KK’s PRIEST, XANDRIA / 16.05.2024 – Hamburg, Grünspan
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- Kategorie: Berichte aus dem Pit
- Veröffentlicht: Sonntag, 19. Mai 2024 20:48
- Geschrieben von Philipp Wolter
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Zu Beginn des KK’s PRIEST-Gigs muss ich schon etwas schmunzeln: Per Videoeinspieler gibt es zunächst ein mehrminütiges Filmchen, in dem die Relevanz der Musiker verdeutlicht wird (Untergang droht, Welt braucht Metal Gods, die sie retten usw.). Das KK-Maskottchen, der „Sinner“ mit Kapuze und Zepter, stellt sogar jeden der fünf PRIESTER namentlich und mittels Film im Film vor, sodass alle Bandmitglieder bereits Szenenapplaus bekommen, bevor sie überhaupt die Bühne betreten haben. Aber versteht mich nicht falsch: Es ist ein anerkennendes Schmunzeln. K.K. Downing lässt sich nicht lumpen, um „seine“ PRIEST von A bis Z angemessen in Szene zu setzen. Dazu gehören Funkenfontänen, Nebelkanonaden, weitere Videoscreen-Attacken und natürlich stimmt das Outfit aller Musiker, die von Kopf bis Fuß in Leder, Nieten und Heavy-Metal-Symbolik gekleidet sind. Und das ist verdammt noch mal richtig so, oder möchte jemand K.K. Downing in Shorts und T-Shirt die Klassiker zocken sehen? Davon ab: Hier wird mal richtig geliefert, aus allen Rohren gefeuert und die „Heavy Duty“ umgesetzt. Bühne frei für KK’s PRIEST:
Bilder: MJ
Nach dem kultigen Intro gibt’s eine Attacke auf alle Sinne: Die Musiker positionieren sich unter lautem Jubel und donnern mit „Hellfire Thunderbolt“ los. Aaah, wohin zuerst gucken? Im Mittelpunkt steht natürlich K.K. Downing, der in seiner klassischen Kluft aus „Screaming For Vengeance“-Tagen (leichte Modifizierungen fallen den Kenner:innen natürlich auf) eine gute Figur macht. Der Ripper hat zum Glück seine Monster-Energy-Klamotten (siehe THE THREE TREMORS-Bericht) gegen angemessene Bühnenkleidung (Leder, Nie… - na, siehe oben) getauscht und wirkt von Anfang an gelöster als in der Vergangenheit. Spannend ist natürlich der erste Blick auf die anderen drei Musiker A.J. Mills (Gitarre; er sieht aus wie ein junger K.K. und spielt göttlich), Tony Newton (Bass; sehr sympathisch, da ständig in Action und immer grinsend und mitsingend) sowie Sean Elg (Powerhouse-Drummer, Ex-CAGE, ROSS THE BOSS und u.a. bei THE THREE TREMORS aktiv). Der Opener ist gut gewählt, prescht er doch im Uptempo nach vorne und geht mit seinem eingängigen Refrain auf Anhieb in die Birne. Klar, Begriffe wie „Hellfire“ oder „Thunderbolt“ wirken ein wenig wie aus dem Heavy-Metal-Setzbaukasten genommen, aber K.K. darf das auch, hat er doch den Heavy Metal miterfunden. Das wäre ja sonst, als wenn du ein Goethe-Liebesgedicht liest und es als klischeehaft bezeichnetest. Denn die Motive hat Goethe schließlich erfunden und erst die Nachahmer haben sie zu Klischees gemacht. So ist das auch bei JUDAS PRIEST und K.K. Downing, ganz klare Sache. Das zeigt sich abermals bei den folgenden Songs „Strike Of The Viper“ und „One More Shot At Glory“. Spätestens bei letzterem Song sind ob dessen hymnischen Charakters alle Fäuste oben. Das Grünspan kann nicht als ausverkauft bezeichnet werden, aber als Besucher finde ich es genau angenehm gefüllt. Die Stimmung ist super, du hast Platz zum Bangen und kannst ohne Schmerzen zum Tresen und zurück finden.
Nun fragt uns der Ripper: „What’s my name?“ Yeah, und natürlich folgt der erste PRIEST-Klassiker „The Ripper“, den Mr. Owens ganz hervorragend in Szene setzt. Boah, da sitzt jeder Ton und jeder Scream! Die ganze Band schafft es, eine würdige Interpretation zu bieten. Wie auch für die folgenden Songs gilt, dass K.K. natürlich die meisten Soli spielt, aber A.J. Mills durchaus relevante Passagen übernimmt. Ich bin übrigens froh, einen Gehörschutz zu tragen, denn der Sound ist zwar kristallklar, aber auch saulaut. Mit „Reap The Whirlwind“ kommt ein weiterer eigener Song, bei dem der Ripper erneut alle Register zieht und sich in höchste Höhen stemmt. „Night Crawler“ sitzt dennoch tiefer in den Genen der Fans und lässt die tropischen Temperaturen im Grünspan noch weiter ansteigen. Als eines der stärksten KK’s PRIEST-Stücke erweist sich auch live „Sermons Of The Sinner“, denn gerade die Gesangslinien am Ende (toll gesungen und nicht gescreamt) würden sich auf einem der beiden letzten JUDAS-PRIEST-Alben gut machen. Nun folgt ein längerer PRIEST-Block: Mit „Burn In Hell“ geht es in die „Jugulator“-Zeit zurück und es bestätigt sich, dass die Band damals einige schön brutale Smasher geschrieben hat. „You are going to blister!“, intoniert der Ripper mit Inbrunst und wirkt, als sei er gerade selbst begeistert. Beim folgenden „Beyond The Realms Of Death“ spielt Mills die Leadharmonien im Anfangsteil. Die Atmosphäre im Raum scheint sich zu verdichten und das Stück erzeugt sicher nicht nur bei mir eine dicke Gänsehaut. Mit „Hell Petrol“, „The Green Manalishi (With The Two-Pronged Crown)“, “Breaking The Law” und einer wahnwitzigen Version von “Victims Of Changes” wildern KK und seine Bands gekonnt im PRIEST-Kosmos. Der Schrei am Ende des Songs scheint unmenschlich lange zu dauern – Extra-Applaus für den Ripper! Kommt jetzt noch der „Painkiller“ als Zugabe? Nope, vielmehr liefern KK’s PRIEST zum Abschluss eine eher entspannte Mitsingnummer, nämlich „Raise Your Fists“. Finde ich letztendlich gut, das Konzert so zu beenden, denn so weicht man etwas von der JP-Routine ab. Und gleichzeitig bildet die Gute-Laune-Nummer einen guten Abschluss.
Jo, das war ein spektakulär guter Auftritt! KK’s PRIEST haben definitiv ihre eigene Berechtigung. In wenigen Wochen wird man dann den direkten Vergleich zu Rob Halford und Co. ziehen können. Auch hier erwarte ich einiges, aber wahrscheinlich nicht so einen kraftvollen Auftritt. KK’s PRIEST haben fast ohne Pausen durchgezogen, keine Soli zwischen den Songs eingelegt und einen tollen Spannungsbogen gezogen. PRIEST! PRIEST! PRIEST!
Davor spielten übrigens unpassenderweise XANDRIA, die wir aufgrund von DB-Chaos (Baum aufm Gleis, Oberleitung kaputt…) nur sehr kurz sehen konnten. Auch die Rückfahrt verläuft abenteuerlich. Letztendlich liegen wir um halb vier Uhr im Bett – und um halb sechs klingelt der Wecker. Egal, dieses Konzert war es wert!