HELL OVER HAMMABURG 2025 – BLASPHEMY, TOWER, SIJJIN, SOLICITÖR / 28.02.2025 – Hamburg, Markthalle
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- Kategorie: Berichte aus dem Pit
- Veröffentlicht: Donnerstag, 13. März 2025 22:10
- Geschrieben von Philipp Wolter
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Nach der gestrigen Sause fragt man sich natürlich schon, ob das heute überhaupt annähernd so geil werden kann. Andererseits garantieren TOWER, SIJJIN und SOLICITÖR für Qualität und auf BLASPHEMY darf man gespannt sein, hat man diese räudige Kultband schließlich zum letzten Mal 1993 in hiesigen Breitengeraden live erleben können ("Fuck Christ"-Tour, ich hab's leider knapp verpasst damals). Leider können wir nicht früher starten, sodass wir die beiden ersten Bands WRITHEN HILT und PIOLUN komplett verpassen. Wer sie gesehen hat, möge einen Kommentar hinterlassen. Aber wir sind pünktlich genug, um die folgenden vier Bands komplett genießen zu können. Trotz der Flugstreiks haben es auch alle (!) Combos aufs Festival geschafft, allerdings haben die Umbuchungen, zusätzlichen Hotelübernachtungen etc. den Veranstaltern „empfindliche Mehrkosten“ auferlegt. Also kauft euch Festivalmerch und/oder Tickets fürs nächste (letzte?) Jahr! (-> Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)
Bilder von MJ und Torsten.
Rücksichtslos nach vorne drängeln, Bier verkleckernd, über die Treppen stolpernd, eine Faust nach oben reckend: SOLICITÖR spielen, ich spüre ihren Metal Command! „Night Vision“ und „Speed Tyrant“ schrauben von Null auf Hundert vehement an Hunderten von Rüben. Die Leute müssen gar nicht erst überzeugt werden, der Triumphzug auf dem 2023er KEEP IT TRUE sowie der Bambi-Gig kurz zuvor haben im Verbund zu den bisherigen Veröffentlichungen der Band bereits viele Menschen zu Hörer:innen der Band gemacht. Das belegt der anhaltende Jubel inkl. Sprechchören, der zu jeder sich bietenden Gelegenheit aufbrandet und minutenlang anhält. Amy Lee Carlson ist geradezu zum Gesicht einer jungen Heavy-Metal-Generation geworden und schmettert auf unnachahmliche Weise. Zwischendurch treten offenbar Probleme mit der Monitoranlage auf, was die Band gerade bei den neuen Stücken der kommenden Scheibe in leichte Irritation bringt. Ich mag sowas als Zuschauer ja irgendwie, merkt man doch, dass alles live ist und nicht immer perfekt sein kann. Schnell findet die Band wieder in die Spur, nachdem Amy am Bühnenrand geklärt hat, die Stimmung bleibt eh zu jeder Sekunde im roten Bereich. Der Speed/Heavy Metal von SOLICITÖR bietet eben unwiderstehliches Geballer mit süchtig machenden Melodien, dazu dargeboten von einer höchst charismatischen Band. „Betrayer“ ist mein Überfave, der konsequenterweise auch den Abschluss bildet und von der proppevollen Halle mitgesungen wird. Spiel, Satz, Sieg.
Zeit für SIJJIN, die ich zwar noch nicht gesehen habe, die mir aber dennoch vertraut sind. Wie das sein kann? Natürlich weil es sich um den NECROS-CHRISTUS-Nachfolger handelt. Mastermind Malte Gericke hat beide Bands aus dem Boden gestampft, spielt in beiden (Bass-)Gitarre und growlt, dazu war auch der Schlagzeuger Iván Hernández bei NECROS CHRISTOS. Hier bedient allerdings Ekaitz Garmendia die Gitarre, und das sehr effektiv. SIJJIN klingen im Vergleich noch mehr nach MORBID ANGEL, was ich auch live so empfinde. Die Art, wie die Band im Song „Angel Of The Eastern Gate“ die Breaks setzt und wie Gericke den eingehärteten Refrain singt, erinnert sehr an „Maze Of Torment“, „Chapel Of Ghouls“ und andere Frühwerke der Florida-Deather. Aber natürlich in hoher Qualität und mit einer Tightness dargeboten, die Spaß macht. SIJJIN haben zudem einen kristallklaren Sound, von den vier Bands, die ich heute sehe, ist es der beste. Die direkten Berliner-Schnauze-Ansagen von Gericke kommen gut an. Er würdigt Veranstalter und Fans für das Engagement, das HELL OVER HAMMABURG zu einem einzigartigen Festival zu machen. Recht hat er – wo sonst stehen BLASPHEMY und DEMON als Tagesheadliner auf dem Billing, ganz zu schweigen von den handverlesenen anderen Perlen? SIJJIN präsentieren bereits drei Stücke von der bald erscheinenden „Helljjin Combat“-LP, die somit heute Live-Pemiere feiern dürften. Sehr guter Stoff, der sich durch harsche Riffs und die barbarische Stimme auszeichnet! Dürfte ein mindestens ebenbürtiger Nachfolger zum Demo und zum Debutalbum „Sumerian Promises“ sein.
Boah, wat hab ich Bock auf TOWER! Witzigerweise stehen ja auch TOWER kurz vor VÖ einer neuen Scheibe, sind somit die dritte Band in Folge heute, bei der das so ist. Wie beim 2023er Auftritt im Bambi machen die New Yorker:innen keine Gefangenen und spielen eine entfesselte Show, die vor allem von der Stimme und der Präsenz der Sängerin Sarabeth Linden lebt. Ihre Screams schneiden durch Stahl und erinnern mich an die von Nicole Lee! Und das Schöne: Die Band hat mit „Hired Gun“, „Running Out Of Time“ (was für ein Refrain!), „Prince Of Darkness“, „Metatron“, „Dead Or Alive“, „In Dreams”, “Lay Down The Law” und “Blood Moon” bereits eine veritable Zahl an Volltreffern geschrieben, die so dermaßen reinknallen, dass mir ganz heiß unter der Kutte wird. Was sind das auch für Typen! Wie sehr geht bitte der Bassist Philippe Arman ab? Obwohl konstant in Bewegung schafft er es, den Donner zu beschwören und Backgroundgesang beizusteuern. Auch TOWER lassen sich nicht lumpen und präsentieren neue Stücke (ich glaube zwei), die mich nicht bereuen lassen, Single und Album bereits blind im Pre-Order abgeerntet zu haben.
BLASPHEMY MADE FLESH! Die Rüpel-Rumpler befinden sich Augenzeugen zufolge bereits seit Tagen in Hamburg und rehearsen im Proberaum von OPHIS. Bei so einer alten Kultcombo, die 1990 einen Klassiker eingetrümmert hat, kann der erstmalige Livekontakt nach über drei Jahrzehnten ja auch ernüchternd sein. Aber es ist verrückt: So barbarisch polterig und asozial der „Fallen Angel Of Doom“ auf uns herniederkam, so stabil reproduzieren die heutigen BLASPHEMY den Lärm. Das hat schon System und droht nie wirklich aus der Kurve zu fliegen. Die Lichtverhältnisse sind für Fotos schwierig, aber vor Ort sieht’s geil aus. Patronengurte, Nieten, Gasmasken – alles, was der War Blackie braucht, ist da. Wobei ich bei zunehmender Hörung wahrnehme, dass BLASPHEMY auf ihre Weise vielschichtig klingen. Da haben wir Black Metal der zweiten Welle, aber auch Death Metal und ganz frühe Black Metal-Vibes, alles transformiert in ein chaotisch klingendes Gesamtbild. Wir hatten schon letzte Bands beim HOH, bei denen das Publikum langsam müde wurde und peu a peu abwanderte – nicht so heute! Vielmehr kleben die Maniacs an den Lippen von Nocturnal Grave Desecrator and Black Winds, einer schmettert direkt neben mir eindeutig fehlerfrei mit: „Blasphemous sinner warhead jet black / Attacking at will blasphemous attack / Unholy destruction dying off fear / Antichrist ordered overkill is near.“ Ja, genau! Andere summen wie böse Hornissen jeden Ton mit, den Caller Of The Storms und Deathlord Of Abomination And War Apocalypse auf ihren Gitarren erzeugen. Natürlich gibt es auch die Air-Drummer, die versuchen, jeden Move von 3 Black Hearts Of Damnation And Impurity mitzuspielen (vergeblich). Wat soll man sagen. Vielleicht: OUGH!
Yeah, grandioser Tag! Fürs Review des Samstags wird Torsten die Feder übernehmen. TBC…