DARK ANGEL, KRYPTOS / 06.06.2025 – Hamburg, Kultur Palast
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- Kategorie: Berichte aus dem Pit
- Veröffentlicht: Mittwoch, 18. Juni 2025 20:31
- Geschrieben von Philipp Wolter
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Was ist das für ein Wochenende? Pfingsten verlockt natürlich durch den freien Montag, aber wer soll ROCK HARD FESTIVAL, WILWARIN, BATTLECRY und so weiter unter einen Hut bekommen? Da wir am Samstag mit CATBREATH auf dem herrlichen THE ROCK HOUSE FESTIVAL spielen und bereits um 07:00 Uhr morgens in Hamburg starten müssen, entscheide ich mich für DARK ANGEL plus Übernachtung im Shred-Hotel Kniffel.
Ein Player gefährdet das Unternehmen allerdings: Die Deutsche Bahn! Da gönnen Rick und ich uns mal die gemeinsame Zugfahrt – und plötzlich ist in Neumünster Schluss: „Dieser Zug fährt nach Kiel zurück.“ Rick reagiert schnell, sein Wagen stehe in Bahnhofsnähe, also zurück und mit dem Auto neustarten. Nur steht der verdammte Zug 20 Minuten später immer noch in Neufinster! Tja, wann die Rückfahrt erfolgen werde, hat der Ansager auch nicht verkündet… Doch da hält auf dem Gleis gegenüber ein Regio mit dem Ziel Kiel! Natürlich ohne jede Information oder Ankündigung. Wir handeln sofort und hasten übers Gleis, donnern nach Kiel zurück, starten mit dem Auto neu und cruisen gen Billstedt. Überflüssig zu ergänzen ist es fast, dass ich am Sonntag wieder im Shelbyville des Nordens stranden werde, diesmal richtig mit SEV, der erst nach Stunden kommt, hysterischen und aggressiven Wartenden und allem Drum und Dran.
Bilder von Stefan Harkonnen, Sascha, Rick und weißnichmehr.
Hui, alle draußen Stehenden grüßen wir lediglich im Vorbeihasten und können immerhin wohl noch zwei Drittel des KRYPTOS-Auftritts genießen. Geilerweise hat Rick für das heutige Konzert irgendwo zwei Karten gewonnen und wir wohnen der Chose daher umsonst bei. Gönnung! Die Inder geben richtig Herzblut und scheinen mir heute besonders engagiert abzuledern. Ich sehe sie zum dritten Mal und finde sie wieder härter und thrashiger, nachdem ich den zweiten Gig als deutlicher vom klassischen Heavy Metal inspiriert empfunden hatte. Vielleicht dachten sie sich aber auch einfach, dass man vor DARK ANGEL besser die Brechstange herausholen sollte. Songs wie „Afterburner“, „Electrify“ oder „Full Throttle“ gefallen mir heute jedenfalls richtig gut, zumal die Posen gut sitzen, ohne zu einstudiert zu wirken. Schöner Opener!
Hach, DARK ANGEL! In den Achtzigern war es durchaus ein Thema nächtefüllender Diskussionen: „Reign In Blood“ oder „Darkness Descends“? Letztlich kamen wir gen Morgengrauen meist zum Kompromiss, dass SLAYER die besseren Songwriter sind, DARK ANGEL aber das Level in Sachen Extremität anheben. Beide Bands hatten diese verrückten Breaks und den manischen Gesang, aber DARK ANGEL packten unzählige Riffs in einen Song und Gene Hoglans Schlagzeugspiel war (und ist) ein Ballerphänomen sondergleichen. Zwei DARK-ANGEL-Liveerlebnisse sind mir besonders in Erinnerung geblieben: Einmal war ich mit meiner damaligen Freundin von Amsterdam aus zurück nach Hamburg getrampt und eigentlich sah es schlecht aus, rechtzeitig dort anzukommen, aber ein Typ nahm uns einfach von Amsterdam aus die gesamte Strecke mit, obwohl er ursprünglich gar nicht nach Hamburg fahren wollte. Ich glaub, der kam dann sogar noch mit aufs Konzert, was mit DEMOLITION HAMMER und RE-ANIMATOR die absolute Verwüstung darstellte. Ein anderes Mal: Walli, Lübeck. Ich war früh da, Gene Hoglan sah mein JAG-PANZER-Shirt („Tyrants“-Motiv) und zerrte mich backstage, wo er mich dem damaligen JP-Fanclubleiter vorstellte. Beide konnten es kaum fassen, dass man in Deutschland JAG PANZER kannte. Wir kamen dann in einen langen Heavy-Metal-Smalltalk und Hoglan freute sich, dass ich mich intensiv mit den DARK-ANGEL-Texten beschäftigt hatte, so war mir z.B. aufgefallen, dass irgendwelche Anfangsbuchstaben im Textblatt das Wort „Bambi“ ergäben, was ich im Zusammenhang als Tod der Unschuld interpretierte – Hoglan flippte begeistert aus, dass dies genau richtig gedeutet sei, war jedenfalls ein super Moment, netter Dude!
Yeah, Licht aus, Spot an, Abfahrt! Ich muss zugeben, dass ich zunächst Schwierigkeiten habe, die heutigen DARK ANGEL mit meinem abgespeicherten Bild der letzten Begegnung abzugleichen. Die sehen – bis auf Gene Hoglan natürlich – ja so anders aus… Aber, Dummy, der letzte von mir gesehene Gig ist auch mindestens 32 Jahre her! Jim Durkin ist 2023 verstorben (R.I.P.!) und wird durch die Gitarristin Laura Christine ersetzt. Ron Rinehart kommt jetzt mit Iro, Mike Gonzalez mit Glatze, während Eric Meyer durchaus noch den Look von früher hat, nur dezent verwitterter. Der Sound erschwert die Identifikation anfänglich noch, ballert das Schlagzeug doch alles weg, vor allem die Gitarren gehen unter. Doch der Mischer arbeitet, das merkt man. Behutsam schiebt er an den Reglern, bis die Gitarren richtig sägen und der Bass auch hervortritt. Und da merke ich, dass ich eh wie ein Berserker bange, denn DARK ANGEL stellen eine einzige Machtdemonstration dar. Was für ein Geknüppel, aber dabei so tief in meiner DNA verankert, dass ich jeden Part erkenne, jedes Riff feiere. Los geht es mit „Time Does Not Heal“ und „Never To Rise Again“ und die Banger im gut gefüllten Kronensaal kegeln herum. Es folgt ein neuer Song, den Ron Rinehart als „Extinction-Level Event“ ankündigt. Viele sagten mir, dass die neuen Stücke nichts taugen würden, aber bisher gibt es ja nur Digitalreleases. Live zündet das Ding! Rinehart gefällt mir sowohl vom Stageacting als auch von der Stimme her. Er ist ordentlich in Bewegung, shoutet aggressiv, variabel und wenn nötig auch melodiös, peitscht dazu den Mob an – Top-Frontmann! Die Gitarristin Laura Christine macht ihre Sache auch super. „No One Answers“ von der „Leave Scars“ wird einer brutalen Version gespielt, geil! Nach einem weiteren neuen Stück ist es soweit: DARK ANGEL spielen die gesamte „Darkness Descends“! Ich glaub, so ziemlich jede:r Anwesende schmettert mit Schaum vorm Mund die Zeilen „This city is guilty / The crime is life / The sentence is death / Darkness descends“ mit. Aaaargh! „The Burning Of Sodom“ ist ja noch schneller, ich hatte fast vergessen, wie heftig der abgeht, und dann noch dieser pumpende Mittelteil, bevor das Gehacke weitergeht. Sowas macht heutzutage keine Band mehr. „Hunger Of The Undead“, „Merciless Death“ (Tschüs, Hallendecke!), „Death Is Certain (Life Is Not)“ und „Black Prophecies“ (konnte ich mal auswendig mitschmettern, jetzt gehen immer noch Fragmente) machen den Sack zu, sodass wirklich nur noch Dunkelheit herrscht. Geht etwa noch was? Jaa, logen, „Perish In Flames“ fehlt doch noch und mit dem Biest pulverisieren DARK ANGEL die letzten Nackenmuskeln. Ich muss sagen: Begeisterung! Die Band war super eingespielt, Ron Rinehart hat die Don-Doty-Songs gut gemeistert und endlich konnte man diese Stücke wieder live erleben, nachdem die 2014er Reunion kurz vorm KEEP IT TRUE abgesagt worden war. Ein würdiger Tribut an Jim Durkin, der heute mehrfach erwähnt wird!
DARKNESS DESCENDS ON BILLSTEDT!