GRUNDEIS, KIYO / 11.04.2025 – Kiel, Schaubude im Hinterhof
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- Kategorie: Berichte aus dem Pit
- Veröffentlicht: Donnerstag, 24. April 2025 16:18
- Geschrieben von Torsten Matzat und Philipp Wolter
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Philipp: Vor ca. einem halben Jahr berichtete Torsten über das GRUNDEIS-Konzert im Goldenen Salon und empfahl bereits den Besuch der heutigen Veranstaltung. Fast wären wir wegen den zeitgleich zockenden TRUE MOON (Hafenklang) nicht hingegangen, dachten uns dann aber, dass wir gerade so häufig nach Hamburg fahren, wir TRUE MOON auch schon zweimal gesehen haben und man dann ja auch einer uns unbekannten Band eine Chance geben sollte. Darkwave, Postpunk, Gothic, Shoegaze? Bring it on!
Torsten: Geil! Endlich die Hamburger:innen von GRUNDEIS in Kiel. Nachdem ein erster Konzerttermin in der alten Schaubude vor einigen Jahren leider abgesagt wurde, gibt es heute die Möglichkeit in den grundeisigen PostPunk/Wave – Klängen in der neuen "Hinterhof-Schaubude" zu schwelgen.
Das Release-Konzert vom Dezember 2024 im Goldenen Salon wirkt immer noch nach; die aktuelle LP "Every Second An Ocean" läuft heavy rotierend und lässt immer noch neue Facetten entdecken. Mal gucken, wie sich die Songs in der erneuten Live-Situation darbieten...
Bericht von Torsten und Philipp, Fotos von MJ.
Philipp: Wir sind spät dran und erwischen nur noch zwei, drei Stücke von KIYO. Daher dazu nur kurz ein paar Worte: Sad Synth Wave passt durchaus als Beschreibung dieses Solo-Projektes. Die Melodien bzw. die gesamte Atmosphäre, welche die Frau am Mikro und Synthiepult erzeugt, sind sehr melancholisch und haben Dream-Pop-Elemente sowie eine psychedelische Note. Ohne echtes Schlagzeug bleibt das Ganze allerdings etwas blutarm und zu brav. Eine stärkere Dynamik entwickelt sich nicht, obwohl Stimme und Ausdruck durchaus gefallen.
Torsten: Eine mir bis dahin unbekannte Künstlerin aus Leipzig eröffnet den heutigen musikalischen Abend. KIYO agiert solistisch, begleitet mit Syntesizer und Effektgeräten. Das wirkt anfänglich etwas ungewohnt für mich. Grade weil es hier keine Gitarren oder ein Schlagzeug gibt. Stattdessen – im besten Sinne – Musik aus der Konserve. Mal klingt es sehr ruhig und verträumt, mal kommen satte Beats aus den Boxen. Tanzbar dann, aber klassisch kühl; so Richtung 80-er Wave/Elektro/Synth. Wenn KIYO nicht grade am Syntesizer zu Gange ist, hält sie während des Singens direkten Blickkontakt zum Publikum. Kein entrücktes "in die Ferne gucken". Dazu KIYOs Stimme. Im tieferen Bereich angesiedelt, kommt diese nicht immer richtig zur Geltung. Liegts am Sound? Mir fehlt da was. Ich mags zwar, sehe aber noch Luft nach oben. Die sympathische Künstlerin verabschiedet sich mit lobenden Worten für GRUNDEIS, bei denen sie dann selbst vor der Bühne steht und deren Auftritt genießt ...
PS: Tatsächlich erschließen sich mir KIYOs Song beim Nachhören auf Bandcamp besser. Bei den Aufnahmen (CD war beim Konzert leider ausverkauft) kommt das unterkühlte Wave-Element deutlich besser rüber. Daumen hoch!
Philipp: GRUNDEIS überzeugen mich recht schnell und werden während des Auftritts sogar immer besser! Zum einen liegt das sicher daran, dass man von Song zu Song tiefer in die Klangwelt der Band findet, zum anderen steigern sich die Musiker:innen auch wirklich in ihrer Spielfreude, sicherlich angestachelt durch die begeisterten Reaktionen. Was da los ist? GRUNDEIS präsentieren ihre Musik völlig unprätentiös, was bereits bei der Optik beginnt. Im Gothicbereich gehört ja häufig ein gewisses Styling dazu, gern alle Bandmitglieder in einem abgstimmten Look, was den Hamburger:innen wumpe zu sein scheint. Spannender ist natürlich die Frage nach den musikalischen Einflüssen: Im Gitarrensound höre ich Billy Duffy zu „Dreamtime“/“Love“-Zeiten von THE CULT heraus, sehr geschmackvoll. Ansonsten muss ich ab und zu an JOY DIVISION denken, die ja gerade live auch deutlich heftiger rübergekommen sein müssen. Denn GRUNDEIS steigern sich von ruhigen, kontemplativen Phasen in energisch gespielte Ausbrüche und erreichen immer wieder ein beachtliches Energielevel. Der Drummer Andy ist super, er erzeugt häufig innerhalb eines Stückes eine beeindruckende Dynamik. Was mir auch gefällt, ist der Gesang von Gitarristin/Sängerin Laura, die ähnlich wie etwa Stefanie Mannaerts (BRUTUS) klagend und entrückt singt und ihre Stimme plötzlich brechen oder kippen lässt, um aggressiver als zuvor zu klingen. Hier wären die Texte interessant, von denen ich natürlich beim Ersteindruck nur Nuancen mitbekomme. Das wird aber beim Studium der Platte nachgeholt werden. Die angenehm gefüllte Bude geht mit der Zeit immer vehementer aus sich heraus, sodass die GRUNDEIS-Leute regelrecht überrascht wirken und sich mehrfach bedanken. Sehr gute Band!
Torsten: ...Was mir genauso geht: von den ersten Tönen und Takten an liebe ich diesen Auftritt! Live entwickeln die GRUNDEIS-Songs einen Sog, der mich nicht mehr losläßt. Die gelungene Dynamik in den Songs, das tolle Zusammenspiel der Band, spannende Arrangements und nicht zuletzt Lauras Stimme, die zwischen Schönheit und Wahnsinn pendelt – das passt alles sehr gut zusammen. Im Vergleich zum Album – Release – Gig im kleinen, vollgepackten Goldenen Salon - scheinen die Songs mehr zu atmen, mehr Raum zu haben. Klar, auch die Band hat mehr Platz auf dieser Bühne und so gibt es sowohl dort, als auch im zahlreich erschienenen Publikum Bewegung. Spricht man hier von dynamischen Songs, muss Drummer Andy erwähnt werden, der den GRUNDEIS-Songs einen ordentlichen Drive verleiht. Der drückt die Band immer nach vorne. Gleich beim Opener "Graviton" drischt er so in die Felle, dass du dich auf einem anderen Konzert wähnst. Sängerin Laura wirkt kühl und unnahbar während sie singt, explodiert aber in den richtigen Momenten und agiert mit ihrer Stimme wild und rauh aber auch säuselnd. Bestes Beispiel der Titelsong des neues Albums "Every Second An Ocean". Wunderbare Melancholie, die sich immer mehr steigert und erodiert. Die "Dankeschöns" danach sind eher zart und schüchtern. Als wenn sie nicht glauben mag, dass die GRUNDEIS-Songs so gut beim Publikum ankommen. Tun sie aber und mit jedem Titel wird es wilder. Nils und Tobi an den Saiteninstrumenten schleudern Riffs oder sphärische Klänge von der Bühne. Mal The Cure, mal Garage, irgendwie. Oder Post ROCK mit Punk und dunklem Wave in Vollendung. Schwer zu beschreiben. Aber is' ja egal, weil – es (die Songs) funktioniert. GRUNDEIS sind eine absolute Liveband. Dieses "krachige Element" tut den Songs gut; auf Platte klingt alles verhaltener, sphärischer, entrückter und dunkler. Ich mag beides – Platte & Live! Danke dafür, GRUNDEIS!