BEGGARS & GENTRY, AYS, TACKLEBERRY, SEEDS OF PAIN / 11.04.10 @Silber, Hamburg

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Matinee ist der neue Punk! Jedenfalls schmeißen immer mehr Konzertgruppen Sonntagsshows am frühen Abend, die dann im Idealfall auch tatsächlich vor 22Uhr beginnen. Die normalerweise in der Flora ansässigen OUR TURN CONCERTS laden heute zu AYS, TACKLEBERRY, BEGGARS & GENTRY und SEEDS OF PAIN, das Ganze als Rahmenprogramm für ein Buch-Release. Weil die olle Flora anscheinend besetzt ist, gibts eine Ersatzlocation namens Silber und als Schmanckerl obendrauf wird auf dem Flyer noch veganes Futter angepriesen. Geil, denn mal hin da!

Ein williges Reisegrüppchen ist auch schnell gefunden und so machen wir uns guter Dinge mit der Bahn auf den Weg und treffen mit den obligatorischen fünf Minuten Verspätung am Hauptbahnhof ein. Ab Richtung Reeperbahn, Laden gesucht, problemlos gefunden. In der Silbersackstraße gibt es übrigens nicht nur einen eingezäunten Hundespielplatz, es scheint auch der perfekte Ort zu sein, um auf St.Pauli seinen Vierbeiner zu entschlacken, jedenfalls liegt ein recht markanter Duft in der Luft, als wir uns unter die vor der Tür wartenden Menschen mischen.

Von außen sieht das Silber noch recht neutral aus, doch der Teufel steckt wie gewohnt im Detail, so wirken Schilder mit Inhalten wie "Der Eingangsbereich wird videoüberwacht" oder "Verkauf und Einnahme harter Drogen, Beleidigungen, Blablabla, und sonstiges Fehlverhalten führen zum Rausschmiss" echt einladend und auch der Türsteher punktet direkt mit Rucksackkontrollen und anderen Nettigkeiten. Toll auch der Aufkleber einer berliner Band: DUKES - cockrock - get drunk or die tryin'.

Netter kann es doch kaum werden, voller Euphorie zücken wir unsere Geldbörsen und stürzen uns ins Auge der Überwachungskamera um die 8,- Euro Eintritt zu löhnen, noch schnell den Schalldämmungsvorhang beiseite geschoben und hinein ins... Dunkel?! Moment mal, in was für einem Etablissement befinden wir uns hier? Die Wand links von mir bietet eine sureale und für das menschliche Auge kaum begreifbare Optik aus silberfolienüberzogenen Gummizellenpolstern, der Bühnenbereich im hinteren Eck konstrastiert in rotem Lederimitat. Ein Tresen zeichnet sich schemenhaft in der Schwärze der Nacht ab, statt Lichtquellen bevölkert ein Pulk von 9 Diskokugeln die Decke, lediglich zweieinhalb bunte Effektstrahler pumpen erfolglos Energie ins Nichts. Obwohl es erst 17Uhr ist überkommt mich der Drang zu schlafen, Andy versucht derweil den Merchstand zu ertasten, kehrt aber erfolglos zurück. Irgendwo dort zwischen Platten und Shirts vermuten wir den eigentlichen Grund des Konzerts, das Buch "REASON NOT RULES". Ein Bildband.

Statt veganem Essen gibt es Kuchenreste im Schein zweier Teelichter. Die Flammen blenden in den Augen, ich sehne mich nach Dunkelheit und drehe mich wieder zur Bühne. Immerhin gut pünktlich geht es auch mit Musik los, BEGGARS & GENTRY aus der Schweiz machen den Anfang. Im Silber wird zum Auftritt übrigens nicht wie in anderen Läden üblich das Licht heruntergedimmt. Der Sänger begrüßt uns als einziger Österreicher der Formation in gebrochenem Schweizerdeutsch und leitet daraus in eine gute Ansage über, wie es ist sich als Minderheit anpassen zu müssen. Leider bleibt es bei dieser einzigen Ansage, danach gibt es nur noch Songtitel. Rocklastiger Hardcore, find ich nicht verkehrt, aber irgendwie fehlt im Sound der Druck, im Publikum die Dynamik, auf der Bühne das Licht. Das geht dann noch während eines Songs für einen Augenblick komplett aus.

Wieder vor die Tür, das grelle Tageslicht überrumpelt mich, ich beneide den Türsteher um seine Sonnenbrille. Uns packt Hunger, wir suchen einen Döner, verlieren das eigentliche Ziel des Abends aus den Augen und verpassen den kompletten Auftritt von AYS, aber irgendwie ist das nicht so dramatisch. Andy berichtet uns von einem endlosen Soundcheck, einem genervten Gitarristen, der nichts auf dem Monitor hörte und einem überforderten Soundmenschen, der ewig nach dem Problem fahndete. Kein Kabel angeschlossen. Naja, war ja auch dunkel.

Als drittes dann TACKLEBERRY. Klingen wie TACKLEBERRY klingen, wenn sie im falschen Laden spielen. Einige thematisch ernste, aber witzig verpackte Ansagen machen mir Schreihals Hannes ansatzweise sympathisch, literweise Rotz und Speichel über Band und Publikum verwässern den Eindruck bald wieder. Das Mikro trennt sich wie bei allen Bands gefühlte hundert Mal vom Kabel, aber heute stört das nicht weiter.

SEEDS OF PAIN bilden das Schlusslicht, die Reihenfolge macht durchaus Sinn, wenn man der Band lauscht. Mit dutzenden von Tretminen vor den Klampfen wird ein schwerer, düsterer Teppich gewebt, erinnert mich anfangs bisschen an so atmosphärische Dinger wie MOGWAI. Die Songs bauen sich ewig lange gesangsfrei auf und steigern sich dann in einen plötzlichen Ausbruch aus dem schleppenden Tempo, gepaart mit Schreiausbrüchen des ansonsten in Trance herumwackelden Sängers. Vom Prinzip her ganz geil, aber zu unausgetüftelt. Zu viele Längen, die Songs laufen nicht aus, sondern brechen meist abrupt ab. Könnte aber noch was Spannendes draus werden. Tatsächlich ist das Konzi dann noch vor 22 Uhr zuende. Ab zurück nach Shelbyville.

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