RATS OF GOMORRAH, SOUL GRINDER, DIVIDE / 13.10.2023 – Kiel, Schaubude
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- Kategorie: Berichte aus dem Pit
- Veröffentlicht: Sonntag, 15. Oktober 2023 12:25
- Geschrieben von Philipp Wolter
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DIVIDE sind tot, es leben RATS OF GOMORRAH!
Erstaunlich viele Besucher:innen sind nicht im Bilde, das merke ich in mehreren Gesprächen. Dass DIVIDE sich nicht wirklich auflösen, sondern in derselben Besetzung als RATS OF GOMORRAH weitermachen, hat sich noch nicht herumgesprochen, als der Abend beginnt. Ein Anlass zur Trauer wäre es also höchstens, falls ab jetzt Songs der DIVIDE-Frühphase wegfielen und Moritz & Daniel nur noch brandneues RATS-Material spielen. Und falls man eben totaler Fan dieser DIVIDE-Frühphase ist. Ich persönlich finde ja, dass die letzten Sachen (v.a. die „Oblitherion“-Scheibe) das Beste ist, was die Band je kreiert hat. Anyway, die Bude ist bereits knackvoll, als wir reineiern. Erfreulich, wie viele Leute gekommen sind! Ich kann auch gerade noch Getränke holen, da setzen DIVIDE bereits zum finalen Auftritt (unter diesem Namen) an. Here we go, bang that head that doesn’t bang:
Bilder von MJ
Immer wieder erstaunlich ist es für mich, wie geil DIVIDE klingen, obwohl die Band lediglich aus zwei Menschen besteht. Es wirkt mittlerweile nicht mehr so, als ob da etwas fehlt. Klar, man kennt das von einigen Duos wie MANTAR, INCARCERATION oder so und natürlich benutzt Daniel Effekte bzw. mehrere Amps, aber die Wirkung ist derart massiv, dass es fasziniert und zum Musikgenuss sowie Headbangen einlädt. Wir werden die Band demnächst auch mal zum Interview bitten und inquisitorische Fragen zum Geheimnis ihres Sounds stellen. Fakt ist, dass Tonmeister Bocky den Klang heute genial einfängt, es klingt monströs heavy und dennoch an den richtigen Stellen differenziert. Das Gitarrenbassinferno wirkt, als würden zwei gigantische Ketten aneinander reiben und ein mahlendes Geräusch produzieren. Nach einem derartigen Sound habe ich mich bereits unbewusst als Kind gesehnt und meinen Kopf immer auf die Bahnschienen gelegt, wenn ein schwerbeladener Güterzug sich näherte. DIVIDE donnern in einigen Songs auch im ICE-Tempo ihre Stücke runter, wobei sie es ebenso draufhaben, in doomiges Tempo herunterzuschalten. Vor fast allen Nummern gibt es erläuternde Ansagen, die stets herrlich selbstironisch ausfallen. „Der nächste Song hat einen aus heutiger Sicht eher peinlichen Titel – ‘Numinous Stillbirth‘ – was man halt in jungen Jahren so schreibt, wenn es richtig evil klingen soll“ (Daniel). Moritz ergänzt, dass die beiden gern darüber scherzen, dass sie zu fünft begonnen hätten und jeden anderen Musiker mit der Zeit vergrault hätten: „Den nächsten Song hat zum Beispiel Benjamin mitaufgenommen und wir haben gefragt, ob er heute mitspielen wolle – wollte er nicht“… Schließlich kommt aber doch ein zusätzlicher Bassist hinzu, was Moritz wie folgt erklärt: „Das ist mein Bruder, der konnte nicht Nein sagen.“ Ja, sehr geil, everybody gut drauf, am Ende großer Jubel und nicht zuu viele Tränen, denn nun wissen ja alle, dass heute noch RATS OF GOMORRAH kommen. R.I.P., DIVIDE!
„Dazwischen spielt noch irgendeine Band. Kenne ich nicht.“, sagte ich vorher noch. Stimmt zwar, aber als ich Roman am Schlagzeug erblicke weiß ich, dass ich zumindest den Namen hätte kennen müssen, denn er hatte mir unlängst davon berichtet, dass er bei SOUL GRINDER aushilft. Dass ich ansonsten noch nichts von den Bremer Todesmetallern gehört hatte, überrascht mich, denn sie haben bereits zwei Longplayer veröffentlicht. Und die Qualität des Songwritings sowie der gesamten Darbietung ist absolut überzeugend. In zeitloser VADER-Manier ballern und grooven die Stücke, sodass das Publikum komplett ausrastet. „Richtig geile Band“, grölt ein der Redaktion bekannter Besucher. Der hat Recht! Groove und Melodien reißen mit, klingen einerseits vertraut, aber doch hinreichend eigenständig. Was Roman (AEBA) an den Drums abzieht, ist eine Show für sich, der Freak feuert Blastbeats und Midtempo-Patterns mit schweißtreibender Energie ab. Sehr gut gefallen mir auch die schmissigen Riffs sowie die abwechslungsreichen Vocals. Ohne dass auch nur im Ansatz von Melodic Death Metal gesprochen werden kann, brennen sich doch wiederholt Hooks ins Gedächtnis ein. Große Überraschung, werde ich mir wieder angucken.
Ruckzuck geht der Umbau vonstatten, Moritz und Daniel sind zurück, nun unter dem schönen Namen RATS OF GOMORRAH. Es ist noch schwer zu sagen, ob die RATS sich stilistisch von DIVIDE unterscheiden. Den Worten der Band zufolge ergab sich irgendwann ein anderes Grundgefühl, welches sich in Stücken wie „Rats Of Gomorrah“ oder „Rise Of The Baphomoth“ manifestiert habe. Wie ich bereits zum Review der „Oblitherion“-Platte schrieb, fallen diese Songs vielleicht etwas eingängiger aus, peitschen, schleifen und hämmern gleichzeitig mit unbändiger Wucht auf den/die Hörer:innen ein. „Krank“ ist mittlerweile ja ein Jugendwort geworden, was Kids für Dinge benutzen, die sie toll finden (irritierend: „Mama, das Essen ist voll krank“), aber als Pro-Sprachentwicklungs-Mensch sage auch ich: Geil krank. Zu „Death Metal Punks“ kommt ein Gastsänger hinzu, Tjark, der eine Dude von SACRIFIZED (die ja mittlerweile auch als Duo agieren). Was für eine Hymne, die ihrem Titel gerecht wird und aus Dutzenden Kehlen mitgeträllert wird! Gleiches gilt für das ASPHYX-Cover vom „Deathhammer“, der wie für die RATS geschrieben zu sein scheint. Die Band lässt es sich wie üblich nicht nehmen, Szenekritik zu üben. Moritz kommt nach vorne und analysiert, dass die Metalszene keineswegs so toll und familiär sei, wie viele das immer behaupten. Ein Safe Place sei sie eigentlich nur für weiße Männer, die nicht reflektierten, ob sie beim Moshen im Pit vielleicht jemanden ausschließen. Oder die bei rassistischen, sexistischen oder diskriminierenden Inhalten einfach weghörten, diese sogar tolerierten und somit dafür verantwortlich seien, dass sich entsprechende Grauzonenärsche und/oder Rechtsoffene bis explizit Rechte in der Szene breitmachten. Es müsse sich also vieles ändern! Right on, Danke für diese Worte!
Ein herrlicher Abend mit vielen tollen Gesprächen war das! Death Metal Punks unite!