HERETIC / 21.05.2025 – Kiel, Hot Rock
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- Kategorie: Berichte aus dem Pit
- Veröffentlicht: Mittwoch, 28. Mai 2025 09:18
- Geschrieben von Philipp Wolter
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Moritz und Daniel (RATS OF GOMORRAH) müssten für ihre Verdienste in Angelegenheiten des internationalen Kulturaustauschs mittlerweile eigentlich irgendeine offizielle Ehrung bekommen. Da sich die verantwortlichen Politikers aber wohl nicht für Thrash, Death oder Heavy Metal aus Brasilien, Indien oder Chile interessieren, dürfte das Bundesverdienstkreuz auf sich warten lassen. Die beiden sind eh Punks und würden das Ding wahrscheinlich im Ranicki-Style ablehnen. Dafür gibt’s halt ersatzweise die eh viel geilere DreMu-Plakette – hiermit verliehen und demnächst an die Kutte gesteckt. Aber ohne Scheiß mal, ich werfe nur Namen wie GODLESS, VALVERA oder ROTPIT in die Runde, welche die RATS auf ihren Touren kennenlernten und nach Kiel einluden. Der Dank dafür gebührt natürlich ebenso dem Hot Rock und der Schaubude, welche die entsprechenden Veranstaltungen möglich machen. Heute also Hutkonzert mit den mir vollständig unbekannten HERETIC aus Brasilien.
Ich habe mir wie immer vorher nichts angehört und erwarte Geballer. Die meisten Combos, die über den RATS-Kontakt nach Kiel kamen, waren halt aus dem Death/Thrash-Sektor. Gleich beim ersten Song fällt mir da doch fast das lecker gezapfte Bier aus den Pranken! HERETIC klingen völlig einzigartig und könnten als experimenteller Oriental Metal bezeichnet werden. Metal Archives bezeichnet sie etwas sperrig als „Progressive Metal with Middle Eastern influences“. Der progressive Aspekt erschöpft sich keineswegs im Rhythmusgeschiebe anderer Bands, die lediglich aufgrund ihres Frickelfaktors unter Prog einsortiert werden. Nein, tatsächlich betten HERETIC fluid gespielte orientalische Melodien in ihre heavy Riffs ein. Herrliche Gitarre, toller Bass und Drums des Wahnsinns! Das wäre schon ohne Gesang amtlich, aber der zwischen Dio, Rob Halford, Eric AK und Tony Martin agierende Sänger Erich Martins setzt dem Ganzen die Krone auf. Im Hot Rock würde es nicht funktionieren, wenn eine Band mit ihrem regulären Schlagzeug spielte. Das würde in dem engen Raum alle anderen Instrumente wegballern. Deswegen steht bei jedem Konzert ein e-Drumset im Hot Rock. Ich bin zum zweiten Mal überrascht, wie gut das im Kontext funktioniert. Der Drummer schafft es jedenfalls, aus dem lütten Ding, das eher wie ein Spielzeug aussieht, einen gewaltigen Klang zu holen. Die Handvoll Gäste (das Hot Rock ist klein, hätte aber noch ein paar Nasen fassen können) erlebt ein fantastisches Konzert und so steigert sich der Applaus mit jedem Song. Als besonders fesselnd bleibt mir das Stück „The Storm“ in Erinnerung, denn hier treffen Gänsehautgesangsmelodien auf eine zunächst chillige, fast balladenhafte Instrumentierung, die über atmosphärisch packende Wendungen und unter die Haut gehende Soli einen 1A-SloMo-Banger entfesselt. Natürlich nötigen wir HERETIC zu einer Zugabe.
Die Band existiert seit 15 Jahren und hat bereits zehn (!) Longplayer veröffentlicht. Ich ernte die beiden Werke „Feast“ (2021) sowie „Gilgamesh“ (2023) ab und rate ausdrücklich zum Genuss.