HELSTAR, SÖLICITÖR, ARMORY / 14.04.2023 – Hamburg, Bambi Galore

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Ein positiver Nebeneffekt von Festivals ist es, dass viele Bands eine (kleine) Tour aus ihrem Trip machen, gerade wenn sie eine längere Anreise haben. So haben Festivals wie das KEEP IT TRUE über das reine Event hinaus einen enormen vitalisierenden Effekt auf die Szene. HELSTAR waren natürlich über die Jahre immer präsent, aber wenn ich unsere DreMu-Datenbank ansehe, gab es länger kein Klubkonzert in Hamburg. HEADBANGERS OPEN AIR, METAL ASSAULT, METAL CITY und KEEP IT TRUE finde ich dort, aber HELSTAR als Tourheadliner sah ich zum letzten Mal in den Achtzigern in der Markthalle, ein legendäres Konzert mit MINOTAUR und VENDETTA. Die Tatsache, dass heute in Form von SÖLICITÖR und ARMORY auch noch zwei meiner Lieblingsnewcomer dabei sind, macht das Erscheinen zur Heavy Duty, der ich mit Freude nachkomme!

 

HELSTAR

Bilder von Tobias Piwek. 

 

Herrliche Zugfahrt mit Heavy Metal Smalltalk, alles pünktlich und noch Zeit für etwas Streetboozing und weiteres HM Geschwätz, so muss das sein! Was Bambi-Flo uns so alles an Plänen für die Zukunft verrät, erweckt innere Hitzewallungen, aber alles top secret, keine Spoiler hier.

 

ARMORYARMORY

 

Die Schweden ARMORY haben mit „Mercurion“ ein Hammeralbum veröffentlicht, welches ich so gut finde, dass es für mich sogar aus dem grandiosen Katalog von DYING VICTIMS herausragt. Speed Metal mit Science Fiction-Image, irgendwie passt das super zusammen, da bin ich wohl von AGENT STEEL geprägt. Das gilt sicher auch für die Schweden, brettern diese doch mit ähnlicher Manie und Geschwindigkeit über das Bambi herein. Boah, was für ein Orkan, ab nach vorne und das Haupthaar geschüttelt! Die Band sieht herrlich aus, denn Leder, Nieten und Sonnenbrillen sind nun mal geiler als Jogginghosen auf der Bühne. Wenn ich von Gebretter und Speed spreche, darf allerdings nicht verschwiegen werden, dass ARMORY gleichzeitig hemmungslos melodisch sind. Nehmt zum Beispiel den Track „Hunters From Beyond“, der Top-Gangshouts mit Ohohoho-Chören kombiniert. Sänger P. Andersson hat sowohl Aggro-Shouten, hysterisches Screamen als auch klassischen Klargesang auf der Pfanne. Zwischen den Songs gibt es mehrfach Sci-Fi-Intros vom Band und irgendwann kommt ein Alien auf die Bühne und feiert die Musiker kniend ab. Yeah, ich hoffe, dass es diese Sorte Aliens ist, die zuerst auf der Erde landet statt den Borg oder so. Mit den Krachern „Deep Space“, „Wormhole“ und „Phantom“ endet der furiose Gig.

 

SÖLICITÖRSÖLICITÖR 

 

Auch SÖLICITÖR überzeugen bereits rein optisch. Blickfang ist zweifellos Sängerin Amy Lee Carlson, die mit ihren Tattoos, selbstgeschneiderten Lederklamotten und zahlreichen Accessoires wie ein Gesamtkunstwerk (Mad Max trifft Heavy Metal trifft Kneipenchefin im Problemdistrikt) aussieht. Props gehen auch an den Schlagzeuger raus, der Regenbogenfarben trägt. Beide EPs und der Longplayer pfeffern aber natürlich auch ohne diese Optik rein musikalisch alles weg. Speed Metal mit Heavy Metal, würde ich sagen. Alle Elemente bringt die Band auf die Bühne, und erfreulicherweise sogar noch intensiver als auf den Tonträgern, was sowohl für die rasant fräsenden Riffs gilt als auch für die melodischen Elemente. Bei dem Song „Betrayer“ singt spätestens beim zweiten Refrain das ganze Bambi mit. SÖLICITÖR konzentrieren sich in der Setlist vor allem auf den „Spectral Devastation“-Longplayer, von dem außer dem genannten noch „Blood Revelations“, „Leathür Streets“, „Night Vision“ und „Terminal Force“ kommen, wenn ich mich nicht irre. Eine so gute, gleichzeitig komplexe und melodische Gitarrenarbeit hat man länger nicht von einer NWOTHM-Band gehört, ich muss an CHASTAIN, LIEGE LORD oder ZNÖWWHITE denken. SÖLICITÖR räumen komplett ab. Ich freue mich jetzt schon auf den KIT-Auftritt (SÖLICITÖR werden den Samstag eröffnen)!

 

HELSTAR 

 

James Rivera, heute zum Glück ohne sein Graf-Zahl-Vampirgebiss, ist gut drauf und feiert mit HELSTAR in seinen Geburtstag hinein. Happy birthday! Spannend ist natürlich die Frage, wer von den alten HELSTAR-Mitstreitern noch so dabei ist. Immerhin Larry Barragán, der wiederholt mit „Larry! Larry!“-Sprechchören gefeiert wird! Man merkt, dass HELSTAR nicht nur für mich eine Herzensband sind. Kommerziell insgesamt wohl leider komplett unterm Radar der Metalmassen geblieben, haben sie doch diverse Klassiker geschaffen, zugegenermaßen auch einige weniger gelungene stilistische Schlenker hingelegt. Seit einiger Zeit besinnt man sich auf die Kernidentität, diese flirrenden Gitarren, den sirenenhaften Gesang und den ganz eigenen, irgendwie fließenden Groove der Band. Zum Glück sind auch die neuen/neueren Mitglieder fähig, genau diesen Geist aufleben zu lassen und lassen die Extrem-Metal-Einflüsse etwa der „King Of Hell“-Phase vergessen, auch die eher hölzerne Performance der RIVERA-Coverband vom letzten HOA wird um Längen übertroffen. Der Bassist Garrick Smith spielt einen Fünfsaiter mit den Fingern, was nicht bei jeder klassischen Metalband passen würde, hier aber gut funktioniert. Er und der Drummer Alex Erhardt (springt für Michael Lewis ein) erzeugen einen höllischen Groove und die Basslinien haben diesen perlenden Effekt wie man ihn z.B. von DEATH zu „Human“-Zeiten kennt. Zusammen mit dem zweiten Gitarristen Andrew Atwood spielt die Rhythm Section offenbar auch in der Combo THE SCOURGE. Los geht’s mit „Dark Incarnation (Mother Of The Night)“ von der letzten Scheibe (2021), bevor es Old-School-Granaten hagelt. „Evil Reign“, „Leather And Lust“, „Abandon Ship“, „Winds Of War“, “To Sleep, Per Chance To Scream”, “Dark Queen”, “Burning Star”, “The King Is Dead”, “Baptiized In Blood” und “Run With The Pack” sind alle dabei, so dass ich persönlich wunschlos glücklich bin. Auch die neueren Songs wie “Black Cathedral” und “Pandemonium” fügen sich da gut ein. James Rivera ist mega bei Stimme und liefert ab wie vor fünfunddreißig Jahren, freut sich über sein Geburtstagsständchen und bringt kichernd seine Vampirjokes. Wer so gut altert, darf sich aber auch als Untoter feiern lassen! Auf die nächsten 630 Jahre!

 

Bombe! Und jetzt: KEEP IT TRUE!

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