THE 50 KAITENZ, THE PILL, MOMS DEMAND ACTION / 23.05.2024 – Kiel, Hansa48

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Die besten Konzerte sind ja häufig welche, die man spontan besucht und vorher gar nicht richtig auf dem Schirm hatte. So geht es mir heute mal wieder! Bin ich froh, dass ich hingegangen bin! Ich hatte am Vortag bereits THE CIRCLE JERKS besucht, für Freitag und Samstag zwei weitere Trips nach Hamburg geplant und eigentlich gar keine Zeit. Eigentlich schmeigentlich, um 20:30 Uhr durchzuckt es mich, der Ruf des ROCK ist deutlich zu spüren. Es ist ein gewisses Ziehen im Hinterhirn, das theoretisch jeder Mensch spüren kann. Ist seit der Steinzeit so, aber der moderne Mensch hat es häufig verlernt, auf die wirklich bedeutsamen Triebe und Reize zu hören, ignoriert den Ruf und betreibt lieber weiter TV-Shopping (oder so). Ich also hektisch aufs Rad, hin zur Tante Hansa, noch im Vorbeigehen Horst Pillau Jr. begrüßt und am Tresen ein Bierchen mitgenommen, dann schnell in die Halle, denn MDA spielen bereits schon!

 

MOMS DEMAND ACTION

Bilder von Lara Timm.

 

Mein erster gänzlich miterlebter Titel lautet „True Metal Ist Das Geilste“, ein großer Favorit im Werk der Band. Wie mir später erzählt wird, dürfte ich ca. ein Drittel verpasst haben. MOMS DEMAND ACTION kredenzen uns einige Stücke ihrer beiden Platten, dazu ist sogar noch was ganz Neues zu hören. Ich habe MDA seit 2021 nicht gesehen, da ich sie auf dem 2022er MOORLOCH knapp verpasste, es wird also wirklich mal wieder Zeit. Wie immer schafft es der Vierer, eine gewisse Traurigkeit mit „Faust-in-die-Luft-ich-mach-jetzt-mit“-Momenten zu verbinden. Da wird georgelt und gedengelt, gleichzeitig nicht an großartigen und eingängigen Melodien gespart. JoyBoy bedient abwechselnd Gitarre und Keyboard, streut außerdem noch einige Uh-hu-hu-Chöre ein. Dazu der gewohnt energische Vortrag von Tim (d), Kelling (b) und Macko (v) und ich bin begeistert. Neben oben erwähntem Song nenne ich „Vantablack“ als weiteren Favorit – MOMS DEMAND ACTION, MONS DEMAND PUNK!

 

MOMS DEMAND ACTIONMOMS DEMAND ACTION

 

 

THE PILL 

 

Erst in der Pause erfahre ich, dass heute sogar DREI und nicht nur zwei Bands spielen. Kurzfristig ins Billing gerutscht seien THE PILL aus Frankfurt. Joah, mal angucken. Huch, mindestens zwei der Bandmitglieder kommen mir doch sehr bekannt vor! Und tatsächlich, die waren doch bei SUPERFAN? Wobei erst mal alle Blicke von der Sängerin Sam angezogen werden. Was für ein Energiebündel! Sie schreit, singt, flüstert, flucht, wirft sich auf den Boden und erzeugt insgesamt eine Unberechenbarkeit, die man viel zu selten erlebt. Springt sie dir vielleicht gleich auf den Kopf? Auszuschließen ist es nicht. Und der Look! Wie aus einem Fiebertraum von Tim Burton. Die Mucke: BLACK FLAG, aber nie nur stumpf kopiert. Den Einfluss atmet das Konzert zwar zu jeder Sekunde, aber die Songs sind zu geil und eigenständig, um von reinem Worshipping zu sprechen. Dazu die abgebrühte reine Power der gesamten Band. Da stellt der Bassist einfach sein Instrument in die Ecke, springt in den Mob und schubst die Leute herum. Die Sängerin hinterher, schubst mit, nur um dann ihren Kollegen mit mehreren Arschtritten zurück auf die Bühne zu prügeln. Obwohl ich noch nie vorher einen Ton von THE PILL gehört hatte, fräsen sich sofort einige Stücke ein, z.B. „Switch“, „Government Whore“ und „Parking Lot“. „Manchmal fühle ich mich wie ein Stück Scheiße, manchmal wie eine Göttin“, erklärt Sam. Right on, wer nicht? Ja, ich wollte nichts abernten heute, aber das war zu gut. Am Merch treffe ich doch glatt Gregor Samsa oder auch Kurt Trozas, der aber tatsächlich gar nicht so heißt und das tolle SOUNDS OF SUBTERRANIA-Label betreibt. Sowohl THE PILL als auch THE 50 KAITENZ hat er mit herrlichen Releases im Katalog! Die Platte von THE PILL gibt es in einer Sonderversion mit PUPPE von der Sängerin. INSANE EDITION! Der Vorsatz, nichts zu kaufen, zerfällt angesichts dieses Werks der Liebe zu Staub. Ernte24!

 

THE 50 KAITENZ 

 

THE 50 KAITENZ haben alles verstanden! Die Lebensfreude und Wildheit des Rock’n’Roll erhebt in voller Pracht seine zeitlose Fratze! Das Trio muss sich in eine Art Studium begeben haben, um sieben Jahrzehnte Rock’n’Roll zu analysieren, zu sezieren, ihn dann neu zusammenzusetzen und zusammenzuknüllen, mit Wahnsinn zu injizieren und in einer Over-the-top-Performance auf die Bühne zu bringen. Die drei Japaner sehen in identischen, eng anliegenden Anzügen und Perücken (?), welche die Frisuren der RAMONES mit denen der BEATLES kombinieren, schon mal super aus. Wenn ich aber sage, dass sie den Rock’n’Roll studiert haben, dann gilt das nicht nur musikalisch, sondern auch von den Moves her! Es ist eine reine Freude, THE 50 KAITENZ zuzusehen und die verschiedenen Referenzen zu erkennen. Vom Chuck-Berry-Duckwalk über den Paul-Stanley-Arschwackler bis hin zu absurden Hüpf-Choreographien ist alles dabei, ist wirklich jeder Song mit neuen Bühnenbewegungen verbunden. Noch besser die musikalische Ebene: Wie gut das gespielt ist! Der Gesang steigert sich in dreistimmige Harmoniechöre, klingt aber gern auch mal dreckig. Die Basis ist 60er Punk, geht aber weit darüber hinaus, erfasst RAMONES, THE TRASHMEN, TURBONEGRO oder generell alles von Doo Wop über Drei-Akkorde-Garagerock bis Punk. Wenn jemand sagt, dass da eine Band „Surfin‘ Bird“, „Blitzkrieg Bop“ oder „Johnny B. Goode“ covert, dann ist noch lange nicht zu erahnen, mit welch irrwitziger Energie diese Stücke hier neuinterpretiert werden. Die Meute in der sehr gut gefüllten Hansa wogt tanzend hin und her, befindet sich schnell vollständig im Griff der Band. THE 50 KAITENZ setzen nur kurze Pausen, die mit Spot-on-Ansagen gefüllt werden: „Do you love the Rock’n’Roll?“ Alle schreien zustimmend. „Oh, my soul!“ Und zack, weiter! Ich erwähnte Coversongs, aber auch die eigenen Stücke gehen in Kopf und Beine und ich ertappe mich dabei, irgendwelche Laute von mir zu geben, weil ich automatisch mitsingen will. „No Gyaa!!“ heißt eine der bisherigen Platten und die ernte ich danach ab, um einen Anfang zu machen. „Wo du den Rest bekommst, weißt du ja”, gibt Gregor/Kurt mir auf den Weg.

 

 

Ein Konzert, das jede:r Besucher:in mit einem fetten Grinsen verlassen hat! Also, wer da nicht mindestens lächeln musste, der muss echt ein vollständig gefühlloser Arsch sein. Hab aber keine:n von der Sorte wahrgenommen.

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