WAYFARER, HAVUKRUUNU, FLAGRAS / 20.04.2023 - Kiel, Alte Meierei

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Ich fange mal langsam an zu zählen: 1, 2, 3, 4, ... das kann ja noch dauern ... 5, 6, 7, 8 ...
 
Chief of Staff Commander Herb und seine Chaos Brigade haben heute Abend geladen und zwar die Black Metal Kanone (sorry!) bis zum Anschlag. Wer den Lärm will, der soll ihn haben - so steht es geschrieben - denn keiner sonst hat ihn mehr verdient. Also hin da! 9, 10, 11, 12, ... 

 

WAYFEARER


 
Flagras aus Kiel stehen zuerst da, wo der Zimmermann die Bretter zusammengenagelt hat. Der Lateiner weiß: Flagro - ich brenne, flagras - du brennst, aber(!) flagrabimini - ihr werdet gebrannt. Und das werden wir! Unter rotem Licht steigt unheilvoll der Rauch sterbenden Feuers empor. Aus den Boxen entweicht fluchend der atmosphärische Black Metal des schwarz gekleideten und corps gepainteten Fünfers. Hier und da rotieren die ersten Rüben und Fäuste gehen nach oben. Auf schnellere Parts folgen auch mal langsame und verdichten so die Atmosphäre des Gesamtwerkes. Gleichsam verhindern sie ein Gefühl beschleichender Monotonie, die andere Bands dieser Richtung wenigstens bei mir erzeugen. Über dem Bass, den 2 Gitarren und dem Schlagzeug krächzt die Stimme des Sängers die Texte in hiesiger Sprache. Sicherlich würde er uns gerne sagen, dass alles einen Sinn hat und alles gut wird - aber er kann es nicht. Kein Wort der Zuversicht ist zu finden und wer gerade seinen Job verloren hat oder aber der, dessen Hund heute ohne große Abschiedsworte einfach weggelaufen ist, steht hier definitiv am falschen Ort - oder gerade am genau richtigen Platz - wer weiß das schon? Das Publikum ist begeistert. Meine letzten Worte: Flagrabam - ich brannte. 27, 28, 29, ...

 

FLAGRAS


 
Hunde, Katzen, Pferde - das sind die Lieblingstiere dieser Erde. Da macht Tilli, die Wellensittichdame meiner Tante Frieda, große und traurige Augen und zwitschert geknickt ein leises "Una Paloma Blanca". Was hat das jetzt mit Havukruunu zu tun? Das wissen echte Fans der eben genannten Band wohl am besten! Und davon gibt es am heutigen Tag reichlich und vor der Bühne füllt es sich noch mehr. 36, 37, 38, …

Die irren Finnen beginnen gleich mit ordentlich Geknüppel und werden ihr Set eine Stunde später auf gleiche Weise beenden. Und dazwischen? Herrscht hier die Tristesse des mit Volldampf bearbeiteten Schlagwerkes? Nein, mitnichten! Zwar überrollt uns gerne mal eine tobende Blast Beat Welle, aber dazwischen ist auch Zeit für etwas ruhigere, fast „folkige“ Momente, die mich (und vermutlich nur mich) an die hoffnungslos unerfolgreichen Skyclad erinnern. Der ansonsten durchaus als barsch zu bezeichnende Gesang des Sängers Stefan [sic!] wechselt auch gerne mal in klare Tonlagen und wird – verstärkt durch andere Bandmitglieder - mehrstimmig. 45, 46, 47, …

Meistens jedoch verharrt er in den aggressiven Niederungen des Fauchens, Grunzens und Keifens und erinnert mich damit an die rüden Durchsagen des Kapitäns des Lufthansafluges LH-1307 kurz vor der Landung in Beirut. 2005 wurde die Musikgruppe bereits gegründet und brauchte bummelig eine Dekade für die Veröffentlichung ihres ersten Albums. Diese fast schon „Pentagram“sche Arbeitsweise zieht sich auch durch den Rest des Œuvres: Ungeschliffen, roh aber erdig und gleichsam ehrlich kommt das Geschaffene daher. On Top gibt es auch mal ein Soli oder sogenannte „Fette Chöre“ erklingen. 55,56,57,...
 
Da alle Texte auf Finnisch sind, verstehe ich außer "Perkele" natürlich kein Wort. Ich erkläre mir den Inhalt der Lyrics aber wie folgt: Der Jarl oder auch gemeinhin der Landvogt ruft seine Krieger zu den Bannern - er will den Turm des örtlichen Hexenmeisters belagern. Das ist der Grunzgesang. Es kommt aber keiner, also ist der Landvogt aber mal so richtig sauer und trampelt deswegen auf eigenem Schild und eigener Rüstung herum. Das ist der Fauchgesang. Seine Krieger hören dies, versammeln sich vor dessen Hütte und stimmen sogenannte "Fette Chöre" an, um den Landvogt zu besänftigen. Das ist der erste "Fette Chor". Hernach reiten sie dann doch zu dem besagten Turm. Auf dem Weg stimmen sie erneut sogenannte "Fette Chöre" an, um sich Mut machen. Das sind die zweiten "Fetten Chöre". Und dann?!? Stille - wären sie besser zu Hause geblieben. Wir sind es aber nicht und so endet ein super Auftritt. 72, 73, 74, ...
 
War eben gespieltes Liedgut sogenannter Viking Metal, wie es andere Metal Schmonzetten - die teilweise erheblich mehr Niveau vorweisen können als diese hier - im Internet schreiben? Ich weiß nicht mal, was das sein könnte. Also Viking Matel....Niveau sowieso nicht. Keiner der Finnen hatte einen Hörnerhelm auf, derweil der Sänger immerhin einen schicken Umhang umgebunden hatte. Dürften Finnen überhaupt Viking Metal spielen oder ist dies bereits kulturelle Aneignung? 81, 82, 83,...

 

WAYFEARERHAVUKRUUNU

 

Eines ist aber ganz klar und das ausnahmsweise auch mal ohne Ansage von Diggen. Wer aus Denver, Colorado kommt, darf Cowboy Black Metal spielen! Mighty-as-a-Sixshooter Wayfarer next. Plötzlich ist es 12 Uhr mittags bzw. High Noon in Tombstone oder Dodge City oder was-weiß-ich-wo. Erwartet uns jetzt etwa eine krude Mischung, in der plötzlich ein Banjo auftaucht und 2 Lieder später auch noch mit so einem Sack gedudelt wird?


Sheesh! Wer sowas denkt, zieht sich die Cowboystiefel mit der Brechstange an. Hier hat etwas gaaaanz Feines den Weg über den großen Teich gefunden. Wie eine in Panik geratene Rinderherde donnert das Schlagzeug derweil 2 tiefer-gestimmte Gitarren und ein Bass erstmal gar nicht nach Black Metal klingen. Dafür ist die ganze Chose zu schwer und zu massiv. 94,95,96, ...

 

Immer wieder klingen die Western – oder wie man heute sagt „Americana“ - Einflüsse durch, die Geschwindigkeit wird gebremst und/oder eine Gitarre nimmt den Verzerrer zurück und wandelt auf semi-akustischen Pfaden. Das ist die Ruhe kurz bevor sich am O.K. Coral der erste Schuss (vermutlich damals abgegeben von Wyatt Earp) löst und all-hell-loose bricht. Geschrei setzt ein und kehliges Gebrüll übernimmt den Part des Erzählers. Das ist nicht nur gut, das ist super! Mega super!

 

Wer erinnert sich nebenbei noch an die Radio Sendung „Im Westen was Neues“ mit der großartigen Dagmar „Kentucki-Daggi“ Kressin damals auf Welle Nord (oder Welle Wild West, wie sie selbst immer süffisant sagte)? Die verrückte Nudel war sich ja für rein gar nichts zu schade und spielte auch gerne mal – sehr zur Verärgerung der restlichen Sendeanstalt – den Truck Stop Marathon über mehrere Stunden. Da wusste jeder im Sendegebiet, dass der Wilde Westen am Maschener Kreuz liegt und sich auf der Raststätte Klökenfeld eine Schießerei anbahnt. Aber das nur dazu. Also weiter im West, würde sie sagen. Höhö...so eine verrückte Nudel.

 

Langsame Stellen mit Klargesang erinnern an Wovenhand oder 16 Horsepower, etwas schnelle stellenweise an die legendären Fields of the Nephilim und irgendwie schwebt da majestätisch auch noch Primordial über dem ganzen. Da hat jemand den Sack zugemacht. Da passte auch nicht mehr rein! Ach, und die ganz schnellen und geknüppelten Stellen erinnern an Geknüppel, das vermutlich wohl doch Black Metal sehr nahe kommt. Also auch diese Fraktion kann sich schadlos halten. Da kann man durchaus vermuten, dass der Wanderer am Ziel angekommen ist. 97, 98, 99, ...


„Wir können nicht glauben, dass in so einem entwickelten (sophisticated im Original) Land wie Deutschland sich Menschen unsere Musik über Revolverhelden (Gunslinger im Original) anhören“, erklärt die Band. Naja, manche hören hier auch die Amigos oder Opern Metal mit ner Opern Sängerin vorneweg...das dazu. Grüße hier auf die Schnelle an alle, die demnächst nach Wackingen tigern. Keine Ahnung, wie ich jetzt darauf komme. Muss mal erlaubt sein. 100(!), 101, 102, …

 

WAYFEARERWAYFEARER

 

Nach Trespasser der nächste Kracher der ICB – und der Erfolg gibt ihnen Recht. 103 Gäste habe ich bisher gezählt und da hinten stehen auch noch welche. „Stand up and be counted“, textete mal eine Band, die heute nicht gespielt hat. Natürlich wird für günstige 10 Euro auch noch eine CD der Amerikaner „abgeerntet“. Diese rotiert seitdem auf Heavy Rotation – sehr zum Leidwesen der Kollegen - im Büro.

 

Klasse und Danke! Das nächste Mal nehme ich aber Cowboyhut und/oder Plastikschwert mit...

Bewertung: 5 / 5

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