HARD SKIN, JESUS SKINS / 25.09.2025 – Hamburg, Hafenklang
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- Kategorie: Berichte aus dem Pit
- Veröffentlicht: Sonntag, 12. Oktober 2025 15:21
- Geschrieben von Philipp Wolter
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“Schnell zuschlagen!”, ist mein erster Gedanke, als ich von diesem Konzert erfahre. Und das ist genau richtig, denn wenig später ist das Ding ausverkauft. HARD SKIN habe ich noch nie gesehen, JESUS SKINS seit geschlagenen zwanzig (!) Jahren nicht mehr. Da hab ich natürlich Bock. Und das geht ganz eindeutig vielen so. „JESUS SKINS, die gibt’s noch?“, diese Frage wird mir in den Wochen vor der Veranstaltung mehrfach gestellt. Ja, aber was genau bei unseren bibeltreuen Froinden los war, weiß keine:r so richtig. Manche wähnen von einem ominösen Abschiedskonzert gehört zu haben, andere verweisen auf sporadische Konzerte, die immer mal wieder stattgefunden hätten. Möglicherweise mussten Mitglieder wegen unchristlichen Verhaltens in Schande entlassen werden und in den heutigen heidnischen Zeiten musst du erst mal einen bewegungstreuen Skinhead finden, der weiß, wie er oder sie mit Bier und Bibel umzugehen hat! Nun, sie sangen schon auf ihrer Platte die Worte: „Wir sind wieder da und das nicht zum letzten Mal.“ Da haben sie nicht gelogen und in weisen Worten ewige und immer wiederkehrende Reunionen bereits frühzeitig vorausgesagt und legitimiert. HARD SKIN hingegen sagen nach 40 Jahren offenbar endgültig Tschüss oder in ihren Worten „Fuck off you cunts!“ und kündigen für heute ihre finale Hamburgshow an.
Bilder von MJ.
Unzählige Bekannte trudeln dann auch ein, viele habe ich derart lange nicht gesehen, dass ich gar nicht sicher bin, um wen es sich handelt. Ich grüße wohl einige Nasen wie alte Freund:innen, die ich tatsächlich gar nicht kenne und ignoriere andere Leute, weil ich denke, dass sie jemanden hinter mir meinen. Wer kennt all die Namen, wer weiß all die Gesichter?
Beim HARD-SKIN-Merch könnte man sich mit dem Großteil der gesamten Diskografie eindecken. Mist, warum hab ich mein Budget wieder gleich am Ersten des Monats verschleudert!
Aber da geht es auch schon los. Mittlerweile missionieren die JESUS SKINS mit doppelter Gitarrenkraft. Geblieben ist natürlich der Doppelgesang von „Johannes“ und „Georg“, welche die zeitlose frohe Botschaft im Wechsel verkünden. Ich hab die Platte „Unser Kreuz braucht keine Haken“ so oft gehört und die Band damals mehrfach live gesehen und kann mich dennoch wieder erfreuen an ihren Aussagen. „Jesus Christus unser Vorbild im Kampf für die Gerechtigkeit / Wir wollen deinen Namen preisen, Jesus Christus unser Freund / Du hilfst uns immer aus der Scheiße, baust uns immer wieder auf“ („Bewegungstroi“) oder „Wir bringen keine Mhyrre und wir bringen auch kein Gold - Wir bringen Bier und Bibeln, denn das ist Gottgewollt“ („3 Könige“) zeugen von einer Kreativität, dass ich es bis heute schade finde, dass nach der LP nur noch die Split mit JEWDRIVER kam bzw. die Single „Neuer Wein in alten Schläuchen“. Aber vielleicht kommt ja noch ein zweites Album! TYPHOON MOTOR DUDES legen gerade nach 16 Jahren nach, HAMMERHEAD haben sich 24 Jahre Zeit gelassen und beide Bands waren immer aktiv. Insofern… Das Bühnenbild ist in manchen Aspekten wie früher, „Johannes“ hält die Bierpulle sogar beim Singen konstant im Anschlag. Der Sound ist insgesamt etwas mumpfig und die Lichtverhältnisse auch nicht ganz optimal. Aber egal, ich schmettere voll mit und erfreue mich an den herumpogenden Gestalten. Der absolute Hit kommt natürlich auch: „77 heißt Grüß Gott, 88 Nazischrott“, was für ein genialer Text und wat ein herrlicher Oi!-Hammer. Oi! Oi! Amen!
Ob es daran liegt, dass HARD SKIN als Trio leichter zu mischen sind, weiß ich nicht, aber sie klingen definitiv differenzierter als JESUS SKINS. Bevor es richtig losgeht, wird der Mob aber erstmal eingenordet: „This is the last time we ever play in Hamburg, so I got two words for you: FUCK YOU!” In der Folge prasselt ein HARD SKIN-Kracher nach dem anderen auf uns herein, dazwischen disst Sean „Fat Bob“ Forbes (b, v) alles und jeden, COCK SPARRER seien „shite“, die Kiffer in der ersten Reihe „cunts“ und überhaupt habe ich selten so eine Kanonade an Schimpfwörtern gehört wie heute. Aber stets charmant und liebevoll, das will ich hier ausdrücklich sagen. The third wave of close shave ist halt durch die Polemik-Schule auf den Straßens Londons gegangen. Jeder Song bringt Passagen, die zum Mitsingen einladen, sei es „Law And Order“, „Two Chords – Two Fingers“, „We Are The Wankers“ oder „Who’s That Boy?” Alle drei Bandmitglieder singen und haben den Wechsel von geröhrten Strophen, O-ho-ho-Chören und Refrains perfektioniert. Ich muss schon sehr darauf achten, dass mit nicht durch einen Ellenbogen die Flasche zwischen die Zähne gerammt wird. Aber die Stimmung ist durchweg positiv, alle lachen, tanzen, singen mit. Wenn da mal etwas zu Bruch geht, ist es dem Spaß und der enthemmten Feierei geschuldet. HARD SKIN passen super zu JESUS SKINS und umgekehrt, weil auch sie die eigene Szene parodieren – heraus aus einer Liebe zu genau dieser Musik natürlich. Und beide haben dabei einen Haufen Hits am Start, die mir noch tagelang im Ohr bleiben.
Perfekter Abend im Hafenklang! Das habt ihr wieder super gemacht, liebe Hafenklang-Leute! Yer cunts!
