BRUCE DICKINSON, DOMINUM / 17.06.2024 – Hamburg, Große Freiheit
- Details
- Kategorie: Berichte aus dem Pit
- Veröffentlicht: Mittwoch, 19. Juni 2024 21:40
- Geschrieben von Philipp Wolter
- Zugriffe: 2023
Es gibt diese Konzerte, von denen man zu 100% vorher weiß, dass es nur großartig werden kann. BRUCE DICKINSON ist zweifellos so ein Fall. Die neue Platte Bombe, der Mann selbst in Topform, eine sehr gut besetzte Band und das Ganze dann auch noch in einem für seine Verhältnisse eigentlich viel zu kleinen Laden. Wir schlugen sofort zu, war auch schnell ausverkauft. Meine einzige Befürchtung war, dass die Hütte ZU voll sein könnte, ansonsten hätte wohl nur eine schwere Erkältung oder so DICKINSON daran hindern können, vollumfänglich abzuliefern. Spoiler: Er wurde nicht krank, und der Abend muss als regelrecht magisch bezeichnet werden!
Bilder von MJ und Bö Börbel.
Wir haben Glück und erkennen in der unfassbar langen Schlange vor der Freiheit (hab ich da noch nie derart heftig gesehen, die Leute stehen vom Laden bis zur Reeperbahn) Kumpels, die uns „einen Platz freigehalten“ haben. Und irgendwie stehen wir kurze Zeit später fünf Meter von der Bühne entfernt. Einziger Nachteil: Hier können wir jetzt nicht vor DOMINUM fliehen, der Platz wäre natürlich sofort besetzt. Ich bin lange nicht so nah und intensiv einer Band und deren Musik ausgesetzt worden, mit der ich mal so gar nichts anfangen kann. Denn sonst geht man halt weg und labert mit Bekannten. Schlagermetal mit massiven Backingtracks ertönt. Monsterimage, geschenkt. Aber diese Refrains im SABATON/POWERWOLF-Stil lassen mein Bier schal werden. Immerhin: Der Sänger hat eine gute Stimme, sehr kraftvoll und hoch. Leider nutzt er sie für dieses Genre. Am besten läuft mir noch das SCORPIONS-Cover „Rock You Like A Huuricane“ rein, bei dem der Unterschied zum simpler gestrickten DOMINUM-Material aber auch extrem deutlich wird. Nach vielen Mitsingspielen entlässt uns Doktor Frankenstein. Gucke ich mir nicht noch mal an.
Die Leute sind heiß! Was bedeutet, dass der ganze Laden sprichwörtlich heiß ist, die Luftfeuchtigkeit steigert sich in tropische Bereiche. Mittels Sprechchören steigern sich die Leute noch zusätzlich in eine wilde Vorfreude hinein. Irgendwann ist es soweit und zu tosendem Applaus steigen BRUCE DICKINSON und Band (Tanya O’Callaghan am Bass, Dave Moreno am Schlagzeug, Chris Declercq und Philip Näslund an den Gitarren sowie Mistheria am Keyboard) bei glasklarem Sound mit „Accident Of Birth“ ein, dessen „Welcome Home“-Refrain natürlich wie Arsch auf Eimer passt. Die Band ist in der Besetzung seit Monaten auf Tour und megagut eingespielt (witzigerweise passiert gerade heute etwas später im Set ein Absprachefehler, der wohl ziemlich einmalig sein dürfte – unten dazu mehr). Mit den folgenden Stücken „Abduction“ und „Laughing In The Hiding Bush“ hat man schon drei der DICKINSON-Soloscheiben abgedeckt (mit MAIDEN-Songs rechnet heute keine:r). Ich nehme es so wahr, dass ab dem vierten Song der Gesang und die gesamte Performance der Band noch an Qualität und Intensität zunehmen. War der Anfang schon gut, ist BRUCE jetzt richtig auf Betriebstemperatur. „Afterglow Of Ragnarok“ ist aber auch ein Wahnsinnssong, das Ding drückt richtig, Bruce singt so eindringlich, dass ich eine fette Gänsehaut bekomme. Viele sagen später, dass ihnen mehrfach die Tränen kamen. Hab ich tatsächlich auch.
Immer wieder kommen interessante neue Details ins Spiel, etwa wenn Bruce ein Theremin spielt, die anderen Musiker:innen mit kurzen Soli im Fokus stehen. Ansonsten gibt es im Grunde kein Klimbim, das Zelebrieren von Musik steht im Vordergrund. Und man darf es hier unter uns ja sagen: Rein emotional sind IRON MAIDEN zwar die wichtigere Band, aber wenn man ehrlich ist, sind Dickinsons Soloscheiben den Alben seiner Hauptband (nach 1988) qualitativ überlegen - von den Produktionen her, dem Artwork und vor allem dem Songwriting. Er klingt sogar stimmlich motivierter! Das zeigt sich auch heute, ich weiß nicht, ob ich in der Euphorie übertreibe, aber ich würde sagen, dass ich heute die beste Gesangsleistung BRUCE DICKINSONS erlebe – von allen Shows, die ich solo und mit MAIDEN gesehen habe (seit „Powerslave“ bis auf „A Matter Of Life And Death“ jede Tour mitgenommen). Anyway, die Band brilliert mit Stücken fast aller Soloplatten (nur das „Tattooed Millionaire“-Album fehlt). Ich glaube, es passiert bei „Book Of Thel“: Die Band fängt an, Bruce steigt ein – und guckt irritiert. Hat er den Einsatz verpasst? Nein, es stellt sich heraus, dass er eine andere Setlist hat: Auf Setlist.fm kommen nach „Book…“ die Stücke „The Alchemist“ und „Darkside Of Aquarius“, während von Freaks ergatterte Bühnensetlists eine andere Reihenfolge zeigen. Also wurden für eine Strophe zwei Songs gleichzeitig gespielt (nach der Strophe switcht Bruce auf das richtige Stück), die Mucke von „Book...“ mit dem Text von „Darkside…“, das DICKINSON danach in „Darkside Of Nefarius“ umtauft. Er lacht sich darüber kaputt und sagt, was alle denken: „Yeah, this is live! We don’t use backingtracks!“ Ist doch herrlich! Mit „Navigate The Seas Of The Sun“, “Faith”, “Tears Of The Dragon”, “The Tower” und einer genialen Version von “Road To Hell” geht es atemberaubend weiter. Ich kann nur sagen: Das war over the top und eines der besten Konzerte, das ich je gesehen habe. Isso!
BRUCE DICKINSON hat heute unterstrichen, dass er mit Recht zu den größten Rockstimmen überhaupt gezählt wird. Schön, dabei gewesen zu sein!
Kommentare
Ja, da geh ich mit. Da stimmt einfach alles! Kann ich täglich hören.
Alle Kommentare dieses Beitrages als RSS-Feed.