BENEDICTION, JUNGLE ROT, MASTER / 04.04.2025 – Hamburg, Kultur Palast
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- Kategorie: Berichte aus dem Pit
- Veröffentlicht: Mittwoch, 09. April 2025 14:17
- Geschrieben von Philipp Wolter
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Ist es nicht herrlich, wie die Karriere von BENEDICTION wieder an Fahrt aufgenommen hat? Die Birmingham-Legende hat zwar seit 1989 bis heute konstant durchgezogen, aber nach „Killing Music“ 2008 wurde es doch stiller und man machte sich schon Sorgen. 2019 ging es dann Schlag auf Schlag: Erst die Ankündigung des Konzertes im Kultur Palast, kurz vor Stattfinden die News, dass dieses MIT Dave Ingram stattfinde, der wieder fest eingestiegen sei, 2020 die „Scriptures“-Bomben-LP, weitere Tour 2022 (zumindest Konzi im Bambi), 2023 Abriss aufm ROCK HARD FESTIVAL und nun die nächste Tour und das kommende Album „Ravage Of Empires“. Dass dieses Billing mit MASTER und JUNGLE ROT ordentlich Leute ziehen würde, war klar, aber einen derartig heftigen Zuspruch hatte ich nicht erwartet! Ist es heute vielleicht das bisher bestbesuchte Konzert im Kultur Palast? Die Schlange geht über den gesamten Innenhof bis zur Straße, Hunderte von Schüttelrüben und Punks (unten im Bambi findet parallel ein Oi!/Punk-Ding statt) frönen dem Streetboozing, z.T. stilecht mit Ghettoblaster auf der Straße. Geil!
Bilder von MJ und Torsten Matzat.
Einziger Stressfaktor zu Beginn: Wir kommen recht knapp an, müssen aber erst in die Schlange, während MASTER drinnen bereits beginnen. Boah, bei solchen Situationen merke ich immer, wie viel mir Konzerte bedeuten und dass ich es nicht ertragen kann, einen Teil zu verpassen. Zum Glück arbeitet das Bambi-Team die Schlange professionell und erstaunlich fix ab, so dass wir uns noch im dritten Song ins vordere Drittel drängen können. Erst dann kann ich mich entspannen. Und beginne sofort mit Headbanging. Denn MASTER liefern wie gewohnt aufs Räudigste ab. Das Trio um Paul Speckmann hat von den drei heutigen Bands definitiv den dreckigsten Sound. Erstaunlicherweise ballern MASTER nicht einfach Hit auf Hit runter, sondern gönnen sich zwischendurch kürzere und längere Instrumental-Jams, was den Rock’n’Roll-Faktor erhöht. Mit seinem mittlerweile schlohweißen Bart und dem Patronengurt sieht Speckmann aus wie eine Mischung aus Karl Marx und Lemmy. Zwischendurch fällt kurz die PA aus, zum Glück nur für wenige Minuten. Mit einer Mischung aus alten Klassikern vor allem von den ersten beiden Platten („Collection Of Souls“, „Judgement Of Will“, „Submerged in Sin“, „Terrorizer“, „Unknown Soldier“ und – yeah – „Pay To Die“), ein paar neueren Stücken und einem DEATH-STRIKE-Biest („Re-Entry And Destruction“) können MASTER nichts falsch machen und ernten Circle Pits sowie Sprechchöre. Coole Randnotiz: Speckmann steht wenig später selbst am Merch und bietet fast seine gesamte Diskografie feil. Da hat wohl jemand früh darauf geachtet, die Rechte an der eigenen Musik nicht zu verkaufen!
Endlich mal JUNGLE ROT! Diese US-Death-Metaller sind ja bereits 1992 aktiv, waren aber selten hier auf Tour (zumindest soweit ich weiß) und ich meine, dass ich sie heute zum ersten Mal sehe. Obwohl der Gitarrist/Sänger Dave Matrise wiederholt den Begriff „Old School!“ in die Hütte grunzt, darf man JUNGLE ROT in der Tendenz als die am modernsten klingende Band des Abends bezeichnen. Die Gitarren kommen z.B. etwas „glatter“, die Drums sind getriggert. Gleichzeit spielen JUNGE ROT arschtight und brutal auf den Punkt, was den Stop-And-Go-Parts eine massive Wirkung schenkt. Ab und zu mache ich Thrash-Riffs aus, die sich gut einfügen. Viele sind von der Band regelrecht geflasht und hauen ihre Köppe an den Bühnenrand (so soll ja ursprünglich auf einer frühen LED-ZEPPELIN-Tour das Headbanging erfunden worden sein). Die Band gibt alles – teilweise siehst du einfach nur noch wirbelndes Haupthaar auf der Bühne – und kotzt Tracks wie „Stay Dead“, „Beyond The Grave“ oder „Total Extinction“ in die Hütte. Der Pit eskaliert schon ganz amtlich, trotz der großen Belüftungsanalage steigen die Temperaturen auf barbarische Werte. Vom JUNGE-ROT-Merchtisch dürften heute einige Kilo Vinyl und Shirts weggegangen sein! OLD SCHOOL!
„Hamburg, you drank all the beer, so the venue had to get more from Bambi Galore! I’m proud of you! These beers here are ours though!”, macht Dave Ingram klar. In der Tat wird noch während des Gigs das gesamte Astra weggetrunken, wenig später gibt es auch kein Holsten Edel mehr. So wie es im Pit zugeht, ist das auch kein Wunder. Da muss eine stetige Befeuchtung gewährleistet sein! Es sind spektakuläre Szenen zu beachten, zeitweise fühle ich mich wie zischen Hammer und Amboss, allerdings Fleischhammer und Fleischamboss, denn ein Typ vor mir wirft sich beim Zappeln immer zurück, während der Dude hinter mir seinen massigen Wanst mittels Extra-Willenskraft noch auszudehnen scheint. Pleasures Of The Flesh? Mir ist das auf Dauer schon ZU fleischig, weswegen ich mich nach ein paar Songs etwas zurückziehe. BENEDICTION rechtfertigen das aber auch alles, indem sie mit einer bestmöglichen Setlist aufwarten, in der von allen relevanten Scheiben der Bandgeschichte etwas enthalten ist. Teilweise merkt man es, dass diese Show die erste der Tour ist, denn das bedeutet natürlich, dass die Band noch nicht völlig eingespielt ist und einige Songs heute ihre Live-Premiere feiern. Aber das macht ja gerade den Charme einer BENEDICTION-Show aus – alles wird schön roh, räudig und mit echter Leidenschaft rausgeballert. Ich versuche mal, ein paar Highlights herauszupicken, obwohl das gesamte Konzert ein einziger Höhepunkt ist: „Visions In The Shroud“, „Subconscious Terror“, „Stormcrow“, „Violation Domain“, „Foetus Noose“, „The Grotesque“, „Shadow World“, „Suffering Feeds Me“, „They Must Die Screaming“ oder „The Dreams You Dread“. Eine Vollbedienung ohne übermäßigen Nostalgiefaktor, denn bereits beim ersten Hören der neuen Songs merkst du, dass auch diese bald Klassiker sein werden („Crawling Over Corpses“ = Hit!).
Was für ein Abend! Man gönnt der gesamten Bambi-Crew den Erfolg, der nur über die jahrelange Arbeit möglich werden konnte. Übrigens ist das Bambi ja auch gerade zum „beliebtesten Club 2024“ in unserem Jahrespoll gekürt worden. Völlig verdient natürlich! Ob da mal ein Interview gemacht werden sollte?
Husky!