05.04.08: Erinnerung an Naziverbrechen: Der "Zug der Erinnerung" kommt nach Kiel.

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Wir dokumentieren einen Aufruf des Bündnis Autonomer Antifas Nord [BAAN].

 

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05.04.08: Erinnerung an Naziverbrechen: Der "Zug der Erinnerung" kommt nach Kiel.

Vom 7. bis 9. April macht die Wanderausstellung "Zug der Erinnerung" Halt im Kieler Hauptbahnhof. Der "Zug der Erinnerung" ist ein Projekt, welches von deutschen BürgerInneninitiativen betrieben wird. Er informiert und erinnert an deportierte Kinder und Jugendliche. Die Ausstellung besteht aus zwei Waggons, der Fokus liegt hauptsächlich auf den grausamen und widerwärtigen Transporten von Kindern und Jugendlichen aus ihren Heimatstädten in die Vernichtungslager der Nazis.

Im ersten Waggon werden mehrere TäterInnen vorgestellt. Vom "Reichsverkehrsministerium" über die SS bis hin zu den LogistikplanerInnen der "Reichsbahn", die für den Transport der todgeweihten Kinder und Jugendlichen in die Vernichtungslager sorgten. Im zweiten Waggon sind Tafeln angebracht, teils gefüllt mit Dokumenten über die Einzelschicksale der Kinder, teils mit noch leerem Platz für weitere in den jeweiligen Städten gesammelte Fakten und Geschichten.

 

Mit der Bahn in den Tod!

Am 9. November 1938 erreichte der Wahn der Nazischreckensherrschaft seinen vorläufigen Höhepunkt: In ganz Deutschland wurden Synagogen und Geschäfte von Jüdinnen und Juden sowie von anderen Menschen, die nicht in das kranke und herbei halluzinierte Weltbild der Nazis passten, vom deutschen Volksmob beschmiert, zerstört und niedergebrannt. Diese Grausamkeiten bekamen in der Geschichte den Namen "Pogrome", sie markierten den Übergang von der alltäglichen Diskriminierung und Ausgrenzung der deutschen Jüdinnen und Juden seit 1933 zur systematischen Verfolgung.

Ab 1940 bis 1944 begannen jene systematischen sowie massiven Verschleppungen und Deportationen in Güterwaggons, von Jüdinnen und
Juden, politischen GegnerInnen, Sinti, Roma, Homosexuellen, so genannten behinderten Menschen, organisiert vom Deutschen "NS-Reichsverkehrsministerium" und der deutschen Reichsbahn.
Zwischen Ende 1941 und Juli 1942 wurden, abseits von den bereits bestehenden Arbeitslagern und Ghettos, sechs große Vernichtungslager in den besetzten Ostgebieten in Betrieb genommen. Sie entstanden mit dem Ziel, die bereits im großen Maßstab durchgeführten massenhaften Ermordungen von Jüdinnen und Juden sowie anderen potentiellen GegnerInnen der Naziherrschaft zu beschleunigen, indem die Tötung quasi industrialisiert wurde.
Hier kam die deutsche "Reichsbahn" noch einmal mehr ins Spiel. Sie war das logistische Rückrad jener Vernichtungsmaschinerie, da ohne sie die Deportationen niemals möglich gewesen wären!


Endlich Gedenken!

Der Zug der Erinnerung macht an deutschen Bahnhöfen Halt, wo jene Kinder verladen wurden.
So starteten auch aus Kiel Deportationszüge nach Auschwitz. Die Kinder wurden nach bester deutscher bürokratischer Manier im Kieler Rathaus regional weit erfasst und gesammelt. Hiernach wurden sie dann vom Kieler Hauptbahnhof aus, mit der "Reichsbahn" in das Vernichtungslager Auschwitz gebracht, um dort vergast und verbrannt zu werden.

Die Kinderverschleppung wurde in der Nachkriegsgeschichte weitgehend nicht thematisiert und verdient deshalb eine besondere Form der Aufmerksamkeit. Umso wichtiger und dringender wurde die Ausstellung, die auch explizit die Rolle der "Reichsbahn", der Vorgängerin der Deutschen Bahn AG mit thematisiert. Etwa drei Jahre lang wehrte sich die Deutsche Bahn gegen diese Ausstellung. Erst durch den starken Druck von BürgerInneninitiativen, dem Auschwitzkomitee in der Bundesrepublik Deutschland e.V. und weiterer auch internationaler Öffentlichkeit konnte diese wichtige und absolut notwendige Ausstellung auf den Bahnhöfen Deutschlands endlich realisiert werden. Die Angst vor weiterem Imageverlust ließ die Bahn schließlich klein bei geben. Doch nicht ohne auch diesmal wieder ordentlich abzukassieren.


Menschen verachtende Kontinuität!

Die deutsche "Reichsbahn" kassierte einst Millionensummen für die Deportationen. Die Deutsche Bahn AG ist ihre historische Nachfolgerin und profitiert somit bis heute von den Deportationen.

Und wie jedes kapitalistische Unternehmen ist die DB auf Profitmaximierung aus: Es passt ihr dann natürlich nicht ins Konzept, Geld oder auch nur kostenfrei Raum für eine Ausstellung zur Verfügung zu stellen, die zudem alles andere als Eigenwerbung ist.
Diese Priorität beschert den MacherInnen der Ausstellung über 100 000 € an Mehrkosten: Die Bahn AG fordert ca. 25 000 € für die Schienennutzung, 70 000 € für die Nutzung der Bahnhöfe und 10 000 € für das Abstellen der Ausstellungswagen.

Zahlreiche Bahnfunktionäre der Nachkriegszeit waren an den Deportationen beteiligt. Ebenso wie viele andere Naziverbrecher wurden sie nie belangt. So z.B. auch der NS-Verkehrsminister Julius Dorpmüller, dessen Aufgabe es war, die Massendeportationen zu decken. Im Gegenteil: Nach ihm wurden mehrere Versammlungssäle der DB benannt. Aber nicht nur die DB erinnert gerne an ihn, sondern auch die Bundesrepublik Deutschland, die seit Jahren aus Steuermitteln die Pflege seines Grabes bezahlt. Darüber hinaus wurden schwer belastete "Reichsbahn"-Logistiker später zu Leitern der Bundesbahndirektionen berufen. Sie konnten nach 1945 fröhlich weiter an der "entnazifizierten Demokratie" mitwirken.
Hier wird nur allzu gut die Verstrickung der Deutschen Bahn AG in die NS-Verbrechen deutlich und erklärt ihre ignorante Haltung gegenüber der Ausstellung. Diese offensichtliche Verhöhnung jener Opfer, von denen die Bahn gut profitierte, sowie die unverschämte Provokation der Überlebenden der Massendeportationen, beweist einmal mehr ihre Menschen verachtende Kontinuität.

Aber auch das deutsche Verkehrsministerium weigerte sich, die Ausstellung finanziell zu unterstützen. Erst nach monatelanger Nichtbeantwortung von finanziellen Forderungen ließ das Ministerium der Ausstellung 15 000 € "zugute" kommen. Ein Betrag, der eher als ein zynisches Almosen zu werten ist. Das Verkehrsministerium steht genauso wie die Deutsche Bahn AG in der historischen Verantwortung für die Verbrechen des Naziregimes. Somit auch einer umfassenden Auseinandersetzung mit ihrer NS-Vergangenheit.


Nichts ist vergeben, niemand wird vergessen!

Wir fordern die Deutsche Bahn AG mit ihrem Chef Hartmut Mehdorn sowie das deutsche Verkehrsministerium mitsamt Herrn Tiefensee auf, die Ausstellung "Zug der Erinnerung" komplett zu finanzieren und alle ausstehenden Kosten zu begleichen! Weiterhin fordern wir sie auf sich ihrer Verantwortung in der deutschen Geschichte bewusst zu werden und sich endlich kritisch mit ihr zu befassen!

Hiermit rufen wir dazu auf, die Ausstellung "Zug der Erinnerung" zu besuchen und sich mit diesem mörderischen Kapitel deutscher Geschichte auseinander zusetzen.

Wir fordern die Entschädigung aller Opfer Nazideutschlands - sofort!


ANTIFASCHISTISCHE KUNDGEBUNG
Sa., 05. April 2008, 12.00 Uhr
Vorplatz des Hauptbahnhof, Kiel


Bündnis Autonomer Antifas Nord [BAAN]

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