TEAM DRESCH / 23.08.2025 – South Sound Block Party, Port of Olympia, WA (Day 2 - Part 2)

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Manche der besten Bands aller Zeiten zeichnen sich durch den im Vergleich zu ihrer Größe geradezu winzigen Output aus. Einerseits gibt es natürlich Bands wie Iron Maiden oder die Scorpions aus Hannover, die beide in schöner Regelmäßigkeit überwiegend in der Vorweihnachtszeit Platten auf den Markt werfen. Andererseits gibt es aber auch jene Bands, die einen legendären Status Inne haben, obwohl die Anzahl ihrer Alben niedriger ist als die der Fingerkuppen an der rechten Hand eines eher mäßig erfolgreichen Yakuza-Bosses in Dotonbori/Osaka.

 

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Bilder von Dr. Zorba.

 

Jeder Leser dieser humorbefreiten Metal und Punk Schmonzette ohne jegliche Form der Konsumkritik dürfte in diesem Moment sofort(!) eine Band im Sinn haben: Die Sisters! 3 Alben in 45 Jahren und trotzdem touren sie mega erfolgreich ohne Ende und überzeugen stets mit Auftritten, die für Furore sorgen – da wird man doch bekloppt! Andere Beispiele sind selbstverständlich Warning (2 Alben) oder Mühlheim Asozial (1 Album). Essenziell in dieser Auflistung muss aber eine Band sein, die in den 90ern 2 perfekte Alben (1995 – Personal Best und 1996 – Captain my Captain) veröffentlicht hat: Die Queercore Legende Team Dresch! Ja, die unfassbar guten Team Dresch!!! Und ja, die spielen immer noch sehr, sehr selten in den Staaten! Unglaublich, oder? Ist Team Dresch trotz gerade mal  90 Minuten veröffentlichtem Liedgut die perfekte Band? Nach dem Konzert wissen wir mehr! 

Die Vorbands am heutigen Tag zeigen den vielschichtigen Ansatz des mit einer Kapazität von 2.500 ausverkauften Festivals in Olympia, WA. Einerseits aufstrebende Newcomer, dann wie L7 aus LA absolute Ikonen und zuletzt immer auch das, was der Staat Washington in der Vergangenheit hervorgebracht hat oder gerade auf die Menschheit loslässt. 

Das Publikum hat sich gewandelt. Waren es am Vortag hauptsächlich gestandene Rocker und ihre Familien, die zu L7 und Thunderpussy so richtig abrocken wollten, so sind es heute in der Mehrzahl junge und junggebliebene Dykes (mit Verlaub) und Riot Grrrls. Erstere werden zuerst den Klerikalen zeigen, warum es das Weihwasser nicht in Pulverform gibt, derweil letztere später bei Bratmobile demonstrieren, wie man das Patriachart vor dem Waschen auf links dreht. Team Dresch sind für mich eine der besten Bands aller Zeiten und seit 20+ Jahren warte ich darauf, sie mal live zu sehen und jetzt endlich ist es so weit. Dafür musst allerdings erst über den Teich, in Europa spielen sie seit Ewigkeiten nicht. Heute jedoch steht die Rückkehr an den Ort ihrer Gründung an: Olympia, WA!

 

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„Are there any Dykes in the Crowd?“, fragt Jody Bleyle gleich zu Beginn. Dykes, ein Begriff, der wohl zuerst negativ behaftet war. Inzwischen wird er aber von eben diesen - ins Positive gedreht – selbst verwendet und lauter Jubel brandet um mich herum auf. Ich möchte mich zuerst anschließen, aber lasse es dann doch lieber. Ich bin es halt nicht. 

Es gibt Konzerte, da begreift man/frau erst später, wie geil es eigentlich war – aber hier bei Team Dresch hat dies jede(r) sofort begriffen. Das gesamte Team ist da, wobei ich mich nicht mehr erinnern kann, ob Melissa York oder Marci Martinez am Schlagzeug sitzt. Oder sind es beide und sie wechseln sich ab? Ist egal, super ist es so oder so. Vorne links außen Kaia Lynn Wilson, die sich auch mal als „Flaming S&M Rubber Dyke“ bezeichnet, dies aber heute nicht offen zeigt. In der Mitte Jody Bleyle, deren Nachname „Bleilii“ ausgesprochen wird und neben Andrew Eldritch für mich eine der wenigen Musiker auf der Welt ist, die auf der Bühne eine Sonnenbrille tragen dürfen. Ach, Suzi Gardner von L7 natürlich auch. Zuletzt auf der Position ganz rechts die Queen of Grunge und Namensgeberin dieser überragenden Band: Donna Dresch (u.a. Dinosaur Jr., die Screaming Trees, etc.)! Und hinten sitzt halt Melissa oder Marci…oder beide. Beide sowieso großartig! Sofort, ab der ersten Sekunde, wird der Turbo gezündet und die Gänge 2 bis 5 übersprungen. Es wird gebrettert!!! 

Hier ist augenblicklich(!) eine Wahnsinnsstimmung unterdessen „Fagetarian and Dyke“ (glaub ich…) von dem ersten Album ein fulminantes Set eröffnet. Sogleich wird auch Kaia den Gesang übernehmen, den sie sich mit Jody teilt. Mal singt die eine, mal die andere derweil Donna Dresch ständig am Schrubben ist. Dieses Geschrubbe klingt aber auch stets deutlich hervor aus der ansonsten immensen Wand der 2 E-Gitarren. Team Dresch versinken dabei nie in der Langeweile und Eintönigkeit anderer -Core Bands, Riffs und Gitarren-Harmonien bleiben durchgehend erkennbar. Geschwindigkeit wird gedrosselt, nur um sie anschließend wieder zu erhöhen und den Bass in den Vordergrund zu stellen. Meisterhaft! Später werden Donna und Jody die Instrumente tauschen – die Qualität bleibt selbstredend die gleiche.

 

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Kaia ist gesangstechnisch mehr für die aggressiven Parts zuständig, Jody übernimmt dagegen das melodischere. Wenn sie aber feststellt, dass all dies „Emotional Blackmail“ ist, dann knallt das auch aus ihr heraus und das gesamte Publikum stimmt mit ein. Donna wirbelt dazu wie ein Abriss-Unternehmen über die Bühne, dass vermutlich im Akkord bezahlt wird. Bei all dem merkt man, hier ist eine Band, die sich sehr gut kennt. Nach über 30 Jahren sind sich alle immer noch freundschaftlich (oder womöglich noch mehr) verbunden und herzliche Gesten und Kommentare wechseln sich ab. Auch die Kommunikation mit dem crazy-abgehenden Publikum kommt nicht zu kurz, wenn Jody anmerkt, dass sie selbst ihre Hose nicht wirklich stilvoll findet oder Kaia erklärt, dass das jetzt kommende „neue“ Lied gerade mal 7 Jahre alt ist. 

Ich war mal in Portland, OR und fragte mich vorher, wie viele Poison Idea Schmierereien da wohl an den Wänden sind. Die Antwort ist einfach: Keine! Aber welcher Band Name stand da unweit der Amtrak Station an einer Wand geschrieben? Portland´s own Hazel! Ja, die Band aus Portland, bei der auch Jody Bleile gespielt hat. Da dachte ich, ich werd bekloppt. Beide Alben der Band sind übrigens super – wenn es auch mal etwas anderes als Geknüppel sein darf. 

Kaia Wilson – als kleine Anmerkung - wechselte nach Team Dresch zusammen mit Melissa York zu der Queercore Punkband The Butchies und veröffentlichte 4 Alben, die alle als „Kracher“ zu bezeichnen sind. Ich fand den Namen immer sehr geil, weil ich dachte, es heißt „Die Wellensittiche“ – das sind aber The Budgies. Klingt gleich, aber da liegen Welten zwischen. Zum Glück habe ich nie einen Aufnäher von ihnen gefunden und auf die Jacke genäht… Vor Team Dresch war Kaia übrigens bei „Adickdid“ – man/frau beachte bitte den gewollten Wortwitz. Egal.

 

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Bei Hate the Christian Right! drehen natürlich alle ab, bei Growing up in Springfield – Kaias Rückblick auf ihre Jugend in ….Springfield…. – kocht die Stimmung über und bei Uncle Phranc gibt es kein Halten mehr. Hier ist aber mal wirklich der Vogel aus dem Käfig oder die Dogge von der Leine gelassen. Super Stimmung bei allen(!) Liedern und das, obwohl hier niemand besoffen ist. 

Fast das gesamte Material ihres Schaffens wird gespielt, aber so viel ist es ja nicht, da es stets nur Killer statt Filler auf die beiden Alben und die Sammlung der 7-Inches geschafft haben. Highlight muss ohne Zweifel das Lied Screwing yer Courage sein, dessen Namen einem Zitat von Lady Macbeth entsprungen ist. Shakespeare vergleicht das Überwinden des Zögerns mit dem Spannen einer Armbrust oder dem einer Instrumentensaite – bis jeweils der Anschlag erreicht ist. 

we'll stock up on canned goods

and move to the woods

we'll find a piece of land

and quit this fucking band 

Lyrik, die epischer, die dramatischer nicht sein kann. Unter ausdrucksstarkem Geschrei und tobenden, brausenden E-Gitarren wird diese poetisch unter das in einem Maelstrom versinkende, rasende Publikum gebracht. Jeder Schlag auf die Snare kommt einem Schuss aus einem Sturmgewehr gleich und befeuert die ohnehin explosive Stimmung. Hier in dieser Sekunde ist die Uhr bereits 5 nach 12. Donna Dresch zündet die letzte Stufe und moscht an ihrem Bass, als wäre sie gerade auf ein offen liegendes Starkstromkabel getreten, welches allein die Versorgung von dem angrenzenden Seattle gewährleistet. Und „quit this fuckin´Band“ schreit wirklich jeder mit – egal ob Band, bezahlender Zuschauer, Mercher, Techniker, Bratmobile im Backstage oder die Cops vor dem Tor, die gerade mehrere Typen in Froschkostümen mit ihren Schlagstöcken vermöbeln.

 

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Tocotronic haben es schon in den 90ern erkannt und in ihrem Lied „Die Sache mit der Team Dresch Platte“ exakt beschrieben. 

Ich selbst weiß auch, sie sing´n nicht für mich – aber trotzdem finde ich sie super. 

Team Dresch spart nicht mit der Gesellschaftskritik. Aber hier ist es ausnahmsweise weder das Oben und Unten, noch das Links oder Rechts - vielmehr ist es das Innen und Außen. Ihre Lieder schreiben sie übrigens ausschließlich in Moll. Das weiß ich allerdings auch nur von Tocotronic. 

Ein mega Konzert, das selbst schon den Flug an die Westküste der USA gerechtfertigt hat.  

Ist nun Team Dresch trotz des eher geringen Outputs die perfekte Band? 

Vermutlich ja.

 

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PS: Kann es hierzu noch eine Steigerung geben? Bratmobile im nächsten Bericht, da dieser hier schon wieder zu lang geworden ist… 

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