HEAVY HAMBURG HALLOWEEN III / 29.10.2022 – Hamburg, Markthalle

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Noch am Vortag dieses Festivals ist unklar, ob ich es überhaupt besuchen kann. Denn wir (VLADIMIR HARKONNEN) spielen selbst am Freitag in Marburg. Das ist ja schon eine Strecke bis Hamburg und bei so ‘ner Krawallcombo stellt sich immer die Frage, wann man am nächsten Morgen (oder Mittag?) loskommt. Dazu kommt die Verkehrssituation, der Stau vorm Elbtunnel kann ja alles killen, was du planst. Oder dein Gitarrist kloppt dir aus Versehen sein Instrument ins Gesicht. Passiert halt alles mal. Deswegen hole ich mir im Vorfeld keine Karte und harre der Dinge. Doch tatsächlich kann ich pünktlich und unversehrt in Stellingen aus dem Bandbus springen, mit den Öftis gen Markthalle knattern und bekomme immerhin noch die letzten Songs des Openers PSYCHOPUNCH mit. Here we go, Punschlippen-Alarm in Hamburch:   

 

NIGHT DEMON

Fotos von Silvia Blaser.

 

Die alten Rotzrocker habe ich ewig nicht live gesehen. Um 2006 – 2008 waren die Schweden sehr aktiv und zockten die Festivals rauf und runter. Damals gab es so viele Bands in der ungefähren Stilrichtung, dass PSYCHOPUNCH bei mir etwas unterm Radar liefen. Heute würde ich sagen: unberechtigterweise! Denn die Jungs haben Power, Bock und MOTÖRHEAD’schen Dreck am Start. Dazu kann man ihnen eine gewisse Ausstrahlung nicht absprechen. Vielleicht sind sie auch einfach besser geworden. Auf jeden Fall werde ich da demnächst wohl doch mal zur Ernte schreiten müssen und dem Haushalt ein paar PSYCHOPUNCH-Tonträger zufügen.

 

PORTRAITPORTRAIT

 

PORTRAIT! Ich bin ja schwerer Fan seit Anbeginn an. Also erwartet hier keine objektive Kritik – kriegen werdet ihr hemmungslose Lobhudelei. Die aber auf allen Ebenen berechtigt ist. Dafür sprechen Fakten wie das konkurrenzlos gute aktuelle Album „At One With None“, die leidenschaftliche Performance der gesamten Band und die Reaktionen des Publikums. Nicht zuletzt darf man auch konstatieren: Diese Band sieht einfach cool aus, da bleibt der Jogger mal schön im Tourbus! Leder, Nieten, nackte Oberkörper, so mag ich meinen Heavy Metal. Der Sound muss anfänglich erst noch perfekt geregelt werden. Ich denke mal, dass es gar nicht so einfach ist, die Feinheiten der detailreichen Gitarrenarbeit und des hohen Gesangs Per Lengstedts aufeinander abzustimmen. Mit jedem Moment wird’s aber geiler, bis die erste Gänsehaut mir den Rücken hochkrabbelt. „Beast Of Fire“, „Phantom Fathomer“, „Burn The World“ oder „Ashen“ bombardieren alle Sinne. Mir fällt im Publikum wieder mal ein Typ auf, der eine Art Diadem aus elastischen Goldfransen mit sich trägt, welches er “hat of doom” nennt und gern den jeweils spielenden Musiker:innen zuwirft. Keine Ahnung, wie der Kerl heißt und was der genaue Hintergrund ist. (Wer Näheres weiß, darf gern einen Kommentar hinterlassen.) Die Bands kennen das Spiel meist schon, so auch PORTRAIT. Per Lengstedt setzt sich den „Hut“ aber nicht einfach auf, sondern wickelt ihn sich wie ein Stirnband um die Omme. Kommt gut. So sieht er eher aus wie ein edler Björn Borg statt wie eine Ilona Staller.

 

PORTRAITPORTRAIT 

 

WYTCH HAZELWYTCH HAZEL

 

Juhu, immer wieder WYTCH HAZEL! Überzeugten sie gerade erst auf dem KEEP IT TRUE RISING II, bin ich doch schon erneut bereit für den Kuss der Haselhexe. Es soll ja Leute geben, welche diese Band nicht mögen. Diese Kreaturen verdienen unser Mitleid, haben sie doch das Licht nicht erblickt, die Schönheit der WYTCH-HAZEL-Melodien nicht erfasst. Was für wunderbare Gitarren, was für ein herrlich anrührender Gesang. Ich könnte das täglich hören. Mach ich auch (na gut, fast). „Still We Fight“, „I Am Redeemed“, „Spirit And Fire“ und „Wytch Hazel“ locken Hunderte von entrückt lächelnden Headbanger:innen vor die Bühne. Niemanden stört es, dass die Texte christlich ausgerichtet sind. Ist ja auch wumpe, den ganzen Blasphemiekram, den Black-Metal-Bands so äußern, ertragen wir schließlich auch. Da finde ich die Texte und die Attitüde von WYTCH HAZEL eher erfrischend. Dass als nächstes ausgerechnet SATAN auf die Bühne kommen, ist natürlich schon ein netter Treppenwitz. Anyway, erneut haben die UK-Barden himmlisch abgeliefert und sich längst eine eigene Nische zwischen PAGAN ALTAR und THIN LIZZY erspielt. 

 

WYTCH HAZELWYTCH HAZEL 

 

SATANSATAN 

 

SATAN haben uns dieses Jahr wirklich verwöhnt. Ich sehe sie heute bereits zum dritten Mal innerhalb weniger Monate. Und es ist kaum zu glauben, aber SATAN setzen heute qualitativ noch einen drauf! Der Sound ist perfekt, die Gitarren schaffen eine pulsierende Atmosphäre und Brian Ross hat richtig Laune. Er grinst angesichts der nach jedem Stück lauter werdenden „SATAN! SATAN!“-Sprechchöre, sorgt mit einer gebieterischen Miene für Ruhe und erklärt dann, dass man diese Chöre besser nicht in der Schlange des nächsten Supermarktes erklingen lassen sollte. Nach dem nächsten Song wiederholt sich die Szene, wobei das Publikum auf seine Geste hin wie ein Mann verstummt. Alle? Nein, nicht alle – ein Typ schreit enthusiastisch weiter: „Satan! Satan!“ Brian sinkt theatralisch in sich zusammen und kommentiert trocken: „There’s always someone, isn’t it?“ Aber natürlich sind nicht die Ansagen der Grund dafür, dass diese Band heute den ersten Platz abräumt. Nope, es sind die durchweg hochkarätigen Songs, die mit brennender Leidenschaft und traumwandlerischem Zusammenspiel dargeboten werden. Obwohl ich die Band schon so oft gesehen habe, haut sie mich wieder aus den Latschen und ich freue mich darüber, dass die neuen und neuesten Stücke ebenso abgefeiert werden wie die Klassiker. Ich sag nur „Incantations“! Was für eine Gitarrenarbeit, geradezu magisch! Oder „The Doomsday Clock“. Oder „Twenty Twenty Five“.

 

SATANSATAN

 

 

Gute Preise, gute Besserung! Äh, Quatsch, passt gar nicht. Gute Songs, gute Gesänge, wollte ich sagen. THE OTHER schmiegen sich natürlich als Horror-Punkband eng ins Halloween-Konzept des Festivals ein. Masken, Corpsepaint, Graf-Zahl-Umhang. Gleichzeitig fallen sie aus dem musikalischen Rahmen, was ich aber positiv sehe. Ich kann es eh nicht ganz verstehen, dass manche Leute Metal hören, aber Punkrock ablehnen. Ohne den 80er UK Punk oder den frühen US Hardcore/Punk kann man die Genese des Speed/Thrash Metal eigentlich nicht verstehen. Wobei sich THE OTHER natürlich eher auf die guten alten MISFITS beziehen, denen bekanntlich ein ganzes Genre folgt. Die Songs pflügen pfeilschnell und hochmelodisch durch die PA. Letztendlich schlagen sich THE OTHER gut, denn auch wenn einige Besucher:innen den Slot für ein Päusgen nutzen, so hörst du danach an diversen Ecken den Satz „besser als erwartet“.

 

NIGHT DEMONNIGHT DEMON 

 

NIGHT DEMON – Alter, waren sie jemals SO GUT? Das ist schon fast eine Frechheit, dass Jarvis Leatherby trotz Wrestlermaske perfekt singt! Moment, Maske? Ja, alle Bandmitglieder haben sich heute entsprechend kostümiert. Die Hunde stehen halt auf Halloween und alles, was damit zusammenhängt. Insofern ist es nur konsequent, dass der erste Song nach dem Intro (wie gewohnt „Night Of The Demon“) das MISFITS-Cover „Halloween“ darstellt. Danach folgen natürlich die eigenen Hits, von denen es bekanntlich eine ganze Menge gibt. Trotz der bisher lediglich zwei Longplayer! Von denen stammen „Screams In The Night“, „Heavy Metal Heat“, „The Howling Man“, „Dawn Rider“, „Scream Of The Manticore“ (yeah!) sowie “Darkness Remains”. Dazu kommen Stücke der zahlreichen Singles (“Empires Fall”, “Kill The Pain”, “Vysteria”), zwei EP-Brecher (“The Chalice“ samt Maskottchen-Auftritt & „Night Demon“) und das THIN LIZZY-Cover „The Sun Goes Down“ (bestes ND-Cover!). Wie immer dengeln NIGHT DEMON locker sieben Songs am Stück herunter, bevor es die erste Ansage gibt. Jarvis und Armand rennen trotz ihrer Kostüme wie die Gestörten über die Bühne und pumpen eine Wahnsinnsenergie in die ausflippende Meute. Ein einziger Triumphzug. Jetzt freue ich mich auf die bald erscheinende dritte Platte!

 

NIGHT DEMON 

 

Ein bisschen verbrauchte Luft ist nicht zu leugnen, als PRIMORDIAL die Bühne betreten. Sieben Bands sind vielleicht einfach etwas viel, zumal das Publikum eher auf True Metal fixiert ist. Aber wer bleibt, erlebt eine eindrucksvolle Show. So machtvoll habe ich die Band jedenfalls noch nicht erlebt. Alan Averill besaß schon immer Bühnenausstrahlung, heute wirkt er gar wie besessen, wie ein manisch Getriebener. Mit bleichem Leichengesicht und einer Henkersschlinge um den Hals schreit, singt und krakeelt er seine Botschaften heraus. Der Gesamtsound hat im Vergleich zu früheren PRIMORDIAL-Konzerten an Härte zugewonnen, was ich auf Platte gar nicht unbedingt so wahrnehme. Gleichzeitig schälen sich die keltischen Einflüsse harsch aus dem Klangbild. Extrem eindringlich kommen „Where Greater Men Have Fallen“, „No Grave Deep Enough“, “Bloodied Yet Unbowed”, “As Rome Burns”, “To Hell Or The Hangman”, “Heathen Tribes”, “The Coffin Ships” oder auch “Empire Falls”. Plötzlich ist auch der Kerl mit dem “hat of doom” wieder da und wirft Averill selbigen zu. Dieser fängt ihn, schleudert ihn jedoch hinfort und erklärt: „I love you, XY, but I won’t wear your hat.“ Das passt.

 

 

Ein prall gefüllter Tag, der durch den exzellenten Sound und die gewohnte Markthallen-Wohlfühl-Atmosphäre alle Bands in bestmöglicher Form gezeigt hat. Für mich persönlich war nichts Neues dabei, im Gegenteil hatte ich jede Band bereits mehrfach live gesehen, aber alle wirkten überaus motiviert. Mein Highlight: SATAN, aber eigentlich das gesamte Festival. Gern wieder!

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