NAPALM DEATH, PRIMITIVE MAN, WORMROT / 11.02.2024 – Hamburg, Gruenspan
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- Kategorie: Berichte aus dem Pit
- Veröffentlicht: Mittwoch, 14. Februar 2024 17:17
- Geschrieben von Philipp Wolter
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Vor dem Vergnügen gibt’s erst mal lange Gesichter: Die in BIERMÄCHT umgetauften WEHRMACHT fallen ersatzlos aus. Ich erfuhr davon bereits am Tag zuvor durch Gerüchte im Netz. Es heißt, dass die Band schlicht nicht am Flieger erschienen sei. Bis jetzt gibt es keine weitere Aufklärung. Auch die örtlichen Veranstalter scheinen von der Entwicklung überrumpelt worden zu sein, zumindest wird im Vorfeld nichts darüber kommuniziert. Alles etwas seltsam und natürlich auch sehr schade, denn wer hätte die alte Crossover/Thrash Metal-Legende nicht endlich gern mal live gesehen? Auf ihrer letzten Tour vor 14 Jahren oder so haben sie zwar in Dänemark und den Niederlanden gespielt, Deutschland aber leider gemieden.
Die Stimmung lassen wir uns natürlich dennoch nicht vermiesen. Dreimal Lärm statt Musik, das doch immer noch mehr als der gemeine E-Musik-Honk sich in einer Woche gönnt. Richtig macht es zum Beispiel dagegen Stephan Olson, den ich heute nach SPIDERGAWD, LUCIFER und MINERALL heute zum vierten Mal in Folge treffe. Lest bei Interesse seinen Blog https://derohlsen.blogspot.com/!
Bilder von Rüdiger Naffin.
NAPALM DEATH können es sich leisten, ohne neues Album auf Tour zu gehen. Die Hütte ist trotzdem voll. Wobei die Verhältnisse heute angenehmer sind als beim letzten Hamburgkonzert an selber Stelle. Es ist nicht so drängelig voll und am Tresen geht’s auch schneller voran.
Man kann kaum alle Bekannten grüßen, da dengeln auch schon WORMROT los. Von diesen Grindern aus Singapur hatte ich bisher noch nie Kenntnis genommen, obwohl es sie bereits seit 2007 gibt. Es handelt sich streng genommen um ein Duo, doch live hilft Gabbo von IMPLORE aus. Eine gute Wahl, denn die extremen Vocals passen perfekt zum infernalischen Gegrinde der Band. Besonders faszinierend finde ich den Drummer, dessen Drumming sich in regelrechte Gewalteruptionen steigert. Die Leute steigen voll auf den Sound ein und müssen nicht lange animiert werden, um die ersten Circle Pits zu starten. Der Auftritt wird nicht eine Sekunde langweilig und hätte höchstens noch besser sein können, wenn WORMROT auch eine:n Bassist:in dabeigehabt hätten. Wobei der Sound tatsächlich auch ohne Bass fett und mächtig klingt. Eine Platte ernte ich dennoch nicht ab, diesen Stil höre ich zu Hause dann doch zu selten.
Auch schon wieder zehn Jahre her, dass ich PRIMITIVE MAN zum ersten und bis heute letzten Mal sah. Damals schieb ich: „Das Trio ist so was von schweineheavy, dass ich vor Begeisterung in die Ecke kacken könnte!“ Das unterschreibe ich noch heute und es gilt weiterhin. Wie drückend kann eine Band klingen? Quälend lange belassen es PRIMITIVE MAN bei ultraschlürfigen Walzpassagen, bei denen viele Anwesende mit geringer Aufmerksamkeitsspanne offensichtlich auf die Folter gespannt werden. Ganz selten löst das Trio die Bremse und verfällt in rohe Knüppelbarbarei. Atonaler Brüllgesang, ein Drummer, der aufs Schlagzeug einhackt, als wolle er das Ding zerstören und Bass-/Gitarrenfrequenzen, unter denen meine reingeschmuggelte Stulle vor meinen Augen zerbröselt. Dröhn!
Hach, was ist das wieder für ein Spaß! NAPALM DEATH lassen nicht nach, werden auch nach Jahrzehnten nicht im Ansatz langweilig, sondern liefern vielmehr wieder eine Show, die mein Blut zum Kochen bringt. Dabei ist Shane leider nicht dabei. Zum Glück gibt Barney Entwarnung: „Shane is not dead and he is not dying!“ Er sei auch nicht ganz schlimm erkrankt, sondern werde nur für diese Tour durch Matt Sheridan (PRO-PAIN) ersetzt. Nun, alles Gute an Shane an dieser Stelle! Die typische ND-Power ist vom ersten Song an voll da. Es ist ja auch eine Ansage, gleich mit „From Enslavement To Obliteration“ zu beginnen. In der Folge wildern die Hunde durch ihre Diskographie, wobei die Stimmung auch bei den neuen Songs siedend heiß bleibt. Besonders effektiv: „Resentment Always Simmers“, „Amoral“, „Backlash Just Because“ und „Fuck The Factoid”. Hier setzt Barney auch ab und zu seinen “Klargesang” ein, der mit seiner beschwörenden Note einen coolen Kontrapunkt zum gewohnt präsenten Brüllvortrag setzt. Dazu kommen natürlich John Cookes schrille Screams. Was auch unbedingt erwähnt werden muss, sind die wohltuend intelligenten und witzigen (!) Ansagen Barneys. Einen Antifa-Rant schließt er mit den Worten: „Fick dich, AfD!“ Darauf skandiert die Halle: „GANZ HAMBURG HASST DIE AFD“, was Barney grinsend mit „Genau“ kommentiert. Natürlich brechen bei den großen Klassikern der UK-Grinder endgültig alle Dämme bzw. intensiviert sich der Pit noch. Meine Faves: „It’s A M.A.N.S. World!“, „Suffer The Children“, „Scum“, „M.A.D.”, “You Suffer”, “Dead” und “Instinct Of Survival”. Obwohl mich ja auch die Phase der frühen Nuller Jahre komplett abholt und ich deshalb “Continuing War On Stupidity“ zu meinen Höhepunkten des Auftritts zähle. Alles da, alles auf den Punkt: die Präzision, die Brachialität, die Spielfreude und die Abwechslung.
Immer wieder NAPALM DEATH!