KING DIAMOND, PARADISE LOST, ANGEL WITCH / 13.06.2025 – Oberhausen, Turbinenhalle
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- Kategorie: Berichte aus dem Pit
- Veröffentlicht: Montag, 30. Juni 2025 19:04
- Geschrieben von Stumpfer Fischkopp
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Zu schön, um wahr zu sein: Am 13.06. spielen KING DIAMOND in der Turbinenhalle in Oberhausen und gleich am Tag darauf, also am 14.06., SAVATAGE am selben Ort. Ein No-Brainer für Strecker und mich: ICE-Tickets gebucht, Karten abgeerntet und ein Airbnb klargemacht.
Um gleich zum Geschehen an sich vorzuspulen: Die Zugfahrt verläuft trotz Regio-Teilstrecken (gewagt: Kiel – HH mit nur wenigen Minuten Umsteigezeit in HH) reibungslos, die Unterkunft passt und der Weg zur Turbinenhalle ist mit dem Bus schnell bewältigt.
Fotos von Silvia Blaser.
Von der Turbinenhalle habe ich bisher nur erzählt bekommen, zum Teil durchaus auch Negatives. Strecker und ich können nach diesen zwei besuchten Konzerten aber ein rundum positives Fazit ziehen. Der Getränkeservice ist trotz der Größe und Fülle (SAVATAGE immerhin ausverkauft, KING DIAMOND sehr voll) superschnell, die Toiletten fix erreichbar, die Sicht gut, der Sound insgesamt mehr als okay und Charme hat das alte Gemäuer aus Stahlindustriezeiten auch.
Der einzige Kritikpunkt an der heutigen Show ist eigentlich, dass ANGEL WITCH zu früh anfangen müssen und nur eine kurze Spielzeit bekommen. Zum Glück sind wir bereits in der Halle, die auch bereits sehr gut gefüllt ist. Offenbar hat niemand so recht der Zeitangabe auf dem Ticket von 19:15 Uhr getraut. Kevin Heybourne und seine Mannen nutzen ihre Chance und spielen ausschließlich Klassiker des Debuts wie „Atlantis“, „White Witch“, „Sorceress“, „Angel Of Death“ und natürlich „Angel Witch“. Heybourne ist gut bei Stimme, die Band top eingespielt und so kommen ANGEL WITCH bereits gut an beim z.T. weither angereisten Publikum. Die Bandhymne wird laut mitgesungen, was ist das aber auch für ein Übersong! Wer hätte in den Achtzigern gedacht, dass man ANGEL WITCH Jahrzehnte später nahezu regelmäßig live sehen können würde!
PARADISE LOST bekommen deutlich mehr Spielzeit und auch eine massivere Lightshow. Ich bin überrascht, wie heavy die Briten heute sind! Klangen sie auf der Tour mit PRIMORDIAL eher nach DEPECHE MODE, so setzen sie heute verstärkt auf ältere Stücke. Natürlich kann man nicht von Death/Doom der ganz frühen Tage sprechen, aber Songs wie „Enchantment“, „Pity The Sadness“, „The Last Time“, „Embers Fire“ oder „Say Just Words“ drücken mächtig und bringen die ganze Halle zum bedächtigen Kopfnicken. Man hat PARADISE LOST schon etwas dröge erlebt, heute wirkt alles etwas saftiger, schwerer und dem Heavy-Metal-Rahmen des Konzertes angemessen. Ich bleibe wohl dabei, dass ich keine der neueren Platten brauche, aber der Auftritt stellt eine positive Überraschung dar.
Zeit, dem König zu huldigen! Lange hat uns Kim Bendix Petersen warten lassen und ich wäre sehr an Interviews interessiert, die mal aufklären, warum der einst so produktive Musiker sich derart viel Zeit für die neuen Alben von KING DIAMOND und MERCYFUL FATE lässt. Aber an Popularität hat er trotz der langen VÖ-Pausen eher gewonnen! Die frühen Werke beider Bands sind unumstrittene Klassiker und Generationen junger Nachwuchsbanger wollen den KING live sehen - zusätzlich zu den Fans der ersten Stunde. Und so treten KING DIAMOND heutzutage vor mehr Leuten denn je auf, können eine massive Produktion in die Hallen wuchten, von der King Diamond himself früher bestimmt immer schon geträumt hatte.
Nach dem Kabuki-Drop kann man sich schon mal an den Horrorhaus-Bühnenaufbauten mit Treppen, Galerien und sakralen Elementen erfreuen. Einiges erinnert an eine „Irrenanstalt“, nennt sich diese Tour doch „Saint Lucifer’s Hospital 1920“ (kuriose Randnotiz: In der Turbinenhalle finden sich mehrere Hinweise auf dasselbe Jahr 1920, in dem das Gebäude offenbar eröffnet wurde). Nach dem Intro „The Wizard“ (URIAH HEEP) geht es gleich mit „Arrival“ los, perfekte Wahl auf allen Ebenen. Die Gitarren zaubern die herrlichsten Doppel-Leads – werden sie doch von Andy LaRocque (der Mann bekommt eigene Sprechchöre) und Mike Wead (HEXENHAUS, CANDLEMASS…) abgefeuert. Am Bass brilliert Pontus Egberg, am Schlagzeug Matt Thompson, selbst die Extra-Vocals und Keyboards sind prominent besetzt, nämlich durch Hel Pyre, der NERVOSA-Bassistin. Eine weitere Ergänzung gibt’s durch eine Schauspielerin, die zusätzlich über die Bühne rennt und die theatralischen Storybausteine unterstützt. Was da nun genau inhaltlich vor sich geht, kann ich nicht sagen, da für mich dann doch die Musik entscheidend ist. Und die steht bei aller Theatralik auch klar im Vordergrund, erfreulicherweise nimmt die Show der reinen Bühnenaction weder Dynamik noch Spontanität. Es scheinen dabei Elemente aus verschiedenen Platten und neuen Songs miteinander verbaut zu werden. Wir begegnen also Abigail, Grandma, diversen geisterhaften Frauengestalten, Zombie-Babys und überdimensionierten Gehirnen. Normal. Unnormal geil aber, wie der King immer noch singt! Alle Facetten seiner verschiedenen Stimmen ruft der Satansbraten hemmungslos ab, dazu schmettert Hel Pyre glockenhell und veredelt vor allem die Refrains. Was für Songs, was für Alben würden wohl im Mittelpunkt stehen, hatten wir uns im Vorfeld gefragt, immerhin gäbe aus zwölf Platten zu schöpfen. KING DIAMOND tun das Richtige: Gespielt werden vor allem Stücke der ersten fünf Platten, also der absoluten Klassiker. Einziger Deepcut ist im Grunde dass herrlich kranke „Voodoo“ von der gleichnamigen 98er Scheibe. Ansonsten volles Hit-Bombardement: „A Mansion In Darkness“, „Halloween“, „Sleepless Nights”, “Welcome Home”, “The Invisible Guests”, “The Candle” (yeah!), “Eye Of The Witch” (erstaunlich populär!), “Burn” und “Abigail”. Dazwischen webt man zwei ganz neue Tracks – das von der 12“ mit der Maske bekannte „Masquerade Of Madness“ und das ebenfalls gute „Spider Lilly“. Zu letzterem Song wurde kürzlich offenbar ein Video veröffentlicht, was ich nicht mitbekommen hatte, aber es gibt auch noch keine Vinyl-7“ und nur mit ‘nem Video kriegste mich halt nicht aus dem Bett. Fantastischer Abend und ich hätte jetzt noch geschrieben, dass ich am Ende klatschnass geschwitzt bin wie selten, aber das Schweißlevel wird am SAVATAGE-Abend noch derart heftig gesteigert werden, dass ich mir die Bemerkung verkneife. Der König hat den Thron souverän verteidigt!
„That's the end of another lullaby,
time has come for me to say Goodnight.”