KREATOR, ANTHRAX, TESTAMENT / 14.12.2024 – Hamburg, Inselpark Arena
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- Kategorie: Berichte aus dem Pit
- Veröffentlicht: Samstag, 21. Dezember 2024 21:20
- Geschrieben von Philipp Wolter
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Was für eine schöne Zusammenstellung an Bands! Ich finde es ja immer fürchterlich, wenn beispielsweise IRON MAIDEN ihren Fans irgendwelche Nu Metal Supports vorsetzen, die doch wirklich niemand sehen möchte. Nicht so hier, alle drei Bands stammen aus derselben Ära, spielen Thrash Metal, veröffentlichen noch heute gute bis sehr gute Alben und haben jeweils mindestens zwei bis drei Gründungsmitglieder oder prägende Ikonen aus der Hochphase dabei (Mille und Ventor, Sami kann man nach über zwanzig Jahren auch dazuzählen; Scott Ian, Charlie Benante, Frank Bello und Joey Belladonna; Chuck Billy, Eric Peterson, Alex Skolnick - und Steve DiGiorgio ist ja auch schon ewig dabei). Dass dieses Billing zündet, war klar und so ist die Inselpark Arena schon lange vor dem Konzert ausverkauft, so wie viele andere Stadien dieser Tour. Selbstverständlich ist das dennoch nicht. Schließlich haben selbst die größten Thrashbands noch bis vor kurzem maximal im Docks oder in der Markthalle gespielt. Die Erfolge von SLAYER und SEPULTURA waren für mich überraschend und zum Teil durch den Fakt zu erklären, dass es Abschiedstourneen waren. In dem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob der Begriff „The Big Four“ nicht neu definiert werden muss. Denn müssten nicht KREATOR eigentlich an dritter Stelle stehen? Und wenn man dann hinterfragt, ob METALLICA noch als Thrash gelten sollen, SLAYER sich ja eigentlich aufgelöst und nur für Festivals reformiert haben, dann könnte man Mille und Co. sogar an die erste Position setzen…
Bilder von MJ.
Derlei Diskussionen werden aber rein akustisch eh durch den Beginn von TESTAMENT beendet, die mit „D.N.R.“ einen massiven Opener reinbrettern. Die Band ist gleich voll da, der Sound gerade auf den Oberrängen wuchtig und differenziert. Wir haben es noch gerade geschafft, pünktlich in der Halle zu sein und stehen gerade mit dem ersten Bier parat. Es gibt heute übrigens Event-Becher mit drei Motiven, wobei das „Pleasure To Kill“-Motiv und das mit den Maskottchen der Bands die Favoriten darstellen. Zu „WWIII“ stehen wir unten vor der Bühne und treffen unzählige Bekannte. TESTAMENT zeigen sich extrem gut eingespielt und somit äußerst spielstark. Chuck Billy ruft alle Facetten seiner Stimme ab, vom Growling in „Low“ über seinen typischen Thrash-Gesang in „Children Of The Next Level“, „Native Blood“ oder „The Formation Of Damnation“ bis hin zu den clean gesungenen „Return To Serenity“ (geil!) oder „Electric Crown“. Die Setlist ist abwechslungsreich und streift immerhin acht Alben, was natürlich bedeutet, dass viele Songs der Frühphase vermisst werden. Immerhin schreddern Alex Skolnick und Eric Peterson bei „First Strike Is Deadly“ und „Into The Pit“ alles in Grund und Boden. Und mit einer Stunde Spielzeit werden TESTAMENT auch angemessen in Szene gesetzt. Manche bemängeln danach den Sound, was ich nicht bestätigen kann. Geiler Gig in jedem Falle, Martina bescheinigt TESTAMENT danach sogar den für sie besten Auftritt des Abends.
ANTHRAX gönnen sich vorm Kabuki-Drop ein Film-Intro, welches diverse Legenden der Musikwelt featuret, die natürlich alle ANTHRAX abfeiern. Von Lady Gaga über Henry Rollins bis hin zu Gene Simmons loben alle die Power der Band. Danach gibt’s noch einen kurzen animierten Streifen, indem der Not Man mit einem Skateboard durch die Gegend fährt, Nazis köpft, Hakenkreuze rasiert und dadurch viel Applaus erhält. Dann geht die Post ab, aber so richtig. Denn ANTHRAX zeigen sich in Bestform. Der Sound ist noch besser, die Band agiert wirklich brutal tight, was sich u.a. in den messerscharfen Stakkato-Gitarren und dem herrlichen Spiel von Charlie Benante zeigt. Die Stimmung kocht über, da ANTHRAX auf eine Setlist setzen, die nahezu komplett Old School Songs umfasst. Mit „Fight ‘Em ‘Til You Can’t“ ist ein Stück von der „Worship Music“, ansonsten kommt Stoff der ersten vier Platten (bzw. fünf, denn das Joe-Jackson-Cover „Got The Time“ ist natürlich auch dabei). Es gibt wohl nur wenige Menschen in der Halle, die Songs wie „Caught In A Mosh“, „I Am The Law“, „Madhouse“ oder „Metal Thrashing Mad“ nicht mitsingen können. Besonders schön: Joey Belladonna singt richtig gut, er hat ja früher gern mal etwas geknödelt, klingt aber heute voluminöser denn je. Ich freue mich besonders über das seltener gespielte „Medusa“, den Fave „Indians“ und als TRUST-Fan natürlich die geniale „Antisocial“-Coverversion. Kleine Sideshow: Ein Kumpel, totaler ANTHRAX-Addict, sieht die Band heute zum ersten Mal (Krankheit, Pech, Unglück… verhinderten den Besuch teilweise trotz Ticketbesitz) und dreht vollständig durch, sodass er am Ende völlig nassgeschwitzt und glücklich dateht. Top!
Ein herrlicher Moment: Das Intro, MAIDENs „Run To The Hills”, ertönt, und die ganze Halle singt mit. Mag die Welt draußen im Chaos versinken, hier in der Halle ist gerade alles in Ordnung. KREATOR haben eine noch beeindruckendere Bühnenkulisse als auf der letzten Tour. Die Dämonen und der Kreator in überdimensionaler Form, das macht schon was her. Überhaupt ist es ja irre, was für eine Lightshow in so einer Riesenhütte abgezogen wird. Da wirste zugeblitzt, bis dir Hören und Sehen vergehen. KREATOR haben die Setlist seit der Tour mit MUNICIPAL WASTE 2023 nur minimal geändert, statt „Midnight Son“ und „Flag Of Hate“ gibt’s heute „Betrayer“ und „Terrible Certainty“ und die Reihenfolge ist an einigen Stellen verändert. Nach dem stürmischen „Hate Über Alles“ kommt gleich „Phobia“, dessen stampfender Rhythmus das Ding zum idealen Livesong macht. Großes Hallo, als die gehenkten Puppen plötzlich an ihren Schlingen von der Decke stürzen und über den Köpfen der Musiker baumeln! Ansonsten kommen mit „Enemy Of God“, „Hordes Of Chaos“, „Satan Is Real”, “Phantom Antichrist”, “Violent Revolution” und “Pleasure To Kill” die erwarteten, aber auch erhofften Hits, zum Teil unterstützt von Konfettiregen. Es ist ein großes Spektakel und ich persönlich finde es cool, dass KREATOR viel fürs Auge bieten. Wen das stört, der sollte diese großen Events meiden, in so einer Arena musst du dir als Band schon einige Effekte einfallen lassen. Musikalisch brettern KREATOR tight durch ihr Programm, ich achte in letzter Zeit verstärkt auf Ventor, der heute wieder alles gibt und sein Schlagzeug erbarmungslos bearbeitet. „TOTALE ZERSTÖRUNG!“
Yes, ich habe den Eindruck, dass es heute auf dem Weg hinaus fast nur glückliche Gesichter zu sehen gibt (irgendwer hat ja immer was zu meckern). Das war eine perfekte Thrash-Metal-Vollbedienung. THE KREATOR WILL RETURN – ICH AUCH!