SLIME, THE BACKYARD BAND / 23.12.2023 – Hamburg, Fabrik

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So langsam wird`s zum Ritual, dass man SLIME um die Weihnachtszeit herum live in der Fabrik sehen kann. Während einem das „Fest der Liebe“ förmlich aufgezwungen wird, kannste dich frei nach Gusto für oder gegen den Besuch eines SLIME-Konzerts entscheiden. 30,- Euro kostet der Spaß. Zuviel? Nicht mehr Punk? Immerhin zocken SLIME auch heute wieder 26 (!) Stücke und haben eine weitere Band dabei, die sich als positive Überraschung erweist. Aus meiner Sicht geht der Eintrittspreis daher voll klar.

 

SLIME

Bilder von MJ.

 

Noch wenige Tage vor dem Konzert ist unsicher, ob man mit dem Zug fahren kann. Streiks, Zoltan und das übliche DB-Chaos erschweren die Entscheidung. Tatsächlich geht heute wirklich alles glatt und wir kommen ohne Probleme oder Verspätungen hin und zurück. Die Umstände ähneln der Fahrt vom 22.12.2022: Auch heute ist Doom Fränk dabei und auch dieses Mal kommt er gerade frisch aus einem Urlaub. Letztes Mal war es Kuala Lumpur, dieses Mal Indien. Leider gibt es wenig Erfreuliches von diesem Urlaub zu berichten und Doom Fränk rät klar von Indien als Reiseziel ab. Diesen Anti-Tipp gibt`s gratis zum Konzertbericht dazu.

 

Wie geil ist das denn? In der Fabrik hängen Plakate für GLENN HUGHES im April 2024! Interessiert wahrscheinlich vom heutigen Publikum ausschließlich mich, aber ich gehe dafür richtig steil und knalle den Fuffi fürs Ticket noch in derselben Nacht in die Fabrikkasse!

 

SLIMETHE BACKYARD BAND

 

THE BACKYARD BAND, noch nie gehört. Vier junge Typen betreten die Bühne, der Sänger trägt ein „FCK NZS“-Shirt. Hardcore? Dass es stilistisch in eine ganz andere Richtung gehen wird, konnte man vorher schon am Gear erahnen. Und tatsächlich: THE BACKYARD BAND spielen rock’n’rolligen Blues mit Protopunk-Anteilen. Das hat Chuzpe! Hättest du 1980 den Punks auf einem SLIME-Konzert eine Bluesband vor die Nasen gestellt, hätte es Flaschen gehagelt. Aber wir schreiben 2023 und die frühen Tage von SLIME sind länger her als der damalige zeitliche Abstand zum Ursprung des Rock’n’Roll! Das Publikum ist milder geworden, verhält sich nicht mehr so asozial wie früher und hat wahrscheinlich auch echt mehr musikalischen Durchblick als einige der Suffköppe von damals. Außerdem machen BACKYARD BAND auch einfach Spaß. Der Sänger bläst wild die Mundharmonika, wenn er nicht mit voller Stimme schmettert. Der Gitarrist fährt einen geschmackvollen JOHNNY-THUNDERS-Sound und mit dem STOOGES-Cover „I Wanna Be Your Dog“ löst man einen regelrechten Pit aus. Das Publikum wird tatsächlich schnell warm mit der Band und später sieht man viele Leute mit Platten der BACKYARD BAND. Würde ich mir wieder angucken!

 

SLIMESLIME

 

Bei SLIME geht natürlich von Anfang an der Ratz ab. Die volle Fabrik pogt und feiert alte und neue Songs gleichermaßen. Die Band wirkt äußerst motiviert, der Sound ist schön druckvoll und knackig. Wie im letzten Jahr gibt es einen ausgewogenen Mix aus Klassikern und Stücken der 2022er Scheibe „Zwei“. Ich meine, dass es nur zwei Änderungen in der Setlist gibt: „Zu kalt“ ist rausgeflogen, dafür haben SLIME „Goldene Türme“ reingenommen. Und statt „Mea Culpa“ ist von der neuen LP „Wut im Bauch“ dabei. Tex ist schon länger voll drin im SLIME-Universum und überzeugt mich wieder vollständig. Ich mag bei seinen Texten am liebsten, wenn er sich von diesen „Outlaw“-Klischees löst und sich verletzlich zeigt („ich will einfach nur was spüren“, „Ich bin so dankbar, dass du in meinem Leben bist, / erst seit ich dich kenn, weiß ich was Vergebung ist“ oder „Frag mich jetzt bloß nicht, wo ich war / Lass mich einfach nur hier sitzen / Ich will nicht drüber reden“). Gelungen natürlich auch „Weil fickt euch alle“, bei dem es einen fetten Mitsingchor des gesamten Publikums gibt und Tex dazwischen würdige Personen und Gruppen zum Dissen einwirft. Wobei mir die Texte der „Schweineherbst“-Phase am liebsten sind. Insofern find ich es toll, dass sowohl Tex als auf Elf sich heute bei Stephan Mahler bedanken („falls du heute hier bist, trinken wir nachher noch was“). Für Abwechslung ist auch gesorgt, denn nach dem ABWÄRTS-Cover „Computerstaat“ (wieder von Elf gesungen) kommen zwei umarrangierte Akustikversionen von „Zweifel“ und „Gewalt“. Beide sehr gelungen! Richtig herrlich kommt der letzte Zugabenblock mit „Störtebecker“, „Linke Spießer“ und „Religion“, bei dem der Innenraum der Fabrik brodelt. Wenn ich mich auf meinen Favoriten im Konzert festlegen müsste, würde ich wohl „Alptraum“ nennen, der die Zeitlosigkeit vieler (wenn auch nicht aller) SLIME-Texte belegt. Und der auch sonst ein geiler Song ist!

 

SLIMESLIME

 

Wieder ein sehenswertes SLIME-Konzert. Nun wird die Band eine längere Pause einlegen, um ein neues Album zu schreiben. Ausnahme: einige Konzerte Ende 2024 mit TOXOPLASMA, KNOCHENFABRIK und HASS (27.12. in Hamburg, leider im Docks, da fühle ich mich immer so eingepfercht)!       

 

SLIME

Kommentare   

+3 #4 bockfred 2024-01-02 07:22
Ich hätte auch nie gedacht dass sich "Linke Spießer" gegen alle Personen aus den im Text genannten Gruppen richtet, aber natürlich schon gegen Herrn Wolter :D .
Ansonsten sehe ich es bei älteren Songs auch manchmal so dass es ein bisschen wie eine Theater Aufführung eines Stücks das in einer anderen Zeit spielt ist und man bei nicht ganz zeitgemäßen Inhalten da auch mal ein Auge zudrücken kann. Natürlich gibt es hier auch Grenzen.
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+1 #3 Philipp 2024-01-01 19:57
Aber im Ernst: Einige Sachen und (ältere) Texte sind natürlich schon klischeebehaftet. Andererseits ist es der Band durchaus bewusst, dass nicht alles schwarz oder weiß zu sehen ist, z.B. sagte Tex vor "Linke Spießer", dass seine Lebenspartnerin eine Lehrerin sei.
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+1 #2 Philipp 2024-01-01 19:52
Also da hätte ich auch nicht mitgesungen!
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+1 #1 bockfred 2024-01-01 19:42
Ich kam nun beruflich einige Male dazu diese Band live zu erleben. Ich mag das alles gar nicht bewerten, sollen die machen was sie wollen. Allerdings: diesen „Fickt euch alle“ - Mitsingpart fand ich nur sehr schwer erträglich. Wenn da Menschen geschätzt Ende Fünfzig auf der Bühne stehen und das nicht unbedingt jüngere Publikum unter anderem mit den Worten „und jetzt für alle Lehrer“ auffordert „Fickt euch alle“ zu singen… In Jugendsprache nennt man das heutzutage Cringe, würde ich sagen.
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