EISENPIMMEL, OI!TERCREME, HUMMELTITTCHEN / 16.11.2024 – Husum, Speicher
- Details
- Kategorie: Berichte aus dem Pit
- Veröffentlicht: Donnerstag, 05. Dezember 2024 21:48
- Geschrieben von Philipp Wolter
- Zugriffe: 665
Da hat der Strecker mich doch glatt dazu überredet, EISENPIMMEL noch mal eine Chance zu geben. Denn es war bisher so, dass mich EISENPIMMEL live nicht gerade überzeugen konnten, obwohl ich in der Frühphase der Band zu ihren Hörern zählte und gerade „Bau keine Scheiße mit Bier“ rauf- und runtergedudelt habe. Aber weder das FORCE ATTACK 2006 noch die beiden WILWARIN-Gigs 2018 und 2023 brachten das rüber, was ich auf Platte so geil fand. Vielleicht verpuffte das anarchische Chaos und der Wortwitz von Texten und Ansagen auf den Festivalbühnen? Ach komm, dachte ich mir also im Vorfeld dieses Husumer Konzertes, ‘ne vierte Chance wird man einer Band ja wohl geben können! Zumal: OI!TERCREME dabei, ey. Die sind schon mal Garanten der guten Laune und würden den Trip in den geliebten Speicher bereits rechtfertigen. HUMMELTITTCHEN kannte ich vorher nicht, aber in die Reihe geschmackvoller Deutschpunknamen passt das gut rein. Wenn du auffe Arbeit gefragt wirst, was du am Wochenende machst und ganz trocken mit „Gehe zu EISENPIMMEL, OI!TERCREME und HUMMELTITTCHEN“ antwortest, dann fallen die Reaktionen interessant aus. Aber Schluss jetzt mit dieser Einleitung, die natürlich mit dem Cliffhanger endet: Werden EISENPIMMEL beim vierten Mal reinknallen? Lesen Sie hier:
Fotos: MJ
Großes Hallo vorm Speicher. Alle da. Ist auch ausverkauft. Deshalb verpassen wir HUMMELTITTCHEN auch nahezu komplett. Ich bin der einzige aus unserer Reisegruppe, der überhaupt noch zwei Stücke mitbekommt, weil ich pullern muss und daher früher reingehe, während die anderen noch draußen sabbeln. Es handelt sich um ein Duo, sie spielt Akkordeon, er Trompete und beide singen. Besonders die Stimme der Akkordeonistin gefällt aufgrund ihrer unfasslichen Rotzigkeit. Worum es inhaltlich geht, kriege ich nicht so richtig mit. Ich glaube um Liebe.
OI!TERCREME liefern alles, was ich mir von ihnen erhofft hatte, und mehr! Denn welche Band gönnt sich schon einfach ein viertes Bandmitglied auf der Bühne, das nichts weiter zu tun hat, als zu saufen? Der „Mann am Glas“ macht das souverän und verteilt altruistisch Schnäpse ins Publikum. Die anderen drei legen mit Oilenkraft los und sofort bebt die Hütte. Wer könnte aber auch Hits wie „Technik muss geschlagen werden“, „Faster Harder Oi!ter“ oder „Julia Roberts ist ein Monster“ widerstehen? Ich jedenfalls nicht, zu schön sind dazu Knotts Gitarrenschmeicheleien, zu sehr schmirgelt Koljas Stimme, schiebt sein Bass und zu vehement animieren mich Tims Beats zu unaltersgemäßen Verrenkungen. Aber auch kein:e andere:r, vielmehr gleicht der Speicher einem Tollhaus. Und es gibt sogar ein Gewinnspiel. „Da wir jedoch in Husum sind, senken wir das Niveau und verraten gleich Antwort, Frage und Gewinner. Also: Eule; was ist das für ein Tier und Philipp Wolter.“ Ja, und ehe ich mich es versehe, wird mir doch glatt so eine Plastikeule in die Hand gedrückt. Die hockt jetzt auf meinem Schreibtisch und motiviert mich. Danke, OI!TERCREME! Fürs Gutsein und für die Oi!le.
Ach, ich verrate es jetzt auch gleich: Was EISENPIMMEL dann liefern, ist schlicht sensationell gut und wirklich von der ersten bis zur letzten Sekunde unterhaltsam! Was war da los auf den eingangs genannten Festivals? Manche Bands brauchen vielleicht so einen schön vollgestopften lütten Schuppen wie den Speicher, damit es richtig knallt. Oder sie hatten zwischendurch ein paar schlechte Jahre und sind jetzt einfach wieder gut, was weiß ich. Die Band zockt motiviert, dat kommt mit Schmackes und vorne der Bühne wabert ein Meer aus Tentakeln. „Husum, als ich vorhin auf eurer Toilette war, dachte ich, dat riecht hier wie in Duisburg dat Eiscafé – ich wusste gar nicht, was ich zuerst anlecken sollte.“ Und wer solche Siggi Katlewski-Ansagen durch unqualifizierte Zwischenblöker stört, wird gleich von ihm oder Bärbel Rotzky zur Sau gemacht. Bärbel hat den Mob voll im Griff und schafft es sogar, die komplette Besucherschaft zu einer Polonaise zum Hafen und wieder zurück in den Speicher zu kommandieren. Wichtige EISENPIMMEL-Regel übrigens: Die Randale vor der Bühne dürfe nicht dahin führen, dass Monitore verstellt werden: „Sonst klingt dat gleich wie PINK FLOYD. Dat wollt ihr nicht!“ Zu „Komm ma lecker unten bei mich bei“ müssen die Musiker:innen natürlich sitzen, weswegen willige Fleischsitzmöbel auf die Bühne beordert werden. Ich muss auch klar sagen, dass eigentlich jeder Song geil ist, „Füße hoch, Fernsehn an, Arschlecken“, „Duisburg ist Spitze“, „Ein Bett im Bahnhof“ hab ich jetzt noch im Kopf. Das Konzert bietet immer wieder bekloppte und absurde Momente, an die sich viele gern zurückerinnern werden. Bärbel pustet zwischendrin Seifenblasen über unsere Köpfe, ihr Outfit muss auch unbedingt positiv erwähnt werden.
Beim Rausgehen sagt eine Punkerin hinter mir: „EISENPIMMEL sind meine neue Lieblingsgruppe“. Stark.