ZEAL & ARDOR, DOM ZLY / 14.03.2025 – Hamburg, Gruenspan
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- Kategorie: Berichte aus dem Pit
- Veröffentlicht: Donnerstag, 20. März 2025 18:47
- Geschrieben von Philipp Wolter
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Endlich!
Es muss sich ungefähr im Jahre 2019 ereignet haben, dass mir aus berufenem Munde die Band ZEAL & ARDOR empfohlen wurde. Bei einem Auftritt der Band sei der bestmögliche Livesound zu erleben gewesen, die Mischung aus Black Metal und Gospel sei einzigartig. Okay, wenig später hatte ich die ersten beiden Alben „Devil Is Fine“ und „Stranger Fruit“ abgeerntet, dazu gleich die Livescheibe „Live In London“. Die Band live zu sehen, stand weit oben auf meiner Prioritätenliste. Und dennoch hat es nun sechs Jahre gedauert, diesen Plan zu verwirklichen. Dabei touren ZEAL & ARDOR recht regelmäßig, waren auch mehrfach in Hamburg, aber irgendetwas passte immer nicht. Langsam wurde ich nervös, mittlerweile waren die Schweizer bereits bei ihrem vierten Studioalbum angelangt – und man weiß ja nie… Aber mit dem „Greif“ kam die Erleichterung in Form von Tourdaten, ZEAL & ARDOR kündigten einen Auftritt im Gruenspan an. Geil, also noch nicht „zu groß“, sondern in einem noch vergleichsweise intimen Rahmen. Denn von der musikalischen Qualität her sehe ich die Band vor meinem geistigen Auge in Stadien spielen. Oder sind sie dafür dann doch zu progressiv, zu extrem bei aller Eingängigkeit. Ist es schlicht zu krass für den Durchschnittshörer, wenn eine Person Of Colour Black Metal mit Black Music mischt, Sklavengesänge, Blues, Gospel und Extrem Metal einfließen lässt? Dazu inhaltlich-konzeptuell die Frage stellt, was passiert wäre, wenn die afroamerikanischen Sklaven nicht in Gott ihren einzigen Trost und Halt gesucht hätten, sondern in Satan? Die Zeile „A GOOD GOD IS A DEAD ONE“ in diesem Gospelgesang zu schmettern, das muss man erst mal bringen. Also vergesst das mit den Arenen, das Grünspan auszuverkaufen, ist jetzt auch nicht selbstverständlich.
Bilder von MJ.
Wir sind gespannt, wer bei ZEAL & ARDOR als „Vorband“ agieren möge. Angesichts der stilistischen Bandbreite der Headliner ist prinzipiell vieles möglich. Mit DOM ZLY aus Polen kommt aber eine Post Black Metal Band auf die Bühne. Ich bin mir nicht sicher, ob sie bewusst shoegazig wirken wollen oder einfach etwas schüchtern sind. Sich hinter seinen eigenen Haaren zu verstecken, kann ja ein bewusst eingesetztes optisches Stilmittel sein. Hinsichtlich der Musik denke ich zum Teil an GHOST BATH. Beide Bands klingen depressiv und negativ, singen von Selbstzweifeln und Ängsten. DOM ZLY packen mich nicht so nachhaltig, wobei ich den generellen Ansatz mag. Das Drumming ist zum Beispiel beachtlich, der Kollege zieht die Doublebass bis zum Schluss durch. Die Gitarren müssten allerdings lauter sein, da geht heute vielleicht auch einiges verloren.
Bei ZEAL & ARDOR ist der Sound dann wirklich nah an der Perfektion. Bemerkenswert am Setting ist, dass die Band drei Sänger hat. Der Mastermind Manuel Gagneux spielt Gitarre und singt, lässt aber die Gospelstimmen nicht etwa vom Band kommen. Da ich bisher so gut wie keine Videos der Band gesehen habe (keine Zeit für YouTube), bin ich total neugierig, wie die Gesichter hinter der Musik denn nun aussehen mögen und wer welchen Part übernimmt. Alle sind in schwarze Kutten gewandet, optisch sieht die Bühne mit dem großen Z & A-Logo schlicht, stilvoll und effektiv aus. Die drei Stimmen wechseln sich in den verschiedenen Nuancen ab, es ist also nicht so simpel, dass einer nur schreit und growlt, während die anderen „schön“ singen. Nein, das wechselt teilweise innerhalb eines Stückes, mal finden alle zusammen zu diesen Slave & Chain Gang Motiven, dann erklingen parallel klare Kopfstimmen und wütendes Growlen. Gagneux schmettert dabei über zwei Mikros, die per Gabelung an einem Mikroständer angebracht sind und offenbar an unterschiedliche Effekte gekoppelt sind. Die Musik besitzt eine Urgewalt, wie man sie z.T. von Old School Thrash kennt, Obertöne und massive Grooveriffs erinnern mich heute in zwei, drei Momenten an 90er SEPULTURA. Aber es passiert so viel mehr. Die spirituell klingenden Elemente der Musik haben bei den ursprünglichen afroamerikanischen Sklaven der Südstaaten Gott beschworen – hier beschwören sie Satan. „Death To The Holy“, „Gravedigger’s Chant“, „Wake Of A Nation“, “Row Row” oder “Devil Is Fine” – was hatte ich mich auf diese Stücke gefreut und nun kommen sie in markerschütternden Versionen! Die Leute flippen angemessen aus, so dass ich mich bei den ersten Stücken wie in einer Fleischpresse fühle, zudem fliegt mir die Matte der vor mir headbangenden Person wiederholt in den geöffneten Schlund. Zum Glück mag ich es genau so. Crowdsurfer schweben gen Bühne, halbvolle Bierbecher prallen auf Köpfe, immer wieder heben sich alle Hände und der Mob singt trommelfellerschütternd laut mit: “Gather the wolves of the North / The flies of the East / The birds of the South / The snakes of the West / Death to the Holy / Death to the Holy!” Manuel Gagneux sieht wie überhaupt die gesamte Band begeistert aus und freut sich über diese Resonanz: „Hamburg, ihr macht es mir schwer! Ihr macht es mir schwer, böse zu gucken!“ Und er finde es unglaublich, in „einer fremden Stadt in einem so schönen Club zu spielen – und der ist auch noch ausverkauft!“ Es stimmt ja übrigens, wie schön das Gruenspan eigentlich ist mit seiner alten Architektur, der hohen Gewölbedecke und den Balkonrängen (es ist halt nur etwas anstrengend, bis zum Tresen zu kommen, wenn es derart voll ist). Von allen bisherigen Alben und der EP werden Songs gespielt, insgesamt umfasst die Setlist über 20 Stücke. Die Musiker sind on fire, als besonders genial empfinde ich das Gitarrenspiel von Tiziano Volante, der seine Siebensaitige direkt vor mir bearbeitet (beim vorletzten Stück „I Caught You“ reißt ihm eine Saite).
Ja, das war tatsächlich so schön wie erhofft, wir wissen jetzt schon, dass wir bei der nächsten Gelegenheit wieder dabei sind. Wir sind gespannt, wohin bei ZEAL & ARDOR die Reise geht.