ICE WAR, DAWNRIDER, DAEDRIC SHRYNE / 16.10.2025 – Hamburg, Bambi Galore
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- Kategorie: Berichte aus dem Pit
- Veröffentlicht: Sonntag, 26. Oktober 2025 21:59
- Geschrieben von Philipp Wolter
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Wieder ein Must-See-Konzert im Bambi: DAWNRIDER sind bis zum Tag der Veranstaltung die einzige Band des Billings, die mir noch unbekannt ist, aber der umtriebige Kanadier Jo Steel, der neben ICE WAR auch (mit)verantwortlich für IRON DOGS, APHRODITE, DEVIL CROSS oder ON FIRE ist (um nur einige seiner Projekte zu nennen, Metal Archives listet 17 aktive Combos) rechtfertigt ja allein schon das Erscheinen. Und dass die Epic-Metal-Überraschung 2024 DAEDRIC SHRYNE mit dabei ist, stellt für mich die Kirsche auf der Torte, das Tüpfelchen auf dem i, die Nadel zum Plattenspieler oder auch den Vinyl-Bonustrack zum Album dar. Warum kann nicht jeder Tag Bambi-Tag sein?
Bilder von MJ.
Es erscheinen erfreulich viele Leute, was angesichts des momentanen Konzertüberangebots ja nicht selbstverständlich ist. Bereits zu DAEDRIC SHRYNE sitzen die Kutten stramm und die aktuellen „Sammelspielkarten“ sind bereits abgeerntet. DAEDRIC SHRYNE zeigen dann gleich mal, wo der Hammer hängt (nicht bei HAMMER KING…)! Der Sound ist herrlich klar, wie Lava fließt der rotglühende Stahl aus den Boxen. Bisher noch nicht gerafft: Der Sänger Al Shirazi ist ja der Drummer von MAJAK, wo er sich passenderweise Al Punchino nennt. Das ist schon frech, wenn jemand zwei derart unterschiedliche Sachen so gut beherrscht. Wobei Niles am Schlagzeug ihm da in nichts nachsteht, denn der Halunke singt diverse Zeilen, Chöre und Backings kongenial mit. Da wackelt nichts, das klingt super. Die Songs kommen kräftig, melodisch und steigern sich in wahre Epen. Melancholie, Speed, Power, Erhabenheit – alles da. Auf hohem Niveau kritisiert: Al dreht sich gerade bei den schnellen Parts vom Publikum weg und vergibt so die Chance, die Leute aufzupeitschen. Auf der anderen Seite wirkt diese nicht durchkonzipierte oder überprofessionelle Bühnenpräsenz authentisch und die Fäuste gehen eh alle nach oben. Erwartetermaßen: geil!
Bei DAWNRIDER habe ich einen Flashback zu meinem ersten SAINT-VITUS-Liveerlebnis in den Achtzigern. Zur „V“ gastierten sie in der Markthalle, ich kannte nicht mal ihren Namen und war sofort verliebt in diesen wild zusammengewürfelten Haufen Freaks. Auch die Portugiesen erwecken ein wenig diesen Eindruck, auch sie zocken urwüchsigen Doom. Allerdings klingen sie musikalisch dann doch völlig anders: Ein dicker Orgelsound schafft Klangwände, an die du dich anlehnen kannst. Gitarrist Hugo Conim spielt eine hochmelodische Leadgitarre und rhythmisch pfiffig strukturierte Riffs. Bassist und Sänger Filipe Relêgo besitzt eine eher raue Stimme und erzeugt im Verbund mit Drummer J.P. Ventura einen hemmungslosen 70er Groove. Da kommen als Vergleich eher frühe SABBATH oder auch PENTAGRAM in den Sinn. Mit zwanzig Jahren Bandgeschichte spielen DAWNRIDER schön tight, gleichsam mit einer gewissen Lässigkeit. Conim springt gern von der Bühne in den Mob und soliert zwischen den headbangenden Gestalten. Insgesamt eine positive Überraschung, eine echte Entdeckung, die ich mit der Ernte ihres neuesten Albums „Five Signs Of Malice“ küre.
Es ist so schön, nichts zu wissen! Also, ich präzisiere: Im konkreten Fall ist es eine schöne Überraschung, dass danach kein Changeover auf der Bühne stattfindet. Die vier Musiker von DAWNRIDER kehren flugs auf die Bühne zurück, der Bassist verkündet grinsend: „Hello, we’re ICE WAR from Canada!“ Hat sich Jo Steel also DAWNRIDER als Backing Band organisiert! Die Alben spielt er ja komplett allein ein, insofern benötigt er externe Livemusiker. Faszinierend, wie dieselbe Besetzung plus Jo Steel nun in einen völlig anderen Modus schaltet, denn statt Doom gibt’s jetzt Heavy/Speed Metal auf die Glocke! „No shirt, no service!“ – diesen Satz kann man Steel nicht an den Latz knallen, denn so etwas wie ein Shirt trägt der Maniac durchaus. Zwar mit mehr Loch als Stoff, aber dafür atmungsaktiv. Und wie hart der Gute abgeht! Wie eine Mischung aus Diamond Dave und Paul Di’Anno springt der Hund herum, kickt Löcher in die Luft und poliert der ersten Reihe die Nieten. Was aber vor allem überrascht: Er singt ja viel besser als auf Platte! Die Studioaufnahmen zeigen ihn häufig ziemlich am Limit, bisweilen gar schief, was natürlich seinen eigenen Reiz hat. Live stattdessen kommt der Gesang kraftvoll und rotzig. Da brennen sich die Refrains von „Venom“ oder „Feel The Steel“ doppelt heftig ins Langzeitgedächtnis. Der mir bis dato unbekannte Singletrack „Arrowhead“ (2019) erweist sich als einer der besten Knaller und wird auch gleich doppelt gespielt. Denn wie Jo Steel erklärt, konnten DAWNRIDER nicht das gesamte Material von sechs Alben lernen. So bleibt der Gig etwas kurz, dafür aber extrem kurzweilig und knackig.
Ein Abend, wie ich ihn mag. Bambi Galore mit Metal Galore!
