KEEP IT TRUE XXIV / 27.04.2024 – Lauda-Königshofen, Tauberfrankenhalle, Tag 2

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Beim Frühstück stellt sich heraus: Alle sind begeistert vom GRAVE-DIGGER-Auftritt, nennen ansonsten jeweils unterschiedliche Faves des gestrigen Tages. Das spricht für ein gutes und auch sehr abwechslungsreiches Billing. Auch für den heutigen Tag werden an unterschiedliche Acts hohe Erwartungen gelegt: WINGS OF STEEL wollen alle sehen, SAVAGE OATH aber auch. BENGAL TIGERS, SACRED WARRIOR, SONJA oder TYRANN sind ebenfalls not be missed. Kann man ein Päuschen zu BULLDOZER, STORMWITCH oder I AM MORBID einlegen? Mitnichten. Und werden LIEGE LORD ein würdiger Headliner sein? Sie waren zumindest bis jetzt immer top. No parole from Rock’n’Roll also, auf feste Nahrung muss halt verzichtet werden. Doch in meiner Lieblingskneipe hing früher immer so‘n Schild: „Nicht vergessen – sieben Bier sind auch ein Essen!“

Wir juckeln erstmals aus Bad Mergentheim mit dem Linienbus nach Lauda-Königshofen. Da fährt man seit gut zwanzig Jahren zum KIT und checkt erst jetzt, dass man gar nicht unbedingt ein sündhaft teures Taxi nehmen muss. Die Fahrt verläuft beschaulich durch grüne Wiesen und Täler, der Bus ist vollgestopft mit Heavy Metal Maniacs. Die Fahrt hab ich als herrliches Highlight in Erinnerung.

 

LIEGE LORD

Text: Stumpfer Fischkopp, Fotos: Florian Hille

 

WINGS OF STEEL

 

WINGS OF STEELWINGS OF STEEL

 

Auf die Newcomer WINGS OF STEEL hat wirklich jede:r KIT-Gänger:in Bock, denn sowohl EP als auch LP sind im Underground wie eine Bombe eingeschlagen. Ich bekenne mich sogar dazu, das Coverartwork mit den geflügelten Pferden zu mögen. Stilistisch bewegen sich WINGS OF STEEL zwischen CRIMSON GLORY und frühen QUEENSRYCHE, wobei es eben verblüffend ist, wie gut die Band diesen Stil hinbekommt. Leo Unnermark, ein Schwede, der in die USA ausgewandert ist, singt mit begeisternder Power und stemmt die anspruchsvollen Gesangslinien scheinbar mit Leichtigkeit. Zusammen mit Gitarrist Parker Halub bildet er meines Wissens nach die Kernbesetzung der Band, während Johnny Shankel (b), Mike Mayhem (d) und Stefan Bailet (g) bis jetzt „nur“ zur Livebesetzung zählen. Das merkt man aber nicht wirklich, vielmehr wirken WINGS OF STEEL wie eine hungrige Einheit, die es wissen will. Gespielt wird ein Großteil der Debut-LP sowie drei Stücke der EP, wobei von Opener „Fall In Line“ bis zum Abschlusstrack „Wings Of Steel“ jeder Song gefeiert wird. Sehr knackig, sehr kraftstrotzend, dabei aber auch äußerst virtuos!

 

 

SAVAGE OATH

 

SAVAGE OATHSAVAGE OATH

 

Bei der folgenden Band kommt der KIT-Mob aber noch mehr ins Schwitzen! Wieder ein Newcomer, vielleicht mit leicht höherem Durchschnittsalter, denn die Mitglieder kennt man ja fast alle: VISIGOTH-Gritarrist Leeland Campana, Übersänger Brendan Radigan (SUMERLANDS, STONE DAGGER, MYSTIC CIRCLE, PAGAN ALTAR…), Bassist Phil Ross (SENTRY, IRONSWORD, Ex-MANILLA ROAD), Live-Gitarrist Kalli Coldsmith (SENTRY, ROXXCALIBUR, MASTERS OF DISGUISE…) und Schlagzeuger Austin Wheeler haben mit der EP „Savage Oath“ einen Heavy-Metal-Hammer rausgehauen, von der LP erwarte ich nichts weniger als ein Meisterwerk. Leider penne ich am Merch: Gerade als ich dort rumlungere, werden Kartons mit der erwähnten EP in Vinylform ausgepackt. Ich habe das Teil bisher nur als Kassette und hätte zuschlagen müssen, bin mir aber nicht sicher, ob der MetalSon nicht schon für mich und einen weiteren Kumpel eine Bestellung laufen hatte. Die Zeit, in der ich ihm eine WhatsApp schreibe, ist schon zu lang: Wie die Geier stürzen sich die Bangerhorden auf die Platte und nach Minuten sind alle Exemplare ausverkauft. Was für eine Energie SAVAGE OATH dann freisetzen, ist mit Worten kaum zu beschreiben. Obwohl der Opener noch unbekannt ist, hämmert „Knight Of The Night“ alles zu Klump, großartige Melodien, peitschende Gitarren und Drums of Doom. Bei „Warlock’s Trance“ von der EP gibt’s dann kein Halten mehr, Raserei und Schaum vor den Mäulern, wohin du guckst. Ein zukünftiger Klassiker. Die nächsten Stücke machen richtig Bock auf die Platte („Wings Of Vengeance“ = Hymne!) und mit dem zweiten EP-Stück „On We March“ schließen SAVAGE OATH einen grandiosen Auftritt ab. Mehr davon!

 

 

BENGAL TIGERS

 

BENGAL TIGERSBENGAL TIGERS

 

Bei vielen anderen Festivals wäre nach zwei solchen Hammerauftritten wohl erst mal die Luft raus und die nächste Band müsste vor leerer Halle spielen. Doch die KIT-Maniacs wissen darum, dass die australischen BENGAL TIGERS zum ersten Mal in Europa spielen und dass diese Chance so schnell nicht wiederkommen dürfte. Die 1979 gegründete gegründete Combo hat mit der 84er EP „Metal Fetish“ einen kleinen Klassiker geschaffen, der natürlich auch mit zwei Songs in der Setlist vertreten ist, nämlich „Break And Bend“ sowie „Pounding Energy“. Die Darbietung ist rotzig und zackig, Originalsänger Gordon Heald strahlt ordentlich Bock aus und schmettert angemessen feurig. Ich kenne nicht alle gespielten Stücke, finde aber den gesamten Auftritt mitreißend und unterhaltsam. Mit einer „Diamonds And Rust“-Coverversion hätte ich nicht gerechnet – aber die Version gelingt äußerst gut. Mit „Let There Be Rock“ gibt es sogar ein zweites Cover, welches aber nur kurz angespielt wird und in „Pounding Energy“ übergeht. Gut!

 

 

SACRED WARRIOR

 

SACRED WARRIORSACRED WARRIOR

 

Noch eine Band, die ich seit den Achtzigern kenne, aber noch nie live sehen konnte! Ich besitze lediglich das 1989er Album „Master’s Command“, welches ich damals recht häufig gehört habe. Die christliche Ausrichtung hat mich übrigens nie gestört, lass die Leute doch singen, wovon sie wollen, solange es kein diskriminierender Dreck ist. Leider kommt gerade von genannter Platte lediglich ein Song („Onward Warriors“), aber das ist Nebensache: Viel wichtiger ist die saugute Performance der Band! Allen voran muss ich Sänger Rey Parra hervorheben, der in den höchsten Tönen brilliert und das Niveau eines Geoff Tate erreicht. Die gesamte Band spielt druckvoll und genau und darf sich über ein enthusiastisches Publikum freuen. Mir wird klar, dass ich mindestens die LPs „Obsessions“ und „Wicked Generation“ abernten sollte, denn die davon gespielten Stücke bieten feinsten US Metal. „No Happy Endings“, „Temples On Fire“, „Remember Me“, „Wartorn Hero“, „Mad Man“ und „Wicked Generation“ dengeln jetzt noch durch meine Birne. Ob man SACRED WARRIOR noch mal sehen wird? Ich wäre sofort dabei!

 

 

SONJA

 

SONJASONJA

 

SONJA sind für mich ja einer der besten Newcomer der letzten Jahre! Ohne dass man das Genre so ohne Weiteres eingrenzen könnte, kommt die Band auch in True-Metal-Kreisen gut an. Wie ich in Teil 1 schon erwähnte, sind viele KIT-Gänger:innen dann doch toleranter, als es manche vielleicht vermuten. Aber SONJA schaffen es eben auch, aus vielen Einflüssen etwas Eigenes zu kreieren und das gut rüberzubringen. Der Schlagzeuger überzeugt mit einem durchdachten und feinsinnigen Spiel, Sängerin/Gitarristin Melissa Moore besitzt eine Wahnsinnsausstrahlung und Bassist Ben spielt herrlich perlende Basslinien. Die Mischung aus Heavy Metal, Gothic und Hardrock zündet in Songs wie „Nylon Nights“, „Pink Fog“ oder „Loud Arriver“ durch Eingängigkeit, Charme und Spielwitz. Und wer hätte dann mit einem derartigen Gänsehaut-Finale gerechnet? SONJA covern mit „Bridge Of Death“ von MANOWAR einen der genialsten (Metal)Songs überhaupt und rekreieren die Magie des Originals, obwohl sie sich ihn durchaus zu eigen machen. Und mit MAIDENs „De-ja Vu“ haben SONJA ein weiteres exzellent gewähltes Cover im Repertoire, denn diesen Song kennt zwar einerseits jede:r Anwesende, andererseits hört man ihn selten live. Also, hier ist gigantisches Potenzial vorhanden, das haben ja auch Century Media erkannt.

 

 

TYRANN

 

TYRANNTYRANN

 

Von TYRANN finde ich bisher jeden Release super, aber live hauen die Songs sogar noch mehr aufs Mett! Die Energie der Band ist unglaublich, ja inspirierend. Jedes Stück, jeder Ton wird mit Power performt, als gäbe es nur diesen einen Gig, in den man alles reinlegt. Die Geschwindigkeit ist fast durchgehend infernalisch hoch, dennoch bleiben die geilen Melodien von Bangern wie „Tyrann“, „Don’t Make Fashion Of Our Heavy Metal Passion“ oder „Face The Tyrant“ keineswegs auf der Strecke. Das erinnert mich an die Frühphase von ENFORCER, bei denen ja auch alle vier Mitglieder mal gespielt haben: Adam Zaars (g), Joseph Tholl (g), Tobias Lindqvist (v/b) und Jakob Ljungberg haben schon in so vielen hervorragenden Bands gespielt und leben hier ihre Passion für High Power Heavy Metal mit Twingitarrenalarm aus. Ein Alleinstellungsmerkmal sind die schwedischen Texte, wobei wohl jeder Maniac weltweit einen Refrain wie „TYRANN – TYRANN – TYRANN!“ mitbölken kann. Ich fühle mich danach völlig euphorisiert.   

 

TYRANN 

 

 

BULLDOZER

 

BULLDOZERBULLDOZER

 

Endlich sehe ich die Italiener BULLDOZER live! Ich liebe und höre die Band seit den Achtzigern, besonders das 87er Album „IX“ hat es mir angetan, aber der gesamte Lauf von „The Day Of Wrath“ (1985) über „The Final Separation“ (1986) bis hin zu „Neurodeliri“ (1988) stellt eine gelungene Mischung aus VENOM und MOTÖRHEAD dar. AC Wild sieht mit seinem Dracula-Umhang schon mal speziell aus und pöbelt-göbelt dann auch aufs Asozialste einen raus. Mit „Cut-Throat“ bricht der Höllenlärm übers KIT herein und die einen feiern, die anderen flüchten schnell aus der Halle. Das schimmelt und bimmelt aber auch aus der Anlage, dass es eine wahre Freude ist. Der Brutalitätsfaktor ist dermaßen hoch, dass mir Freudentränen über die Backen kullern. Wenn ich mich nicht irre, spielen BULLDOZER ausschließlich Nummern der ersten beiden Platten. Als stärkste Pit-Aktivierer erweisen sich „Fallen Angel“, „Mad Man“, „Never Relax!“ und „Whisky Time“, die auch noch von einem räudigen „Overkill“-Cover gekrönt werden. Ich hätte nicht erwartet, dass BULLDOVER derart einen rauskoffern und ernte am Merch schnell noch die Autobiographie „Hereticvs“ von AC Wild ab.

 

 

STORMWITCH

 

STORMWITCHSTORMWITCH

 

Wie schön, dass STORMWITCH doch irgendwie immer wieder zusammenfinden und uns heute ein weiterer Auftritt der Masters Of Black Romantic vergönnt ist. Angekündigt wurde ein 40-Jahre-Jubiläums-Set mit drei Originalmitgliedern. Und da hat keiner gelogen, denn neben Andy Mück (v) stehen auch noch Ronny Gleisberg (b) und Peter Langer (d) auf der Bühne. Die beiden Gitarristen Jonathan Krömer und Martin Heusinger kenne ich noch nicht, sie machen ihre Sache aber sehr gut. Erwähnenswert ist auch das T-Shirt, das Gleisberg trägt, denn es zeigt Harald „Lee Tarot“ Spengler und einen entsprechenden würdigenden Spruch, ist der legendäre Gitarrist doch 2013 verstorben (R.I.P.). Ja, die Setlist erfüllt alle Wünsche, enthält sie doch fast ausschließlich Stücke der ersten vier Alben (vom 2018er Album „Bound To The Witch“ wird noch das starke „Stormwitch“ dazwischengemogelt, was völlig okay ist, denn das Ding ist schließlich top). Mück intoniert mit Inbrunst, und auch wenn sein „Sturm und Drang“-Outfit inkl. Rüschenhemd und Rosen am Mikroständer ein wenig schrullig aussieht (irgendwie passt das ja auch), berührt er heute die Herzen vieler Menschen. Wer von Songs wie „Rats In The Attic“, „Trust In The Fire“, „Ravenlord“, „Stronger Than Heaven“, „Jonathan’s Diary“, „Tears By The Firelight“ (schluck!), „Priest Of Evil“, „Russia’s On Fire“, „Sword Of Saigon“ oder „Walpurgis Night“ gar nicht bewegt wird, dessen Herz muss aus Stein sein. Auf dem KIT findest du solche Kreaturen auch nicht, vielmehr singt die ganze Halle mit. Danach bleibt nur eine Frage offen: Wer ist eigentlich dieser Oliver Weinsberger, dem Andy Mück so herzlich dankt?

 

 

I AM MORBID   

 

I AM MORBIDI AM MORBID

 

Zwischen STORMWITCH und MORBID ANGEL liegen stilistisch zwar Welten, aber zu Hause lege ich gern mal derart unterschiedliche Sachen direkt nacheinander auf den Teller. Und auch live funktioniert es gut: David Vincent und Pete Sandoval sind angetreten, um mit I AM MORBID Songs von den alten MORBID-ANGEL-Scheiben zu bringen. Nur wer soll die kranke Scheiße auf der Gitarre spielen? Die Antwort lautet: Bill Hudson, Ex-U.D.O. und aktuell auch bei DORO, sowie Richie Brown, TERRORIZER. Der Vierer böllert die Klassiker mit Vehemenz und der nötigen Raffinesse, denn simpel sollte man die Drumpatterns und Riffstrukturen nicht gerade nennen. „Immortal Rites“, „Fall From Grace“, „Blessed Are The Sick“, „Rapture“, „Maze Of Torment“, „Dominate“ und „God Of Emptiness“ heißen nur einige der Stationen dieses Auftritts. Sogar mein persönlicher Fave „Where The Slime Live“ ist dabei, ich liebe diese entrückte Atmosphäre und das schlürfige Tempo dieses Songs. Mit „World Of Shit“ macht man den Sack zu und hat lediglich „Chapel Of Ghouls“ vergessen. Warum wohl? Aber egal, mega Gig, der von heftigen Circle Pits begleitet wird!

 

I AM MORBID

 

 

LIEGE LORD

 

LIEGE LORDLIEGE LORD

 

Der Auftritt von LIEGE LORD steht im Zeichen des Gedenkens an Bassist Matt Vinci, der 2023 an Krebs verstorben ist. R.I.P.! Den Bass spielt heute Joe DiBiase von FATES WARNING. Die Truppe erweist sich als spielstark, Joe Comeau ist hervorragend bei Stimme. So donnern LIEGE LORD durch US-Metal-Perlen wie „Fear Itself“, „Dark Tale“ oder „Eye Of The Storm“ durch die Tauberfrankenhalle. Besser geht’s in dem Bereich ja eigentlich nicht und so feiern die Besucher:innen die Band trotz des langen Tages im Nacken begeistert ab. Als auch noch Matts Witwe Donna Vinci auf die Bühne kommt und mit bewegenden Worten an das Leben und Wirken ihres Mannes erinnert, brechen alle Dämme. Eine würdige Trauerrede! LIEGE LORD streifen sogar das „Burn To My Touch“-Album mit zwei Stücken, stellen zwei neue Songs vor (gut!) und setzen ansonsten den Schwerpunkt auf „Freedom’s Rise“ und „Master Control“ (inkl. RAINBOW-Cover „Kill The King“). Mit dem Triple „Prodigy“, „Wielding Iron Fists“ sowie „Master Control“ spielen sie drei der stärksten Songs ganz zum Schluss. LIEGE LORD haben das KIT souverän zum Abschluss gebracht und Lust auf ein weiteres Album gemacht!

 

LIEGE LORDLIEGE LORD

 

Das war ein gelungenes KEEP IT TRUE, neben den ganzen tollen Konzerten wurde auch die Funktion des „Szene-Klassentreffens“ voll erfüllt. ONWARD TO KIT RISING IV!  

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