JUST A LITTLE BIT DANGEROUS FEST XX mit COSEY MUELLER, KLAVO, DAS NEST, GAS WASSER INDIEPOP, WAX MINDS / 13.12.2024 – Kiel, Hansa48
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- Kategorie: Berichte aus dem Pit
- Veröffentlicht: Donnerstag, 19. Dezember 2024 21:24
- Geschrieben von Philipp Wolter
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Hach ja, dieses Festival fand ich ja immer toll! Doch mit dem zwanzigsten JUST A LITTLE BIT DANGEROUS FEST kündigt die gleichnamige Konzertgruppe die „vorerst letzte Runde“ an: „Nachwuchs wird geboren, Lohnarbeit & Alltag stellen stärkere Anforderungen - und Punk? Bleibt genauso relevant! Nur der subkulturelle Nachwuchs lässt noch auf sich warten, die diy-nerds & -freaks, die auch in Jahrhundert 21 eine fast 50 Jahre alte Subkultur unterschiedlichster Genres für einen Abend zusammenwürfeln & am nächsten Vormittag wieder aufstehen, um den Laden zu putzen. Trotz alledem wollen wir nochmal mit euch zusammen kommen & ein bisschen dangerous sein - one last time @hansa48. Irgendwann gibt es noch ein drittes Coverfest, weil wir es Peter Maffay schulden. Gründet Konzertgruppen, Bands und organisiert euch!“ Natürlich kann man sich an den Hoffnungsstrohhalm klammern, den das Wort „vorerst“ suggeriert, aber wir wissen ja alle wie das ist, wenn sich die Lebensumstände ändern. Vielen Dank an die tolle Konzertgruppe für die vielen Konzerte. Für mich waren bei den JALBD-Festivals immer Entdeckungen dabei, die ich sonst sicher nie kennengelernt hätte!
Bilder von MJ.
Dazu zählen dann auch gleich WAX MINDS, bei denen sich übrigens ein Kreis schließt. Denn die Sängerin Claude Cool hat bereits auf dem ersten JALBD-Fest gesungen, damals bei THE BLUE SCREEN OF DEATH (ja, die mit der LP in der Disketten-Hülle). Ich hätte sie nicht wiedererkannt, aber sie ist heute auch als brennende Tomate (!) verkleidet. Stimmlich brennt da aber mal gar nichts an, da wird geschrien und gesungen, wie es der jeweilige Part verlangt. Musikalisch verorte ich WAX MINDS im Garage Punk. Der Vierer aus Bremen hat Laune und zieht mit jedem Stück mehr Nasen in die Hansa48. Der Sound fällt heute bei jeder Band ziemlich unterschiedlich aus, bei WAX MINDS geht er voll klar.
GAS WASSER INDIEPOP haben Pech, denn Kocky ist krank. Horst Pillau informiert uns von der Bühne, dass er den kranken Drummer sogar zum Arzt begleitet habe, der strenge Bettruhe verordnet habe. Ja, und nu? Muss es halt ohne Schlagzeug gehen, drei der Songs besitzen eh keines und den Rest bekomme man schon hin. Die eherne Regel heißt zwar „Kein Schlagzeuger = No Satisfaction“, aber GAS WASSER INDIEPOP stellen eine der wenigen Ausnahmen dar, denen ich dennoch fasziniert zuhöre. Wenn Jochen im Stehen, Sitzen und Liegen von seinem Leben erzählt, dabei die Rezeptionsglocke bedient und Zeilen wie „Ich erinnere mich daran, mich das erste Mal richtig entscheiden zu müssen… (…) zwischen Menschen, die ich geliebt und denen ich vertraut hab“ („Autobiografie eines Heizlüfters“) singt, verspüre ich einen dicken Kloß im Hals. JoyBoy kompensiert das fehlende Getrömmel, bedient Orgel und Gitarre und dann ist da ja noch der neue Mensch am Bass, denn Ufo ist abgeschwirrt. Gunnar heißt er und spielt sehr groovig, bin mir sicher, ihn schon mal in einer anderen Band gesehen zu haben, kann aber natürlich auch im Rewe gewesen sein. Trotz des Handicaps ein gelungener Gig, wobei es MIT Kocky natürlich schöner ist.
DAS NEST ziehen ordentlich Leute in die Hütte. Reichen die Schlagwörter Postpunk und Berlin aus, um ein gewisses Interesse zu generieren, oder hat sich die Band bereits einen Namen erspielt? Die Mucke ist dann tatsächlich ganz geil, mit einer gewissen JOY DIVISION-Attitüde rausgehauen. Der Sänger rattert die Silben gekonnt herunter und besitzt eine kühle Ausstrahlung. Leider leiden DAS NEST unter einem sehr verwaschenen Sound. Woran es liegt, entzieht sich meiner Kenntnis, aber viele Details gehen unter. Um ein klareres Urteil über die Band zu gewinnen, müsste ich sie noch mal sehen.
Dann kommt ein wahrer Überraschungshammer! KLAVO machen bereits optisch Appetit, wirken wie ein Haufen Outlaws, die sich zufällig auf den Straßen von Berlin kennengelernt haben. Oder als hätte sich jemand mit einer Zeitmaschine Dr. Doom like seine Lieblingsmusiker rangeholt und in eine Band gepackt – einen von den RAMONES, einen vonne SCORPIONS, dazu ‘nen Oi-Punker, Bon Scott als Sänger und ans Schlagzeug einen Death-Metal-Dude. Das Ergebnis: Hemmungsloser Punkrock/Rock'n'Roll, der derart ursprünglich klingt, dass er sich einen Dreck um Subgenres schert. Auch eine ironische Note würde der Feuilleton vergeblich suchen. Stattdessen wird mit Überzeugung hart gerockt. Es geht ab, es geht nach vorne, es wackelt und rummst. Der Gesang – so schön räudig und dabei auf derbe Art melodisch. Die volle Hansa48 verliert die Contenance, Gliedmaßen und Haupthaare fliegen durch die Luft. Witzigerweise stimmt meine ausgedachte Bandbio sogar halbwegs: Die verschiedenen Bandmitglieder kommen aus Frankreich, Kalifornien und watnoch, trafen irgendwie in Berlin aufeinander. Das erklärt, dass ein Song einer französischen Oi!-Band gecovert wird, der sich super ins eigene Schaffen einfügt. Ich bin begeistert! Bisher gibt es nur ein Online-Demo, ich hoffe auf mehr.
Für viele stellt die nun folgende COSEY MUELLER ein weiteres Highlight dar. Es bleibt voll, die Menge wogt tanzend hin und her („wie Grufties auf Kaffee“, meint eine Freundin). Ich hab ja heute schon mal eine Ausnahme von der Regel „Kein Schlagzeug = No Satisfaction“ erlebt. Zwei an einem Tag wären wohl zu viel verlangt. Denn es handelt sich um ein Solo-Projekt, dessen Synthwavepunk natürlich nur zum Teil live gespielt wird (Gitarre, Gesang). Insgesamt ist der Electro-Anteil für mich einfach zu hoch.
Ja, insgesamt ein geniales JALBD-Fest! Dieses Mal besonders dangerous. Möge es irgendwann eine Fortsetzung geben!
Kommentare
Rausgefunden! Gunnar Vosgröne, u.a. früher bei ESCAPADO, GRAND GRIFFON und ANY PORT IN THE STORM, aktuell LINHAY und BAKER SEATS.
Oha, ich hatte es geahnt! Komm, lös auf, wo zum Beispiel?
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