WINDHAND, DORTHIA / 17.06.2025 - Hamburg, Nochtspeicher

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Was für eine Hitze! Ganz Hamburg ächzt unter den Ausläufern eines Hochdruckgebietes aus Skandinavien, welches die Metrologen passenderweise „die heiße Roberta“ genannt haben. Wie ist die Temperatur im Nochtspeicher? Fröstlig kalt wegen des geisterhaften Doooom der Band Windhand? Oder heiß wie ein Vulkan, da der Betreiber dieses Schuppens am falschen Ende gespart hat? Egal…es spielen Richmond, VAs finest heute abend in Hamburg…also hin da!

 

WINDHAND

 

 

Dorthia eröffnet den Abend. Hierbei handelt es sich um Dorthia Cottrell - der Sängerin von Windhand - auf Solopfaden. Ganz allein wandelt sie diese aber nicht, Leanne Martz (O-Ton im Nochtspeicher: My best friend) sitzt(!) ihr zur Seite und nudelt auf der elektrischen Gitarre dazu. Dorthia selbst greift zu der akustischen Version und singt mit rauchiger aber gleichsam ätherischer Stimme die Vocals, wird hier aber auch teilweise von Leanne unterstützt.

 

Death Folk bezeichnet sie selbst diesen Stil. Dieser kommt zwangsweise dem depressiven Folk der Vereinigten Staaten des Jahres 1929 – dem Beginn der Wirtschaftskriese - viel näher als dem wütenden englischen Folk der streikenden Bergarbeiter in den Jahren 1984/1985 gegen die britische Regierung unter der Führung der großartigen und unnachgiebigen Margaret Thatcher. Unverkennbar bleibt dabei Dorthias Stimme, auch wenn hier im Gegensatz zu ihrem Gesang bei Windhand das ständige Scheppern der Becken im Hintergrund fehlt. Obwohl ich die Lyrics nicht wirklich verstanden habe (oder mich jetzt nicht mehr dran erinnere), kann der Inhalt der einzelnen Lieder nur von Trennung, Verfall und Tod handeln. Aber Hoffnung ist da! Sie steigt auf, leuchtet hell und breitet sich aus, sobald die E-Gitarre dazu nudelt. Die ist echt gut!

 

Nach 25 Minuten ist das Set beendet und die Familie Joad aus John Steinbecks Roman „Früchte des Zorns“ ist in Kalifornien angekommen. Das sehr internationale Publikum – selbst aus dem entferntesten Ausland wie den USA oder Südamerika ist das Publikum für dieses Konzert angereist – applaudiert lautstark. Death Folk oder Doom? Ich bleibe beim Doom. Mir fehlte hier das Schlagzeug. Wiewohl es gar nicht langsam genug sein kann, vermisse ich das Aufrüttelnde und das Wachhaltende in dieser gerade dargebotenen Art der Folk Musik. Nebenbei hatte ich vorher ja auch schon ein paar Bier getrunken und es ist schon sehr, sehr warm im Nochtspeicher. Vermutlich war das in großer Zahl anwesende weibliche Publikum anderer Meinung. Die es nicht waren, sind vermutlich echte Trucker Babes und fahren ohne Murren und Knurren jeden Tag einen Kies-Laster von Pinneberg bis nach Fulda und auch wieder zurück.

 

Kurze bis mittelkurze Umbauphase und überall werden Räucherstäbchen angezündet. Der erdige Duft von Kardamom vertreibt den beißenden Geruch von verbranntem Gras. Nebel wabert über die eigentlich viel zu kleine Bühne. Windhand betreten diese nun.

 

Merkwürdigerweise sind alle Clubs der relativ kurzen Europa Tour schon ausverkauft, nur der Nochtspeicher meldet dies noch nicht. Ich vermute, die letzten Tickets wurden an der Abendkasse verkauft – der geschätzt 350 Besucher fassende Bums ist inzwischen randvoll. Ich sehe die Band nun geschätzt zum vierten Mal. Rote Flora, Hafenklang,  Molotov und nun eben hier. In der Location selbst bin ich das erste Mal. Nett ist´s, aber auch nicht wirklich was Besonderes. Die Stützbalken in der Mitte der Tanzfläche sind etwas blöd, aber abreißen kannst die wohl nicht. Egal, Windhand legen los.

 

WINDHANDWINDHAND

 

Eröffnet wird mit ´Old Evil´ von dem Split Album mit Satan´s Satyrs. Die Marschrichtung ist vorgegeben: Fuzz, Fuzz und noch mehr Fuzz. Im Hintergrund das Scheppern und Poltern des Schlagzeugs. Eine großartige und der Perfektion nahe kommende Umsetzung der nicht mehr ganz so neuen Musikrichtung mit dem Namen Dooooooom. Auf jeden Schlag der Snare folgt sogleich das Scheppern der Becken und darunter rumpelt die Bass Drum vor sich hin.

 

Weiter vorne stehend finde ich die Stimme von Dorthia etwas zu sehr in den Hintergrund gemischt, aber eigentlich ist das nicht so wichtig. Meine Aufmerksamkeit haben längst die Riffs, die Garret Morris in nicht enden-wollenden Schleifen auf seiner Gitarre zockt, auf sich gezogen. Dazu bedient er immer wieder auch so ein Wah-Wah-Tut Fußpedal, um die Riffs noch verzerrter erklingen zu lassen. Auch das fast hypnotisierende Schlagzeugspiel eines Ryan Wolfe zieht mich in seinen Bann. Manchmal guckt dieser etwas grimmig ins Publikum, aber ich glaube, er bekommt nur etwas viel von den Räucherstäbchen in die Augen, die direkt an seiner Hi-hat montiert sind. Leanne und Tommy, beide relativ neu in die Band, lassen dazu die Haare wirbeln als wären sie die Turbinen eines startenden Airbus A380.

 

WINDHAND

 

Nebenbei ist die Temperatur im Nochtspeicher auf 75 Grad Celsius gestiegen. Die Band nutzt eifrig die umher liegenden Handtücher und die beiden Ventilatoren auf der Bühne laufen auf äußerster Kraft. Daher ist es vorne zwar heiß, aber noch auszuhalten. Weiter hinten verlassen einige Maniacs schon während des Sets diese Räucherkammer, da sie es wohl nicht mehr aushalten – so berichtet mir zumindest ein anderer Besucher.

 

Windhand spielen alle Hymnen, sofern man diese als solche bezeichnen kann. Auch Klassiker wie King Fisher, Cassock oder Orchard sind auf der Setlist zu finden. Leider fehlt Two Urns mal wieder. Die Setlist selbst wirkt zwar relativ kurz, aber dafür haben die Stücke alle auch Überlänge und das reguläre Set dauert locker über eine Stunde. Das klingt jetzt nicht viel, aber bei der Hitze und dem Räucherstäbchen Einsatz hat das auch gereicht. Immerhin gibt es noch ein Lied als Zugabe und das macht auch eher den Eindruck, dass es sich um 2 Lieder handelt, aber das ist dann tatsächlich auch mehr als ausreichend.

 

Fazit? Super, nächstes Mal wieder! Rückfahrt mit die Bahn auch ohne größere Probleme.

 

WINDHAND

 

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