GAS WASSER INDIEPOP, HOTEL KEMPAUSKI, FRANK SENATOR / 02.12.2023 – Kiel, Hansa 48
- Details
- Kategorie: Berichte aus dem Pit
- Veröffentlicht: Donnerstag, 07. Dezember 2023 17:23
- Geschrieben von Philipp Wolter
- Zugriffe: 2497
Zufall, Schicksal, scheißegal? Der 02.12.2023 wird auf verschiedenen Ebenen in die Rock- und Pop-Kalender eingehen. Während in New York KISS ihre allerletzte Show überhaupt spielen, betreten in Kiel GAS WASSER INDIEPOP zum ersten Mal eine Bühne. Auf der einen Seite des Atlantiks wird das Empire State Building mit KISS-Logo und KISS-Kostümen illuminiert, auf der anderen zündet die alte Tante Hansa48 immerhin die Teelichter auf den Kneipentischen an.
Bilder von Jören Gloe.
Auf den Debutgig haben sich GAS WASSER INDIEPOP gleich zwei weitere Bands geladen, nämlich FRANK SENATOR und HOTEL KEMPAUSKI. Erstere sind mir vollständig unbekannt, sie zocken bereits, als ich den Konzertraum betrete. Die sinistren Senatoren, das sind zwei Typen in identischer Kleidung. Beide tragen ein T-Shirt ihrer Ex-Band, wird mir erzählt. Diese besaß einen Namen mit vier Buchstaben, von denen ich aber die ersten drei vergessen habe. Ich weiß nur noch, dass der letzte ein „O“ ist, denn dieses besitzt auf den Shirts die Form eines Arschlochs. Ich erfahre weiterhin, dass diese Vorgängerband noch ein Trio mit Schlagzeuger war. FRANK SENATOR hingegen setzen auf Dr. Rhythm. Sie bestätigen letztlich die universelle Faustregel „Kein Schlagzeuger = No Satisfaction“. Die Musik plätschert so dahin, textlich lassen hingegen immer wieder Passagen aufhorchen, zum Beispiel die über den „Neu-Messias“: „Ich habe nicht auf dich gewartet, viele andere aber schon.“
Es ist auch schon wieder fast ein Jahr her, dass ich HOTEL KEMPAUSKI zum letzten Mal gesehen habe. Seitdem ist die 7“ „Sternzeichen Kartoffel – Aszendent Sauerkraut“ endlich erschienen und es gab einen Line-Up-Wechsel. Herbert ist raus, den Bass bedient jetzt Lisa. Den Auftritt vom November 2022 kann die Band heute nicht ganz toppen, was aber eigentlich nur am damals übermächtigen Sound liegt. Zwar kitzelt Joscha sicherlich alles aus der Anlage, aber die Räumlichkeiten der Hansa sind bestimmt undankbarer zu beschallen als die der Bude (langer Schlauch, hohe Decke). Dennoch gibt es Aspekte, die mir heute positiv auffallen, z.B. Lisas Gesangspassagen, die dem ganzen HOT-KEMP-Bild eine Nuance hinzufügt, die mich an diverse Rachut-Projekte erinnert. Auch ist Schrammi nicht zu bremsen, verteilt Schellen für platte Metaphern, Rockstarscheiße, rechtes Spießertum oder Foodtruckfestivals in Güstrow. Mein persönliches Highlight stellt heute „Pünktliche Punks“ dar, bei dem Melli wieder mitschmettert. Das Ding fräst sich tief in meine Birne und verweilt dort mantrahaft: Pünktliche Punks! Pünktliche Punks! Pünktliche Punks! Geil auch der Typ neben mir, der bei Schrammis Ansage zu dem Stück erst skeptisch fragt, was denn pünktliche Punks seien, dann aber nach der Entgegnung „Leute, die immer zu spät kommen“ anerkennend nickt.
Die Spannung steigt, die Hütte ist voll (aber so richtig)! GAS WASSER INDIEPOP, das sind Horst Pillau Jr., JoyBoy, Kocky und Ufo. Quasi DIE BULLEN ohne Hannes, aber dafür mit Jochen. Und dann wieder doch nicht, denn stilistisch führt dieser Vergleich völlig in die Irre. Pop, Indie, Elektro und Punk(-Attitüde) verbinden sich zu einem recht eigenständigen Gesamtmix. Tatsächlich greifen GWI Elemente und Motive von KZIMALLP auf, spielen sogar Stücke der Band in umarrangierten Versionen. „Das wabert so geil!“, ruft eine Besucherin neben mir aus. Darüber denke ich lange nach. Und komme zu dem Schluss: Die hat Recht. Wabern ist überhaupt eine musikalische Qualität, die viel zu selten als solche benannt wird. Googelt mal „geiles Geballer“ – ihr erhaltet 35.700 Ergebnisse. Inflationär, kann jede:r. Aber „geiles Gewaber“, dafür spuckt Google lediglich 1390 Ergebnisse aus! Mir fällt auf, dass sich JoyBoy, Kocky und Ufo souverän zurückhalten und Horst Pillau Jr. so umso mehr Raum zur Entfaltung lassen. Das heißt nicht, dass ihr Beitrag nicht essentiell wäre – JoyBoy wechselt zum Beispiel gekonnt die Instrumente und sorgt für erbaulichste Klangeffekte sowie tolle Backgroundgesänge. Aber es ist Jochen, der die Geschichten erzählt. Da muss einiges Autobiographische von der Festplatte, welches von Kindergarten, Schule, Frustration, musikalischer Sozialisation bis hin zur Eskalation alles abdeckt. Wobei „Und immer noch nicht gebumst“ hier in einer modifizierten, ruhigeren Version auf akustischer Gitarre kommt. Passt. Herrlich auch „Einsames Mulero“, welches alle Köpfe zum Wippen bringt. Weil es halt geil wabert.
Ein äußerst gelungener Debutauftritt war das! Die Zukunft bringt hoffentlich keine 3D-Avatare, sondern eine Platte. Ernte24? Ich wäre dabei.
Kommentare
Alle Kommentare dieses Beitrages als RSS-Feed.