GRAVE DIGGER, VICTORY, RIGORIOUS / 24.01.2025 – Hamburg, Markthalle
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- Kategorie: Berichte aus dem Pit
- Veröffentlicht: Donnerstag, 30. Januar 2025 21:06
- Geschrieben von Philipp Wolter
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Erst war ich ja enttäuscht, als GRAVE DIGGER 2023 die Trennung von ihrem langjährigen Gitarristen Axel Ritt bekanntgaben, mochte ich den alten „Ironfinger“ doch sehr. Aber man steckt ja nicht drin in den inneren Prozessen einer Band. Und mit Tobias Kersting präsentierten GRAVE DIGGER auf dem letztjährigen KEEP IT TRUE einen sehr guten Nachfolger, der Gig wurde zu einem wahren Triumphzug, die Band besitzt jetzt eine ganz neue Energie. Da nun auch die neue Platte „Bone Collector“ erscheint und gute Kritiken bekommt, steigt der Bock auf einen weiteren GRAVE-DIGGER-Auftritt in der guten, alten Markthalle. Nicht mal die Konzerte im Bambi / Kulturpalast (HERETOIR oben, DEFEATED SANITY unten) vermögen mich von diesem Heavy Metal Breakdown wegzulocken, zumal VICTORY ja auch ganz gut werden könnten...
Bilder von Toni B. Gunner (https://toni-gunner.de/concerts/) und Silvia Blaser.
Bereits zu den mir bisher unbekannten RIGORIOUS füllt sich die Markthalle recht amtlich. So rigoros wie ihr Bandname suggeriert, klingt die Band gar nicht mal. Ihr zugänglicher Heavy Metal kommt solide, aber tendenziell etwas überraschungsarm. Zwischen Mid- und Uptempo changierend erinnert mich die Band an BLIND GUARDIAN, BRAINSTORM oder POWERWOLF. Es gibt fette Chöre, leicht sinfonische Ansätze und generell viel zum Mitschmettern. Anfangs finde ich die Gitarren zu leise, was sich aber bessert. Der Sänger Lukas Remus besitzt eine angenehme Stimme, die er vornehmlich in tieferen und mittleren Lagen einsetzt, selten auch mal höher geht. Da die Band überaus sympathisch, ja schon bescheiden agiert und sich über den Applaus glaubhaft freut, wird sie konsequenterweise immer lauter abgefeiert. Nicht so spektakulär, dass ich jetzt geflasht wäre oder so, aber auch nicht nervig oder langweilig. Okayer Einstieg.
VICTORY haben mich in den letzten Jahren über die Personalie Herman Frank als neuen Hörer gewonnen. Klar weiß ich, dass der Gitarrist auch früher schon phasenweise bei der Band gespielt hat (1986 – 1996, 2003 – 2011 und seit 2013), aber inkl. dem Vorgänger FARGO gibt es VICTORY ja bereits seit 1973. Und ehrlich gesagt haben sie mich früher nie so recht angesprochen. Da ich aber seit einiger Zeit großer Freund der HERMAN-FRANK-Soloscheiben und der IRON ALLIES-Platte bin, hörte ich in „Gods Of Tomorrow“ (2021) rein und war begeistert. Die neue LP „Circle Of Life“ finde ich sogar noch geiler! Live ballert die Hannover-Legende vehement, mit Schmackes und viel Spielfreude nach vorne. Der saftige Gitarrensound macht Laune und erinnert bestens an ACCEPT (Frank spielt schließlich auch auf „Balls To The Wall“ sowie den ersten drei Reunionscheiben der jetzigen ACCEPT). Der Hammer ist Sänger Gianni Pontillo, ein Schweizer, der seit 2019 bei VICTORY schmettert! Total geile Röhre, die dreckig und geschmeidig kommt und hervorragend zu den Songs passt. Das Publikum merkt sofort, dass hier auf sensationellem Niveau geliefert wird und steigt voll ein. Das Best-Of-Set umfasst die ganzen 80er Erfolge sowie Songs der beiden letzten Platten. Und ich merke, dass ich wohl die alten VICTORY-Platten neu bewerten muss. Denn der Auftritt enthält keinen langweiligen Moment, von „Rock The Neighbours“ über „Surrender My Heart“ und „Temples Of Gold“ bis hin zum Finale mit „Take The Pace“, „On The Loose“ und „Check’s In The Mail“ geht die Post ab. Eine Abfahrt mit Ansage, dennoch bin ich überrascht!
Auch GRAVE DIGGER schöpfen aus einer langen Karriere. Das Bühnenbild ist aufgeräumt, sogar ihre Stacks haben die Musiker seitlich hingestellt, sodass es nur ein Backdrop zu sehen gibt. Boltendahl weist darauf hin, dass alles handgemacht sei („Torsten, gib mal einen Akkord! Siehste, hier gibt’s keine Backing Tracks!“) und freut sich über viele neue und junge Fans („Wo wart ihr denn all die Jahre?“). Natürlich eröffnen die Grabschaufler mit einem Stück, „Kingdom Of Skulls“, der gleich auf Ersthör schön reindengelt. Danach wildert man durch nicht weniger als acht weitere Alben. Überraschungen: „Valhalla“ (von der „Rheingold“), „The Curse Of Jacques“ (eher am Ende der „Knights Of The Cross“ versteckt, aber ein echter Knaller mit viel Atmosphäre und akustischen Gitarrenpassagen) oder „The Round Table (Forever)“ (von der „Excalibur“). Als totale Highlights erweisen sich für mich (mal wieder) die Banger der „Reaper“-Scheibe, „Shadows Of A Moonless Night“ und „Under My Flag“, ansonsten auch „The Grave Dancer“, „The Dark Of The Sun“, „Back To The Roots“ und „Rebellion“. Wirklich alle grinsen permanent, besonders freut sich sicherlich Tobias Kersting darüber, dass er so selbstverständlich aufgenommen wird. Aber auch Boltendahl nimmt eine gut gefüllte Markthalle nicht als selbstverständlich und knallt eine launige Ansage nach der anderen raus. In den Zugabenblock von „Scotland United“ und natürlich „Heavy Metal Breakdown“ hat man mit „Killing Is My Pleasure“ sogar noch einen neuen Song eingebaut. Super!
Das war die erhoffte Vollbedienung, und die Markthalle der perfekte Ort dafür!
THE GRAVE IS OPEN, THE DIGGER SMILES!