Philipp: Oh Gott, ja. Das ist so eine Gruppe, die gefühlt IMMER auf dem Zeltplatz abhängt, dabei IMMER irgendetwas grillt und schröckliche Musik schief mitsingt, ab und zu unterbricht ein hysterischer Mädchenschrei „Das ist Wacköööön“ noch diese „Musica Diabolo“…

Und die Antworten auf die eingangs gestellten Fragen? Gibt’s natürlich erst im FAZIT OF DEATH am Ende! Stay tuned für Teil II…

OZZY

Kommentare   

0 #27 Philipp 2011-09-06 13:25
Nachtrag: Strecker präsentiert "die Überreste der Bremsscheibe. Weiß gar nicht, was der TÜV hatte - sieht doch aus wie neu."
Zitieren
0 #26 Philipp 2011-08-20 16:34
Natürlich bekommt die Mehrheit "die Fresse nicht auf" - insofern ist diese Szene leider auch nur ein Spiegel der Gesellschaft.
Zitieren
0 #25 HeavyHerb 2011-08-20 16:11
Die Mehrheit lehnt rechtsaffine Positionen ab? Da würde ich mal stark bezweifeln. In jedem größeren Magazin werden Frei.Wild groß gefeaturt, sie spielen auf vielen großen Festivals (Wacken, Full Force, Summer Breeze), ja werden sogar von Wolf-Rüdiger Mühlmann promotet, der im RH ja sonst gerne gegen NSBM und Nazis wettert. Wo ist denn die Mehrheit da? Außer ein paar Leserbriefen passiert da doch nichts. Ich meine, Bands wie Nachtmystium dürfen im RockHard stumpf gegen die Antifa hetzen und die angebliche Verfolgung von Varg Vikernes mit dem Holocaust gleichsetzen und was passiert? Richtig, nichts. Das lässt für mich halt nur zwei Schlüsse zu: entweder die Mehrheit kriegt einfach die Fresse nicht auf oder es sind halt doch nur wenige, die so etwas stört und die begriffen haben, dass es auch im Metal einen großen Grauzonenbereich gibt.
Zitieren
0 #24 bockfred 2011-08-20 16:09
Ich glaube wer da nun in der mehrzahl ist ist schwer zu sagen, ich kann da auch nur über meine subjektive wahrnehmung sprechen.

es ging mir jetzt auch hauptsächlich um aussagen wie "Schwachsinn. Bzw. wen zählst du zur Metalszene? Diese Leute, die 1x im Jahr Metal hören...", diese leute sind eben keine einzel erscheinungen die einmal im jahr in wacken die sau raus lassen, es gibt sie halt zu hauf.
Zitieren
0 #23 Philipp 2011-08-20 15:07
Ja, alte Diskussion, über Texte und Hörer_innen im Heavy Metal gibt es mittlerweile bereits Doktorarbeiten, soziologische Untersuchungen etc. Ich gebe dir natürlich Recht, dass da Schwachsinn dabei ist, sexistischer Dreck und gewalt- oder sogar kriegsverherrlichende Inhalte. ABER: Es gibt eben auch unzählige Gegenbeispiele. Und ich denke, dass du dieses Publikum insgesamt unterschätzt, wenn du meinst, dass es die Inhalte generell nicht differenziert wahrnimmt. Zum Beispiel auf rechtsoffene Scheiße bezogen: Es gibt zwar ZU VIELE, denen das egal ist, aber es ist eben nicht die Mehrheit. Ich habe durchaus den Eindruck, dass die Majorität rechte/rechtsoffene Bands ablehnt.

Naja, fühle mich inhaltlich im Punk/Hardcore natürlich auch wohler, wo das eine selbstverständliche Grundposition ist (oder sein sollte, traurigerweise ist das auch hier nicht immer der Fall).
Zitieren
0 #22 bockfred 2011-08-20 10:43
Nichts liegt mir ferner als alle über einen kamm scheren zu wollen, ich denke das habe ich in meinem kommentar auch zum ausdruck gebracht, jedoch ist metal jetzt nicht gerade die musik die textlich besonders mit antisexistischen inhalten glänzt (in vielen fällen ist leider genau das gegenteil der fall).

manche leute machen es sich dann einfach und sagen die leute die auf so einen dreck stehen gehören nicht zur metalszene, totaler blödsinn, diese menschen sind leider ein teil der metalszene, das kann man sich nicht einfach schön reden.

die metalheads die ich persönlich kenne sind natürlich auch keine sexisten sonst hätte ich auch nichts mit denen am hut, aber wenn ich mich auf konzerten so um gucke habe ich nicht gerade das gefühl es mit besonders reflektierten menschen zu tun zu haben.

mir auch wurst, ich würde eh nicht auf ein festival fahren das so einem dreck wie frei.wild eine bühne bietet, aber das thema hatten wir schon als die band das letzte mal dort auftreten durfte.
Zitieren
0 #21 Philipp 2011-08-20 09:47
Den Fragen, ob sich Wacken trotz der Größe und Kommerzialisierung (noch) lohnt, werden wir in den folgenden Teilen noch nachgehen. Da sag ich mal jetzt nichts zu.

Zum Publikum: Bocky, ich weiß nicht... Es erscheint mir immer etwas einfach, einen Großteil der Menschen über einen Kamm zu scheren. Ich würde sagen, dass ich einige Metalheads kenne. Original KEINE/R davon hast bisher ein gutes Haar an diesem Ölcatchen/Wrestling-Zeug gelassen. Idioten gibt es ohne Frage genug in Wacken, aber einen Großteil als unreflektierte Stumpfprolls darzustellen, geht an der Wahrheit meines Empfindens nach vorbei. Vielmehr scheint die in der Tat natürlich kommerzielle "Szene" schlicht durch alle Schichten zu gehen.
Zitieren
0 #20 bockfred 2011-08-20 08:51
Naja, auf einmal tun alle so als wäre die metal szene eigentlich voll von total reflektierten menschen, das halte ich für totalen schwachsinn.
viele bands spielen schon immer mit sexismus weil es sich verkauft oder achso cool ist,und jetzt wundern sich leute das in wacken eingeölte frauen catchen damit die masse sich drann aufgeilen kann, das ist so seit dem es metal gibt und auf einmal sollen das die ausnahmen sein die nur einmal im jahr metal hören.

bestes beispiel die einzige (ich nenne mal keinen namen) kieler metal kneipe, der laden ist voll von idioten (das personal eingeschlossen) den es total wurst ist ob da nun leute mit NSBM aufnähern rumhängen oder ziehen sich nationalistischen dreck wie frei.wild rein, gerade erst selbst erlebt.

natürlich gibt es auch im metal (gerade in der thrash-ecke) ausnahmen, aber einem großteil der sogenannten metalszene geht es doch einzig und allein ums feiern, viel mit hintergrund ist da einfach nicht.
Zitieren
0 #19 Metal_Zebra 2011-08-20 02:12
"Ich weiss nicht warum alle so erschrocken über die "Ballermannisierung" oder komerzailisierung dieses festivals sind, das ist doch genau das auf was der großteil der metalszene steht"

Schwachsinn. Bzw. wen zählst du zur Metalszene? Diese Leute, die 1x im Jahr Metal hören? Nich einen Cent für Tonträger ausgeben? Das würd mich mal interessieren
Zitieren
0 #18 DoctorJoyBoyLove 2011-08-17 20:15
Eine hundertprozentig seriöse Quelle habe ich nicht, aber ein Plattenrezi auf einem Metalblog und eine Downloadseite, wo bei der Besetzung des 2006er Albums von Haggis an den Drums ein gewisser Kjetil "The Nigger" Gjermundrød angegeben wird. Ich habe aufgrund fehlender Sympathie keinen Bock die Seiten hier zu verlinken, aber googlen kann das mit der Information wohl jede_r.
Zitieren

Kommentar schreiben


Sicherheitscode
Aktualisieren

Stern inaktivStern inaktivStern inaktivStern inaktivStern inaktiv