JUDAS PRIEST, SAXON, URIAH HEEP / 01.07.2024 – Hamburg, Barclays Arena
- Details
- Kategorie: Berichte aus dem Pit
- Veröffentlicht: Donnerstag, 11. Juli 2024 21:06
- Geschrieben von Philipp Wolter
- Zugriffe: 1126
Geschafft! Ich habe es tatsächlich vermeiden können, auch nur irgendein Detail über die bevorstehenden Shows von JUDAS PRIEST, SAXON und URIAH HEEP zu erfahren, wobei es mir vor allem um die Setlists geht. In jedem Magazin überblätterte ich die entsprechenden Konzertberichte und ich vermochte jede:n Freund:in, der/die bereits ein Konzert in einer anderen Stadt besucht hat (einige waren z.B. in Prag), mit einem resoluten „Stopp!“ im Redefluss zu unterbinden. So kamen letztere nur bis zu der Info, dass es verdammt gut gewesen sei, aber ich stehe heute glücklich in der Barclays Arena, ohne zu wissen, was PRIEST exakt spielen werden. Mir ist das wichtig, weil Überraschungen für mich zur Magie eines Konzertes dazugehören und ich finde es schwer nachvollziehbar, warum viele Leute vorher möglichst genau wissen wollen, was exakt gespielt wird. Eine Ausnahme sind vielleicht Fotograf:innen, die dann natürlich die Kamera parat halten wollen, wenn Rob auf dem Motorrad auf die Bühne fährt. Anyway: HELLBENT FOR LEATHER, IT’S MONDAYNIGHT AND THE PRIEST IS BACK!
Bilder von MJ und Rüdiger Naffin.
Es ist ja schon widersprüchlich: Eigentlich bevorzuge ich Konzerte in kleinen Clubs, dennoch freue ich mich total darüber, dass JUDAS PRIEST wieder in derart großen Hallen spielen. Wobei man wohl das Wort „wieder“ sogar streichen muss, denn so populär waren Rob Halford und seine Mitpriester vielleicht noch nie. Weltweit füllen sie Arenen, selbst zur „Painkiller“-Tour spielten sie seinerzeit „nur“ in der Alsterdorfer Sporthalle. Und das ist ein kleines Stück Gerechtigkeit in einer ansonsten ja vollständig abgefuckten Musikwelt. Mit „Firepower“ und „Invincible Shield“ haben sich JUDAS PRIEST dorthin zurückgekämpft, wo sie hingehören: An die Spitze.
Dass auf dieser Tour auch noch URIAH HEEP und SAXON dabei sind, ist einfach nur genial. Ich mein, wie häufig werden einem Support Acts wie FIVE FINGER DEATH PUNCH oder THE RAVEN AGE vorgesetzt, die überhaupt nicht stilistisch dazupassen? Und heute? HEAVY METAL MASTERCLASS! Jetzt könnte manch spitzfindiger Zeitgenosse hinterfragen, ob URIAH HEEP denn in dieses Genre gehören. Wer das denkt, sollte sich die Band mal wieder live ansehen und eines ihrer letzten Alben abernten. Die Briten orgeln schwer, braten fett und wirken so ungeheuer vital, dass ich aus dem Grinsen nicht mehr herauskomme. Mit „Save Me Tonight“ und „Grazed By Heaven“ geht es mit zwei neueren Nummern los (erstere von „Chaos And Colour“, letzteres vom 2018er Album „Living The Dream“) und viele Leute, die das so geil nicht erwartet haben, sind baff. Es entwickelt sich schnell echte Begeisterung, kein Wunder, denn nun werfen die Heepster die Hitmaschine an, kredenzen u.a. „Rainbow Demon“ (fuck! Gänsehaut!), „Free ‘n‘ Easy“, „Gypsy“ und „Easy Livin‘“. Wie herrlich voluminös und kraftvoll Bernie Shaws Stimme klingt! Daneben grimassiert, rifft und soliert Mick Box, Gründungsmitglied und damit seit 1969 dabei. Danke für über 50 Jahre dieser wundervollen Musik! Still …very ‘eavy …very ‘umble. Ich könnte und müsste eigentlich jeden Musiker der Besetzung erwähnen, denn alle zocken beseelt und fantastisch. Mit einer schönen (!) Version von „Lady In Black“ beenden die URIAH HEEP ihr Set. Einziger Kritikpunkt: zu kurz!
Dass auch SAXON voll im Saft stehen, ist eigentlich eh klar. Ihr jüngstes Album „Hell, Fire And Damnation“ ist das stärkste Werk seit langer Zeit (ich mag sie noch mehr als „Carpe Diem“) und auf dem KEEP IT TRUE RISING II haben sie 2022 alles weggeblasen. Jetzt ist ja Paul Quinn wegen gesundheitlicher Probleme ausgestiegen. Aber was soll man sagen – mit Brian Tatler haben SAXON den perfekten Nachfolger gefunden. Der DIAMOND HEAD-Gitarrist hat mit seinen Riffs schließlich die Heavy-Metal-Geschichte geprägt, auch wenn sie verrückterweise durch eine andere Band populär wurden. Was der Typ hier und heute abzieht, ist Heavy-Metal-Powerplay par excellence – und das ohne sich irgendwie in den Vordergrund zu spielen. Nein, SAXON wirken wie eine Einheit, was sie noch dadurch verstärken, dass vier der Bandmitglieder Kutten überstreifen, die ihnen Fans im Laufe des Auftritts zuwerfen. (Am Ende werden die Dinger natürlich zurückgeworfen.) Auch SAXON spielen nur (oder immerhin?) zwei neue Stücke, den Titelsong und das grandiose „Madame Guillotine“, welches gern im Set bleiben darf. Ansonsten gibt’s die Vollbedienung von „Motorcycle Man“ über „Power And The Glory“, „Heavy Metal Thunder“ bis hin zu „Crusader“. Biff fragt uns, ob wir lieber „Dallas 1 pm“ oder „Strong Arm Of The Law“ hören möchten. Die Arena entscheidet sich für letzteres. Danach hebt der Adler aber erst richtig ab, denn mit „Denim And Leather“, „Wheels Of Steel“, „And The Bands Played On“, „747 (Strangers In The Night)“ und „Princess Of The Night“ bebt die Halle allein durch die mitsingenden Bangerscharen. SAXON räumen ab, haben heute auch den besten Sound.
Holy shit, hab ich Bock! Endlich ertönt der seit langem als Intro genutzte SABBATH-Song „War Pigs“ und dann das „Invincible Shield“-Synthieintro. Die Lightshow ist spektakulär und die in immer neuen Farben leuchtende PRIEST-Forke senkt sich über unsere Köpfe. PRIEST! PRIEST! PRIEST! „Panic Attack“ eröffnet das Set und sofort ist klar: Auch JUDAS PRIEST sind in Topform! Vor allem Rob Halford überrascht und begeistert. So stark hat er zum Beispiel auf dem letzten Wacken nicht gesungen und überhaupt würde ich sagen, dass er seit gut zwanzig Jahren nicht mehr so mühelos klang und die hohen Noten easy wegschmettert. Und das bis auf handelsüblichen Einsatz von Delay und Reverb ohne Effekte. Ritchie Faulkner und Andy Sneap singen mittlerweile übrigens sehr gelungen bei Backgroundchören mit, was mir heute positiv auffällt. Trotzdem bleibt für mich lange Rob Halford der Fixpunkt. Es ist erstaunlich: Er singt nicht nur besser, er bewegt sich auch wieder agiler, schreitet die gesamte Bühne ab und wirft sich in ikonische Posen. Nach „Panic Attack“ geht es ganz groß weiter: „You’ve Got Another Thing Comin‘“, „Rapid Fire“ und „Breaking The Law“, letzteres also bereits an vierter Stelle und in einer sehr schnell gespielten Version. Musikalisch geht es fast durch die gesamte PRIEST-Geschichte. Die Freund:innen der Frühphase bekommen „Saints In Hell“ (yeah!), „Sinner“, „Victim Of Changes“ (Gänsehautversion!) und „The Green Manalishi (With The Two Pronged Crown)“, die 80er werden durch „Riding On The Wind“, „Devil’s Child“ und „Turbo Lover“ vertreten und natürlich brennt der „Painkiller“ alles weg. Nur die beiden letzten Scheiben werden erstaunlich stiefmütterlich behandelt, außer dem erwähnten Opener zockt man nur noch „Invincible Shield“ (Ohrwurm!). Manche meckern später über den Sound, bei uns recht mittig vorn klingt’s bis auf die etwas blechernen Toms gut. Rob holt Andy Sneap ran und verkündet, dass der heutige Gig dessen 300ster Auftritt mit JUDAS PRIEST sei. Unglaublich, der ist doch erst seit 2018 dabei! Sneap, der übrigens mit SABBAT auch mal in Kiel gastierte (Trauma), winkt nur bescheiden ab, genießt das Konzert aber offensichtlich in vollen Zügen. Rob setzt sich etwas später auch an den Bühnenrand und vertellt, was für eine unfassbare Reise die letzten 50+ Jahre gewesen seien und wie dankbar er dafür sei. Ergreifend. Geiler geht’s nicht mehr? Doch, die Zugaben beginnen mit dem „Hellion“-Intro und es folgt natürlich „Electric Eye“, für mich mit die beste Intro/Opener-Komposition der Musikgeschichte. Da muss ich mir glatt noch ‘nen Beerboy ranholen und ihm die sündhaft teure Plörre abkaufen (immerhin: Holsten), auch wenn „nur“ noch „Hellbent For Leather“ (Rob mit Peitsche im Maul, gleißenden Lederklamotten und auffem Krad) und „Living After Midnight“ folgen.
Ja, Spackos, von diesem Ereignis werde ich euch bis ans Ende meiner Tage zulabern. PRIEST! PRIEST! PRIEST!