FAETOOTH, AIDAN BAKER / 08.06.2025 - Berlin, Urban Spree

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„Faetooth?“, fragt der Noob. „Sheesh!“, antwortet der Doom-o-holiker. „Fairy Doom aus LA! Das ist gerade der heiße Scheiß!“ Gerade? Das bisher einzige Album der vermutlich semiprofessionellen Band erschien bereits 2022 und wurde seitdem in unzähligen Neuauflagen wiederveröffentlicht. Zuletzt erschien „Remnants of the Vessel“ auf Vinyl mit getrockneten Blumen bzw. grüner Flüssigkeit als Füllung. Ich brauche das zwar nicht, aber geil ist es trotzdem. Und da auch die CD rockt wie sonst nur die Korinther an Pfingsten, kann es nur heißen: Hin da!

 

FAETOOTH

 

„Berlin, Berlin – wir fahren nach Berlin!“ Ein Ausruf, den man um Berlin herum so oft hört wie die Frage „Haste mal nen Euro?“ in eben dieser Stadt. Wo fangen wir an? Hinfahrt mit der Bahn super und fast pünktlich. Danach ein paar Büchsen und Flaschen Schulle (der örtliche Ausdruck für Schultheiss) aufmunitoniert und irgendwo im wogenden Durcheinander des Karnevals der Kulturen ab Richtung Warschauer Straße zum RAW.

Das RAW-Gelände polarisiert seit Jahren. Manche sehen darin einen Drogenumschlagplatz, einen Ort der Gewalt, andere ein Kulturzentrum (neeee…), eine Feiermeile (pfffft...) oder eine Phalanx gegen Gentrifizierung (hör mir bloß auf...). Egal, das Urban Spree hat hier seinen Sitz und ist neben dem Molotow in Hamburg wohl der Club mit dem besten Riecher für up-and-coming heißen Scheiß. Nebenbei erwähnt werden muss schnell noch, dass Faetooth bereits ihren ersten Auftritt in Europa auf dem Roadburn Festival gerade eben im April hinter sich gebracht haben – dafür von uns allen den größten Respekt.

Nun aber rein ins Urban Spree! Nein, vorher erstmal austrinken. Waffen können stecken bleiben, aber bitte keinen Alkohol unter der Jacke verstecken. Hier ist Taschenkontrolle! Daher wird zwischen Battery Plakaten – die spielen am 31.07.2025 im Bi Nuu im U-Bhf Schlesisches Tor! – die Flasche respektive die Dose angesetzt. Jetzt aber rein da! Drinnen vorbei an nem alternativen Biergarten mit gar nicht so alternativen Preisen und dann hinein in den Konzertsaal.

Der ist aber klein, stickig und schlecht beleuchtet, denke ich. Im Vorwege hatte ich die Befürchtung, das Konzert würde wegen Ermangelung eines guten Vorverkaufs vielleicht sogar abgesagt, aber es war dann doch schon lange vorher ausverkauft. Die Kapazität schätze ich auf 250 bis 300 und weiß jetzt schon, das wird voll heute Abend. Umgangssprache hier ist Englisch und auch der Barkeeper spricht kein Deutsch – das wäre wohl sonst auch irgendwie langweilig und nicht hip genug. Mir ist sowas eigentlich egal, aber ob Moabit-Manni heute Abend noch an sein glutenfreies Bier kommt, ist fraglich.

 

URBAN SPREE

 

Aidan Baker, der vermutlich schon 250 Alben in seinem Leben veröffentlicht hat, war mir vorher völlig unbekannt, erscheint mir aber am Mercher – wie alle Menschen aus Kanada - als sehr angenehmer Zeitgenosse. Der in Berlin ansässige Kanadier hat mit seiner Band Nadja (Aidan rückwärts gelesen) Musikgeschichte im Bereich Drone Doom geschrieben und neben Bands wie …. viele, die ich nicht kenne, beeinflusst. Ich habe mal Sun O))) auf Kampnagel gesehen und hierbei auch gehört. Ich fand´s mehr wie eine Vernissage denn als ein Konzert, mehr für den Feuilleton der FAZ als die Top 10 der Deaf Forever. Das gleiche hier…Aidan Baker steht auf der Bühne und haut in die Saiten der straff gespannten elektrischen Gitarre. Es rauscht. Es brodelt. Es zischt. Es vibriert. Knöpfe werden vor- und dann wieder zurückgedreht. Und ich denke aus welchem Grund auch immer an Atomkraft und deren Nachteile. Kein Gesang, kein Schlagzeug, aber zum Glück auch kein Dudelsack. Also schnell raus aus dem Bums, auf die mit Aufklebern zugepflasterte Toilette und hernach ein neues Bier holen, damit es in der Umbaupause bei Faetooth gleich direkt vor die Bühne geht. Ich bin schon ein schlauer Fuchs, der das vor Hamburgs Bühnen in vielen Jahren gelernt hat.

 

URBAN SPREE

 

Aber was bitte jetzt?!? Es ist Umbaupause…und keiner(!) verlässt den Bums. Es ist und bleibt so voll wie damals in der ausverkauften, alten Bude bei dieser einen Band aus Schweden. Gut, dann eben Reihe 3 oder 4 – je nach Wellengang. Wäre nicht schlimm, aber der Umbau dauert ewig. Erst wird der Bass durch einen Guitar Knecht gestimmt, dann die E-Gitarre, dann wieder der Bass und dann wieder der E-Gitarre. Anschließend wird das Schlagzeug neu bespannt und hernach geht es wieder an den Bass. Also alles von vorne…später muss man aber sagen, der Klang in dem kleinen, stickigen und dunklen Bums ist super.

Die drei Damen von Faetooth betreten die Bühne, das Licht geht aus und schwer und erdig kommen die Riffs aus den Boxen daher. Verzerrt schreit der Bass nach Aufmerksamkeit und die bekommt er sogleich! Wieder und wieder schraubt sich die E-Gitarre zurück und überlässt dem Bass die Bühne. Jedem 4ten Schlag auf die Snare folgt das raumfüllende Scheppern des Beckens und der atmosphärische Gesang Ari Mays liegt über allem. Doch wäre das allein schon heißer Scheiß? Natürlich! Nichtsdestotrotz wird es jetzt aber noch geiler! Jenna Garcia, 2te Sängerin und nebenbei Bassistin mit einer Hand für geile Bassläufe, schreit und schimpft ihre Vocals dazu. Repetierend wiederholen sich die Riffs und hier merkt jeder, dass die Feen heute ihre Instrumente eine Oktave tiefer gestimmt haben.

 

FAETOOTHFAETOOTH

 

Den alten Meistern - Black Sabbath – wird unverhohlen mit jedem Akkord Tribut gezollt, aber es ist keine bloße Kopie deren Werke. Zu frisch und unverbraucht ist das Konzept derweil Doom auf Sludge trifft. Aber trotz Einfluss des letzterem bleibt die Geschwindigkeit stets im Doom Bereich und einzig der seltene, geschriene Gesang erinnert an die Wut des Sludge. Die unfassbar guten SubRosa als Beispiel müssen hier genannt werden, womöglich auch noch die genialen und viel zu früh von uns gegangenen Worm Ouroboros.

Das Publikum - alt wie auch etwas jünger, mal mehr und mal weniger auffällig gestylt – ist begeistert. Ari merkt an, dass die Band heute eigentlich das erste Mal in Deutschland ist – der Vortag zählt nicht. Sie spielen heute auch neue Lieder und – vom überall verstreuten Hundekot mal abgesehen – lieben sie Berlin. Das ist doch super und obwohl es keine Zugabe gibt, fälle ich im Juni bereits das Urteil, dass dies das Konzert des Jahres war. Fairy Doooom in Reinkultur. Super!

Die Rückfahrt mit der Bahn ist eine Katastrophe. 5 Stunden von Berlin nach Hamburg. Zuerst sind Menschen auf dem Gleis, dann Tiere und zuletzt Außerirdische vom Planeten Istban IV. Dafür gibt es umsonst Wasser und Schoki. Und die Erinnerung an das Konzert des Jahres.

 

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