RICH KIDS ON LSD (RKL), SCHEISSE MINNELLI / 28.03.2025 – Hamburg, Knust

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Das Wissen schwindet. Diese Binsenweisheit macht sich auch in den Bereichen Musik, Literatur oder generell Kultur bemerkbar. Ich finde es irritierend, wenn ich die Begriffe Hardcore und Punk nenne und merke, dass mein Gegenüber darunter nur so’n Affengekloppe versteht.

Aber was war so berauschend an 80er/90er HC/Punk Bands wie RKL, NOMEANSNO, SNFU oder POISON IDEA? Für mich ist es unter anderem diese musikalische Schrankenlosigkeit, welche alle diese Bands auszeichnete. Sie waren nicht so eingeengt in eine Schublade, sondern haben abgefahrene Einflüsse verarbeitet. Ich habe das häufig so erlebt, dass ich ohne Plan von der betreffenden Band aufs Konzert ging und dann mit offenem Maul im Juz stand und nur noch „WTF“ dachte.

Bei RICH KIDS ON LSD oder RKL kamen gleich mehrere Ebenen zusammen, die einen Konzertbesuch unvergesslich machten. Da war die reine musikalische Klasse, diese Breaks, die Bassläufe und on top noch eine unwiderstehliche Eingängigkeit. Dazu die physikalische Präsenz, die Action auf der Bühne. RKL-Auftritte waren ein Erlebnis, das auch von der Unberechenbarkeit lebte. Ich liebe es, wenn ich mich fragen muss, was die Musiker wohl als nächstes anstellen. Dazu kam aber noch der Faktor, dass RKL die Kerze von beiden Enden angezündet haben, so wie etwa Lemmy oder andere Rock’n’Roll-Urviecher. Drogen- und Alkoholmissbrauch sind natürlich keine Heldentaten, aber angesichts vieler „cleaner“ HC-Bands war es schon auch erfrischend, dass diese Band so hemmungslos vorging, Jason Sears zum Beispiel in Neumünster auf die Bühne kotzte. Laut Helge Schreiber legten RKL mal im AJZ Bielefeld den Willigen im Publikum reingeschmuggelte LSD-Trips unter die Zunge (OX Nr. 178, S. 73). Man muss natürlich auch sehen, dass dieser Lebensstil drei Mitglieder viel zu früh das Leben kostete – R.I.P., Jason, Derrick und Bomer!

 

RKL

Bilder von MJ und Eric Zölck.

 

Nun kommen RKL also zurück und man ist gespannt, ob die neue Besetzung an alte Zeiten anknüpfen kann. Immerhin waren vier der Beteiligten auf dem 1994er Album „Riches to Rags“ zu hören, nämlich Chris Rest (g), Dave Raun (d), Barry Ward (g) und Joe Raposo (b). Interessanterweise hat offenbar Tony Foresta von MUNICIPAL WASTE den Funken zur Reunion entzündet, indem er die Band kontaktete und fragte, ob er über im Netz veröffentlichte Instrumentalsongs seinen Gesang legen könnte. Ich fand die Vorstellung RKL plus MW-Tony recht gut, da die Stimme die nötigen Facetten abdeckt und der Typ auch ein klasse Bühnenmensch ist. Daher war ich tatsächlich erst enttäuscht, als ich davon hörte, dass er gar nicht mit nach Europa kommen würde, stattdessen ein mir unbekannter Sänger namens Abe Brennan. Gerade diese Personalie soll sich heute als goldrichtige Wahl erweisen!

 

DUMMER DOMDUMMER DOM

 

Argh, was für ein Mutantenalarm ums Knust herum! Leider findet gerade dieser fucking Dom statt und so muss man erst endlos nach einem Parkplatz suchen und dann noch die Hintergrundkulisse aus debilem Gekreisch und grölenden Vollhonks ertragen. Um so doller die Entspannung, ja das Gefühl „zu Hause“ anzukommen, als wir vorm und im Knust eine:n Bekannte:n nach dem/der anderen treffen! Ich erwähne erst gar keine Person namentlich und belasse es beim Begriff „Klassentreffen“. Manche ernten hart beim Merch ab, denn wer weiß, wann man wieder so schöne RKL-Shirts (oder ein Skateboard) kriegt, und das zu korrekten Preisen direkt beim Erzeuger.

 

SCHEISSE MINNELLISCHEISSE MINNELLI

 

Der Beanie Boy grinst uns schon vom Backdrop an, drüber hängt das SCHEISSE-MINELLI-Banner mit dem Cover der „Sorry State Of Affairs“. Eine passendere Band hätte es für diese Reise nicht geben können, sind Sam und seine Mitstreiter doch maßgeblich von RKL beeinflusst! Dabei haben sie sich mit der „Waking Up On Mistake Street“ ein Stück weit neu erfunden und setzen nicht mehr ausschließlich auf Tempo und Energie. Da sind so herrlich verspielte Bassläufe, Achtziger-Hardcore-Riffs, Neunziger-Skatepunk-Melodien und watnoch drauf! Verlernt haben die vier Hunde nichts! Jeder zieht richtig gut vom Leder und Sam zeigt sich gewohnt agil. Ich freue mich besonders über „Trippin‘“, „Buried In Debt“, „Avoid The Noid“, „Yer In A Trance“ und „Bedtime For Bonzo“. Für Stimmung sorgt RKL-Bassist Joe Raposo, der die Band nicht nur aus dem Publikum heraus anfeuert, sondern regelrecht Leute am Kragen packt und vor die Bühne zerrt, damit sie tanzen. Respekt! Die Leute drehen bei SCHEISSE MINNELLI sonst mehr durch, halten sich heute aber offenbar für RKL zurück. Die Stimmung ist aber trotzdem gut, alle genießen den Gig, der auch (wie immer im Knust) durch einen Top-Sound besticht.

 

RKLRKL

 

Die Spannung steigt, wir begeben uns schön weit nach vorne, um jedes Detail mitzubekommen. Als RKL losbrettern, wird sofort klar: Das wird richtig gut und knüpft an die Konzerte der 80er und 90er an! Die Energie ist da, das spielerische Können sowieso und alle Musiker haben richtig Bock. Abe Brennan erweist sich als HC/Punk-Sänger der alten Schule – wahnsinnige Bühnenpräsenz, geile Röhre mit der nötigen Mischung aus Brüllkraft und Melodie. Bereits beim ersten Stück springt der Kerl völlig unvermittelt von der Bühne – direkt in unsere Richtung! Da ist es wieder, was ich eingangs meinte – dieses Unberechenbare, das Gefahr ohne Vorwarnung geschubst zu werden oder (fast) ein Mikro ins Gesicht geschleudert zu bekommen. Alle Hände werden nach oben gerissen, Brennan surft kurz hin und her, landet wieder rechtzeitig auf der Bühne, um weiterzusingen. Der Pit eskaliert völlig, in einem Maße, wie ich es nicht gedacht hätte. Unsere Plätze so weit vorn kosten uns jedenfalls so einige blaue Flecken und Muskelkater am nächsten Tag, haha! Brennan singt mit vollem Körpereinsatz, ist nach einigen Songs komplett durchgeschwitzt und erklärt, dass dieses Konzert für ihn genau so aufregend sei wie für uns. Der einzige Unterschied sei, dass wir vor der Bühne mitsingen, er halt auf der Bühne. „Scab On My Brain“, „Lies“, „Hangover“, „Ded Teds“, „Rock’n’Roll Nightmare” oder “Think Positive” ballern wie in einem Rausch an uns vorüber. Joe Raposo hat so einen kleinen Beanie-Boy-Schädel mit Propeller und Leuchtaugen auf seinen Bass gesteckt und verdreht völlig gaga die Augen während des Spielens. Am Ende des schön langen Konzerts wird klar: Der Kerl ist komplett stramm. Somit ist auch der RKL-Aspekt des Am-Limit-Agierens heute erfüllt… Raposo wird bei den beiden letzten Stücken von einem Stagehand gestützt, kippt aber schließlich doch um und spielt im Liegen weiter. Bei der Zugabe steht er aber wieder und gibt zu, dass er seit 11:00 Uhr gebechert habe. Schön finde ich, dass die anderen Musiker in dieser Situation völlig gelassen bleiben. Die Stimmung in der Band scheint gut zu sein. Insofern beschleicht mich das Gefühl: Da kommt noch was, da ist vielleicht ein Album in dieser Besetzung drin!

 

RKLRKL

 

Ich fand’s sensationell! Fast hätte ich mir noch das RKL-Skateboard geholt und ‘ne Rollbrett-Karriere gestartet! Unterm Strich kann man sicherlich darüber streiten, ob RKL musikalisch so gut wie früher waren, aber die Spielfreude war mitreißend, der Auftritt extrem unterhaltsam und von einem heftigen Energieaustausch geprägt. An dieses Konzert wird man sich noch lange erinnern. Bitte schnell wiederkommen! Und egal wo Abe Brennan noch singen wird, ich bin dabei!

 

RKLRKL

 

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