HAMMERHEAD, ECHOES / 02.11.2024 – Hamburg, MS Stubnitz
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- Kategorie: Berichte aus dem Pit
- Veröffentlicht: Mittwoch, 13. November 2024 22:35
- Geschrieben von Philipp Wolter
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Wenn eine Band eine gewisse Zeit braucht, um das nächste Album zu veröffentlichen, kommt in Interviews schnell die vorwurfsvolle Frage, warum das denn jetzt so lange gedauert habe. Aber ich finde: Für so einen Knaller wie „Nachdenken über Deutschland“ haben sich HAMMERHEAD zu Recht 24 Jahre Zeit gelassen (zählt man die Mini-LP „Farbe / Color“, sonst halt 26 seit „Weißes Album“). Die Zeit vergeht schnell, viel zu viele Kackplatten werden veröffentlicht. Die Kunst ist lang, und kurz ist unser Leben. Auf so ein Monster habe ich gern länger „gewartet“, denn mal ohne Scheiße jetzt: Ist das nicht vielleicht sogar das Beste, was HAMMERHEAD bisher gemacht haben? Wir zogen uns (nicht) die Autofahrerhose an und bretterten zur geliebten MS Stubnitz, um genau darüber zu diskutieren und natürlich um diese neuen Stücke live um die Omme geballert zu bekommen. ENTER STUBNITZ, BREAK A LEG!
Bilder von MJ.
Ja, aber was ist das? Mit ECHOES spielt mal ganz was Anderes vorweg. Schon die Ankündigung klingt etwas kurios, wenn man sie im HAMMERHEAD-Kontext liest: „Mit hallenden Gitarrensounds, treibenden Bassläufen, elegischem Gesang und hypnotischen Synthie-Einlagen…“ sollen die Berliner:innen begeistern. Aber andererseits – warum nicht? Wer passt schon zu HAMMERHEAD? Ich muss sagen, dass es mir eigentlich ziemlich egal ist, dass ECHOES halt eher nach DEPECHE MODE klingen als nach Punkern, die mit Mülltonnen werfen. Schade ist es eher, dass das Trio keinen Fleischdrummer dabei hat, sondern so einen Dosen-Dr.Rhythm. Manche meinen: Bei dem Stil passe das irgendwie. Sie irren – ein echter Schlagzeuger ist IMMER geiler! Trotzdem genieße ich den Moment. Ist doch herrlich, auffer Stubnitz zu hängen, den tanzenden Leuten zu zugucken und die Freude der Band aufzusaugen. Einen Bonuspunkt gibt’s für das lässige Outfit, damit könnte auch Rob Halford auf die Bühne gehen.
Ich muss bei HAMMERHEAD-Konzerten mehr auf Schlagzeuger Osche achten! Das denk ich jedes Mal, aber es passiert so viel, dass man ja gar nicht weiß, wo man hingucken soll. Der Kerl sitzt doch glatt auf so einem Küchenstuhl statt auf einem Drumhocker. Ist wahrscheinlich auch viel besser für den Rücken, da kann man sich wenigstens mal anlehnen. Die teuren Hocker redet einem bestimmt nur die Drumhockerindustrie ein, so wie Sportgeschäfte einem weismachen, dass man nur in atmungsaktiven T-Shirts joggen könne, obwohl natürlich jedes normale Kackshirt reicht. „Wir sind die westdeutschen PASCOW!“, knallt Tobias Scheiße uns einleitend entgegen, bevor HAMMERHEAD den Mob von 0 auf 100 in ein einziges Pogoknäuel transformieren. Auf diesem Steg vor der Bühne geht es jedenfalls wüst zu. Ich merke schnell, dass es nicht so schlau ist, genau hier mit einem prallvoll gefüllten Bierbecher zu stehen. Wobei ich es mehrere Songs lang schaffe, den Humpen zwischen fliegenden Körperteilen hin- und herzubewegen, ohne sehr viel zu verschütten. Doch der Feind kommt unerwartet von hinten. Ein Punk krallt sich mit beiden Pranken an meinem Becher fest, schlägt die Fangzähne ins Plastik und saugt den halben Inhalt in einem Zug weg. Biervampir!
HAMMERHEAD randalieren mit „Autofahrerhose“, „Im Sommer“ und „Kinderstrafe“ aber auch alles weg. „Der nächste Song handelt von Angst. Wir sind gegen Leute, die Angst haben.“ Dann sagt er noch was von Zuversicht und ab: „Du hast Angst! Vor allem Angst! Du hast Angst! Angst!“ Das schiebt und dengelt so heftig, dass WOLFBRIGADE manchmal nicht weit weg sind. Aber in Punk, klar. Der Bass knarzt schwer und bei Ranen sieht das schon rein von der Körperhaltung so aus, wie es sich anhört. Die Songs zünden also allein schon musikalisch, aber die Texte heben sie endgültig auf diese ganz spezielle Ebene. Ich hab da tatsächlich Respekt davor, wie sie es schaffen, echt jeden anzupissen und dabei den Finger in die Wunde zu legen. „Bringt mir den Kopf / von Alexander Dobrindt / Bringt mir den Kopf / vom Scheuer-Andi / Und die Köpfe / vom Wissmann / Und vom Wissing / Und stellt Mehdorn / An die Wand!“ Das muss man erst mal bringen und im Zusammenhang ist es gleichzeitig auch völlig richtig: Autofahren IST asozial und wenn wir unser Verhalten nicht ändern, sind wir im Arsch. Natürlich gibt es auch eine ganze Reihe alter Songs, zu denen alle durchdrehen, „Ich sauf allein“, „Asihochhäuser“, „Ballonseide“ und das gute alte CRO-MAGS-Cover „Hard Times“, das sie schon damals im Konken gespielt haben. Ach ja, und der neue Gitarrist David (auch KMPFSPRT) macht seine Sache gut, da fehlt heute nichts an Rotz und/oder Druck.
Unser Fazit ist einhellig: HAMMERHEAD waren nie besser. Nuff said!