HEADBANGERS OPEN AIR XXVI / 27.07.2024 – Brande-Hörnerkirchen, Tach 3
- Details
- Kategorie: Berichte aus dem Pit
- Veröffentlicht: Freitag, 27. September 2024 14:49
- Geschrieben von Philipp Wolter
- Zugriffe: 584
Der heutige Tag stellt die H:O:A-Orga vor Herausforderungen: KINGDOM OF MADNESS, die Band der Ex-MAGNUM-Leute, müssen komplett absagen, weil sich ein Flug derart verspätete, dass sie ihren Anschlussflug in Amsterdam verpassten. Das ist bei einem Co-Headliner natürlich besonders bitter und reißt ein großes Loch in die Running Order. Aber alle bleiben entspannt und mit zwei spontanen Zusatzshows (zum Glück reisen viele Bands nicht gleich ab, sondern genießen auch den Rest des Festivals, so auch X und Y, deren Namen euch erst bei voller Lektüre offenbart werden) wird ein Teil der Zeit überbrückt. Überhaupt muss die perfekte Organisation gelobt werden – es gibt einige Verbesserungen wie noch mehr Sitzgelegenheiten, einen Ausbau der Überdachung im vorderen Teil des Geländes und der Sound ist dieses Jahr wohl so gut wie noch nie.
Fotos von MJ.
PYRACANDA
Wir sind gut durch den Verkehr gekommen, so dass wir noch mehrere Songs von PYRACANDA genießen können. Ich freue mich gerade über „Top Gun“, denn das ist einer meiner Favoriten. Ich liebe das scharfkantige Riffing, das flotte Tempo und die Melodien dieses Tracks, der zudem noch einen guten und originellen Text verfügt, geht es doch um nervige Tiefflieger über Wohngebieten („We don't need no rockets in the sky / too many people senselessly die / we don't need no low level flight / a life in peace, it's our right“). Diese Band hat sich gut gehalten und wirkt sowohl motiviert als auch spielstark. Neue Songs der kommenden Platte „Losing Faith“ (der Sänger Johannes „Hansi“ Muhs wiederholt das Erscheinungsdatum mantramäßig: „Merkt euch: Am 10.10. kommt das Album!“) gefallen gut. Die Platte ist natürlich schon vorbestellt, allein weil sie bei FHM erscheint.
MEGA COLOSSUS
Sehr froh bin ich darüber, dass ich es wirklich rechtzeitig zu MEGA COLOSSUS geschafft habe, stellen die US Maniacs doch für mich eine der besten „neuen“ Bands dar. On top auf die musikalische Qualität kommt ja noch, dass die Jungs so megasympathisch sind: „This is the biggest crowd we ever played to!“ (Das Gelände ist aber auch wirklich voll!) Die Truppe ist euphorisch, spielt um ihr Leben. Die Gitarren, der Gesang, die Chöre! Wer das nicht geil findet, der kann mich mal! Einfach herrlich, was für Wendungen ein Song wie „Fortune & Glory“ nimmt oder wie unwiderstehlich der „Navigator“ alle Metal Hearts berührt. Größtes Kino auch bei „Showdown“ mit irren Licks, tollen mehrstimmigen Chören und Melodien zum Dahinschmelzen. Am Merch gibt es eine Live-CD mit dem Titel „Live At The Cat’s Cradle Backroom“, deren Anschaffung ich hiermit empfehle. Ernte24!
NOTHING SACRED
Unglaublich, dass man diese Band mal live sieht! Waren es tatsächlich „40 Stunden Fahrtweg“ (Flug, Zug, Taxi…), von denen der Sänger Chris Stark gerade erzählt? Crazy, aber zwischen Melbourne und Brande-Hörnerkirchen liegen auch ein paar Kilometer! Der Dude schmettert geil energisch, kann melodisch bis Säge in seinem stimmlichen Repertoire abrufen. Leider wird der Garten nicht so voll, wie NOTHING SACRED es verdient hätten. Immerhin gehen die Anfänge der Band auf das Jahr 1982 zurück und mit der „Deathwish“-EP sowie den Alben „Let Us Prey“, „No Gods“ und „Leviathan“ haben sie zumindest Underground-Geschichte geschrieben. Hit folgt auf Hit! „No Rest“ läutet den Reigen mit herrlich rohem, aber gleichzeitig melodischem Power Thrash ein, weitere Stationen heißen „Guardian“, „Oracle“, „Cult“, „First World Problems“, „Warheads“, „Deathwish“ und „Let Us Prey“. Für mich eines der Highlights des Festivals.
SILENT KNIGHT
SILENT KNIGHT schließen an den guten Gig von 2017 an. Nach NOTHING SACRED die zweite australische Band in Folge. Der australische Akzent ist bei Dan Brittains Ansagen noch breiter ausgeprägt als bei seinem Vorgänger auf der Bühne. Wie NOTHING SACRED spielen sich auch SILENT KNIGHT mit jedem Song mehr Leute heran. Dennoch fällt auf, dass viele nach den ersten vier Bands offenbar ein Päuschen eingelegt haben. Mit Doublebassfeuerwerk, Galoppel-Riffs und Sirenengesang rennen SILENT KNIGHT offene Türen ein, erinnern gern mal an HELLOWEEN oder GAMMA RAY. „Blood In The Water“, „The Last Candle Burns“, „Create A New World“ und „Power Metal Supreme“ notiere ich mir als Höhepunkte. Geil aber auch der Abschluss mit einer GAMMA-RAY-Coverversion von „Dethrone Tyranny“, an der es nichts zu meckern gibt.
RUNNING WILD SPECIAL / BLAZON STONE
Nun wird es richtig voll, das RUNNING WILD SPECIAL mit BLAZON STONE will natürlich niemand verpassen, zumal mit Preacher sogar ein Originalmitglied am Start ist und das Programmheft „einige zusätzliche Überraschungen“ verspricht und ankündigt: „Es wird die komplette ‚Gates To Purgatory‘ gespielt sowie 2-3 weitere (alte!) Tracks.“ Jürgen und Thomas erklären dieses Konzept jetzt auf der Bühne auch genauer und kündigen an, dass später sogar noch Hasche dazustoßen werde! Ich bin sehr gespannt, ob das alles so gut hinhaut wie erhofft. Es kann ja auch schnell etwas steif werden, wenn Musiker zusammen spielen sollen, die kaum Zeit dafür hatten, miteinander zu proben und zudem aus anderen Welten kommen („Originale“ Ü 60er Kartoffeln vs. junge Worshipper und Köttbullarfreaks) . Noch beim ersten Song ist alles offen: „Victim Of States Power“ kommt zwar gut, aber durch den anderen Gesangsstil auch etwas gewöhnungsbedürftig und man fragt sich zu diesem Zeitpunkt noch, ob BLAZON STONE & PREACHER sich weiter steigern werden oder ob sich etwa Unsicherheiten bemerkbar machen. Zum Glück für alle passiert Ersteres und man kann jetzt schon sagen, dass dieser Auftritte in die HOA-Geschichte eingehen wird! Alle grooven sich immer besser aufeinander ein, es macht Klick und spätestens „Diabolic Force“ brennt richtig rein. Der Sänger Matias Palm bringt die hohen Schreie, die Rock’n’Rolf heute definitiv nicht mehr liefern kann oder will. Danach wirkt alles mühelos, alle Anwesenden haben nur noch Spaß. Die BLAZON-STONE-Jungs scherzen darüber, dass sie ihre Geburtsjahre an den Veröffentlichungen der RW-Klassiker fixieren können („I was born when „Under Jolly Roger“ was released“ – „Well, I’m team ‘Black Hand Inn‘“). Wie angekündigt wird tief in die Mottenkiste gegriffen, alte Demosongs gespielt oder die „Walpurgis Night“-EP sowie der „Death Metal“-Sampler mit Stücken wie „Warchild“, „Iron Heads“ und „Walpurgis Night (The Sign Of Women’s Fight)“ repräsentiert. Dazu kommen die launigen Ansagen Preachers, der im Publikum alte Bekannte entdeckt und direkt anspricht: „Wo ist denn der Jörn Rüter? Ah, da vorne! Jörn, du warst ja von Anfang an dabei. Und immer besoffen!“ Haha, da hätte jetzt nur noch die spontane TORMENT-Version von „Chains & Leather“ mit den unsterblichen Zeilen „Ketten und Leder – dann steht er!“ kommen müssen. Spaß beiseite, die Originalversion erzeugt die wohl höchste Mitsinglautstärke ever. Als dann tatsächlich Hasche die Drumsticks übernimmt, liegen sich alle in den Armen: „We are prisoners of our time, but we are still alive / Fight for freedom, fight for our right, we are Running Wild“ – Gänsehaut! Dass Hasche mitten zwischen zwei OPs das Ding durchzieht, nötigt zusätzlichen Respekt ab.
IRON CURTAIN
Wir bauen gerade unser nicht benutztes Zelt ab (siehe Teil1) und kacken zum ersten Mal ins Mietdixi, als von weitem bekannt wirkende Töne an mein Ohr dringen. Ich frage unsere Campkollegen, ob da gerade jemand laut MEGA COLOSSUS höre. „Nee, die spielen doch gerade nochmal“, lautet die mit einem Achselzucken vorgetragene Antwort. Waaah? Wir werfen alles in die Karre, brettern zum Tagesparker und rennen zurück aufs Gelände – doch zu spät, MEGA COLOSSUS sind gerade schon wieder fertig.
„First time we play superdrunk!“, erklärt IRON-CURTAIN-Sänger/Gitarrist Mike Leprosy. Hahaha, aber was man normalerweise als unprofessionell bezeichnen würde, kann man den Spaniern nicht übel nehmen. Denn die haben heute bereits um 11:00 Uhr morgens gespielt und sich seitdem stabil einen reingelötet (wegen eines Flugausfalls wurden sie auf diesen Slot verschoben). Dass sie nun nochmal spielen können, konnte keiner ahnen! Es entwickelt sich ein barbarischer Spaß, denn eigentlich können IRON CURTAIN gar nicht mehr spielen. Alle sind heiser, aber mit MOTÖRHEAD-Energie und Fuck-Off-Einstellung wird ordentlich in den Garten gekoffert. Wer dieses Konzert miterlebt, hat einen Mordsspaß. Ich liebe solche Momente ja. Band-Publikum-Dialog für die Ewigkeit: „One more song or fuck off?“ – „Fuck Off!“ – „Okay, we want to finish, but they won’t let us.“ Da zwischen RUNNING WILD SPECIAL und ARMORED SAINT fast drei Stunden liegen, werden IRON CURTAIN immer wieder zurück auf die Bühne gescheucht, bis wirklich nichts mehr geht und kein Auge mehr trocken ist.
ARMORED SAINT
Einige versacken nun wohl in ihren Camps, zudem setzt ein leichter Regen ein. Aber das kann diejenigen nicht wirklich stören, die zum Auftritt der gepanzerten Heiligen erscheinen, denn dieser kann wirklich nur als überirdisch bezeichnet werden! Bei transparentem und druckvollem Sound knacken ARMORED SAINT eine Songnuss nach der anderen: „Raising Fear“, „Tribal Dance“, „The Pillar“, „Standing On The Shoulders Of Giants“, „Aftermath“, „March Of The Saint“, „Win Hands Down“, „Reign Of Fire“, „Left Hook From Right Field“, „Last Train Home“, „Can U Deliver“, „Chemical Euphoria“, „Mad House“ und „Long Before I Die“ – wie viele Übersongs kann eine Band eigentlich schreiben? John Bush ist stimmlich topfit, Phil Sandoval beindruckt nicht nur durch sein ausdrucksvolles Spiel, sondern auch mit krassen Verrenkungen. Mich begeistert auch Joey Vera wieder, und zwar nicht zuletzt durch seine Gesangsparts, die Bushs Mainvocals harmonisch abrunden und perfekt ergänzen. Das sind eben allesamt Könner, die zudem mit Dampf und bester Laune aufspielen. THE SAINTS WILL CONQUER!
Joah, das war ein herrliches HOA! Und was sich jetzt schon fürs nächste Jahr ankündigt, lässt die Vorfreude früh hochschnellen. Wir sehen uns!