HOLY MOSES, TANKARD, RYKER’S, (WARPATH) / 27.12.2023 – Hamburg, Markthalle

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Es war eine große Überraschung, als HOLY MOSES im November 2022 verkündeten, dass 2023 ihr letztes Album „Invisible Queen“ erscheinen werde und die dazugehörige „Final Reign“-Tour das Ende der Live-Aktivitäten der Band markiere. Wenig später gab Sabina bekannt, dass der letzte Auftritt zusammen mit ihrem 60. Geburtstag am 27.12.2023 in der Hamburger Markthalle begangen werde. So etwas ist ja doch ungewöhnlich, gerade wenn eine Band einen derart guten Lauf hat und alle Beteiligten fit sind. Viele Musiker:innen ziehen durch, bis es nicht mehr geht und Krankheiten den Abschied erzwingen. Ich finde beide Varianten völlig in Ordnung, es sollte jedem Menschen freistehen, das Karriereende selbstbestimmt festlegen zu können. Die Realität sieht häufig leider anders aus. Insofern gilt es heute, Sabina Classen und HOLY MOSES den Respekt zu zollen, den sie für ihr Lebenswerk verdienen. 42 Jahre Thrash Metal! Als auch noch WARPATH, RYKER’S und TANKARD als Supportband angekündigt wurden, war klar, dass dieses Konzert ausverkauft und eine Riesensause werden würde!

 

HOLY MOSES

Bilder von MJ.

 

 

Leider kommen wir nicht früh genug los, um den frühen Einlass von 18:00 Uhr zu erreichen. Mehr als acht Stunden wollen wir unsere Hündin nicht warten lassen, und da man selten vor 01:00 Uhr nachts wieder zurück in Kiel ist, donnern wir erst gegen 17:00 Uhr gen Hamburg. Zu spät, um noch etwas von WARPATH mitbekommen zu können! Ich eile schon in die Halle, ohne nach rechts und links zu gucken, aber als ich ankomme, verklingt original der letzte Ton. Großer Jubel und alle, mit denen ich danach spreche, äußern sich positiv über den Auftritt. Man könnte sich damit trösten, dass man WARPATH schon unzählige Male live gesehen hat, aber die Umstände sind heute ja schon einzigartig und daher ist es schade. Ich ernte zum „Ausgleich“ immerhin die „Filthy Bastard Culture“ ab, die mir noch fehlte. Starkes Album!

 

 RYKER'SRYKER'S

 

Mit den RYKER’S verbindet HOLY MOSES einiges an gemeinsamer Geschichte. Andy Classen produzierte mehrere ihrer bekanntesten Platten und der damalige Drummer Meff spielte ja auch einige Jahre bei HOLY MOSES. Ich sah RYKER’S zuletzt 2018 im Logo und war damals schon positiv überrascht, wie gut die noch sind. 2021 folgte der Wiedereinstieg von Kid-D und 2022 das gelungene „Ours Was A Noble Cause“-Album (für mich eines ihrer besten). Und gerade Kid-D erweist sich als Sympathieträger, den man nur gern haben kann. Wer RYKER’S (immer noch oder generell) als Bollocombo einstuft, sollte sie sich mal live ansehen! „Wir haben richtig Bock! Gleich kommen TANKARD, aber ein wenig müsst ihr euch noch gedulden, ahahaha!“, die gute Laune und die Lache kommen so ansteckend, dass sich keine:r entziehen kann. Steve Römhild (Ex-EROSION) und Fusel teilen sich die Gitarrenarbeit und liefern von melodiösen Leads über fiese Slo-Mo-Walzen bis hin zu bretternden Riff-Attacken alles, was mein schmieriges Hardcore-Herz begehrt. Viele schmettern mit, als „Cold Lost Sick“, „Hard To The Core“ oder “Gone for Good” ertönen, andere tun nur so, als wüssten sie den Text, alle haben Spaß! Zum Abschluss gibt’s zu Ehren von Sabina ein geil böses VENOM-Cover von „Witching Hour“, das die Markthalle Kopf stehen lässt.

 

RYKER'SRYKER'S

 

TANKARDTANKARD 

 

Beim TANKARD-Gig herrscht Ausnahmezustand! Alle Hände sind oben, so ziemlich jede:r bangt und mosht oder wetzt im Kreis, sofern das bei der Enge überhaupt möglich ist. Gerre rennt über die Bühne und reißt eine Top-Ansage nach der anderen herunter: „Läuft wieder gut bei uns, seitdem ich mit Sabina verlobt bin!“, „Was haben wir uns früher über alte Säcke aufgeregt, die nur über Krankheiten geredet haben! Aber gerade im Backstage ging’s nur über künstliche Hüften oder die nächste Knie-OP…“. Die Songs gefallen durchgehend, da ist es eigentlich egal, ob sie neueren Datums sind („Beerbarians“, „Ex-Fluencer“), zu den Klassikern zählen („The Morning After“, „Zombie Attack“, „Chemical Invasion“) oder in der Chronologie dazwischen sitzen („Rectifier“, „A Girl Called Cerveza“, „Rules For Fools“). Es ist ja auch ein Statement für sich, dass die bekannteste Band des Abends den Support macht, um Sabina zu würdigen. Rein spieltechnisch habe ich TANKARD schon stärker gesehen, aber das ist scheißegal, denn der Auftritt haut voll rein und immer wieder muss man lachen, zum Beispiel wenn Gerre den Besucher:innen Luftküsschen zuwirft, mit seinen Pranken ein Herz formt oder neue Arten des Bühnentanzes kreiert. Mit „Freibier“ und „(Empty) Tankard“ (Kid-D unterstützt mit Background-Shouts) kommt man noch mal zum Kernthema und im Saal bricht das Mosh-Chaos aus. Super!

 

TANKARDTANKARD

 

HOLY MOSESHOLY MOSES

 

Ein langes Intro lässt die Spannung steigen, die Halle füllt sich sekündlich, nachdem alle nochmal pullern waren. Wie wird es wohl beginnen? Mit einer Ansage von Doro! Wie geil ist das denn? Die Queen Of Metal gibt sich die Ehre, um der Queen Of Thrash zu huldigen. Doro unterstreicht die Bedeutung von Sabinas Rolle im Heavy Metal der 80er („Es gab nur acht bis zehn Frauen weltweit!“) und gibt der Veranstaltung so einen würdevollen Rahmen. Nach dem DORO plays WARLOCK-Auftritt auf dem KIT Rising ist ihre Credibility bei mir ja enorm gestiegen. Dann geht's los mit gleich vier Stücken von der „New Machine Of Liechtenstein“, einer meiner liebsten HOLY-MOSES-Scheiben, nämlich „Def Con II“, „Panic“, „SSP“ und „Near Dark“. Der Sound ist hervorragend, man hört alle Instrumente und Sabinas extreme Stimme gut heraus. Der Auftritt ist von Anfang an emotional aufgeladen, was sich mit der Zeit zusehends steigert. Jede:r weiß, dass man gerade einem Stück Thrash-Geschichte beiwohnt.

 

 HOLY MOSESHOLY MOSES

 

Ich habe HOLY MOSES früh gesehen, in den Achtzigern, zum ersten Mal in Rendsburg, glaube ich, auf Touren mit SACRED REICH/FORBIDDEN, HOLY TERROR/D.R.I. und später mit OBITUARY, dazu auf Festivals wie dem Dynamo, Wacken, H:O:A oder Rock Hard Festival. Die Platten, die nach der Reunion ab 2000 kamen, gingen irgendwie an mir vorbei – bis jetzt zur „Invisible Queen“. Von der Platte kommen heute zwei Songs, „Cult Of The Machine“ und der Titelsong, die an den leicht progressiven Charakter der erwähnten 1989er Platte anknüpfen. Andere Stücke wie „World Chaos“, „Reborn Dogs“ oder „Nothing For My Mum“ klopfen das Mett etwas straighter weich. Das letztere Stück widmet Sabina ihrer Mutter, aber ohne Ironie, wie es der Titel vermuten lassen könnte, sondern vielmehr vor Dankbarkeit, weil diese Sabina immer unterstützt habe. Später wird Sabina auf der Bühne eine symbolische „goldene“ Schallplatte als Life Achievement Award“ verliehen – verdient!

 

HOLY MOSESHOLY MOSES

 

Gegen Ende geht es Schlag auf Schlag: Mit „Walpurgisnight“ wird ein Stück vom ‘85er Demo geballert (ist auch auf dem Debut), danach kommen nur noch Killer wie „Current Of Death“ und „Life’s Destroyer“. Sabina wird ein Schlauchboot zugeführt, in dem sie über den Händen der Meute durch die ganze Halle surft und natürlich kommt Andi Classen auf die Bühne, um eine brutale Version von „Finished With The Dogs“ zu schreddern und zu shouten. Damit nicht genug: Doro kommt zurück auf die Bühne und es folgt eine Art Medley aus „All We Are“ und „Too Drunk To Fuck“ (DEAD KENNEDYS). Alle beteiligten Musiker kommen hinzu, schmettern mit und feiern Sabina, würdigen gleichzeitig auch die Band, deren Mitglieder Thomas Neitsch (b), Gerd Lücking (d) und Peter Geltat (g) hiermit explizit auch erwähnt seien. Tränen, Rührung, Begeisterung vermischen sich zu einem widersprüchlichen Bad der Gefühle. Kein schlichter Abgang!

 

HOLY MOSESHOLY MOSES 

 

Fast wäre ich schon an der frischen Luft gewesen, da sehe ich, dass einige Leute HOLY-MOSES-7“s in den Händen halten. Da gibt’s doch glatt eine limitierte Single mit „Countess Bathory“-Cover (VENOM) und „Panic“-Instrumentalversion am Merch – schnell zurück und abgeerntet! Geiles Teil! Auch ich reihe mich ein und sage: Happy birthday, Sabina & Danke für den vielen Thrash!

 

HOLY MOSESHOLY MOSESHOLY MOSES 

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