PASCOW, DUESENJAEGER / 19.02.2023 – Hamburg, Markthalle
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- Kategorie: Berichte aus dem Pit
- Veröffentlicht: Donnerstag, 23. Februar 2023 17:25
- Geschrieben von Philipp Wolter
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PASCOW machen Alben, die man immer wieder hören will. Für mich eine der besten Punkbands zurzeit. Aber was heißt „zurzeit“! Die Band zieht mittlerweile auch schon seit 25 Jahren durch. Früh machte sich ein eigenständiger Stil bemerkbar. Die unverwechselbare Stimme von Alex Pascow (richtig: Thomé) macht einen Teil der Faszination aus, dazu kommen die geilen Melodien, die sich hartnäckig festbeißen. Und nicht zuletzt haben viele PASCOW-Songs Texte, die sich von anderen Bands abheben. Man merkt bei den Konzerten, dass sie vielen Leuten aus der Seele sprechen, wenn sie die öde Entwicklung deutscher Großstädte ansprechen, die ab einem bestimmten Punkt immer ähnlicher aussehen („Wo ich gestern Nacht aufs Maul bekam / ist jetzt ‘ne Juicy Bar“ – „Monde“). Gleichzeitig sehe ich in den Texten eine geradezu literarische Qualität, jedenfalls erinnern mich die Figuren, die sie in Texten wie „Kriegerin“ oder „Wunderkind“ besingen, an Romane von zum Beispiel Wolfgang Herrndorf (R.I.P.). Also handelt es sich bei PASCOW um gute Beobachter und wahrscheinlich auch um Leseratten. Bei den Konzerten kommt natürlich noch was dazu: Hier wird geballert, bis der Arzt kommt! Und zwar so, dass kein Dr. Sommer mehr helfen kann, höchstens der von Lemmy vielfach besungene „Rock’n’Roll Doctor“ (knarz, röchel: „I’m Your Doctor, baby!“)! Aber was laber ich, rein in die herrliche und ausverkaufte Markthalle!
Bilder von MJ.
Herrlich im Gegensatz zu vielen, nein eigentlich allen anderen Schuppen vergleichbarer Größe. Gestern waren wir im Grünspan bei NAPALM DEATH und hatten noch Glück, da wir von der Galerie aus gut gucken konnten. Hier kannst du durch den genialen Aufbau mit den Treppen überall die Sicht genießen und bei Interesse dennoch den Schweiß der Umstehenden schnuppern. Ist nichts Neues, klar, aber angesichts der gerüchteten Umbaupläne bange ich in letzter Zeit schon um diesen geliebten Ort. Auch wird ja nicht mehr so viel gebucht, was eigentlich hierher gehört. Das bestätigt mir auch die Crew der Markthalle, die mir sagt, dass sie sich Konzerte wie das heutige gern wieder häufiger wünscht!
DUESENJAEGER stoßen auf reges Interesse, die Markthalle füllt sich, kaum jemand bleibt im Foyer. Und manche tanzen vom ersten bis zum letzten Song, singen mit und machen Krach. Ist auch nachvollziehbar. EA80-Düsternis trifft auf Befindlichkeits-Punk. Alte Schule, neue Schule im Gleichgewicht. Ich komme nicht ganz so rein, aber DUESENJAEGER gehen auf jeden Fall klar. Sie existieren übrigens seit dem Jahr 2000, wollten sich mal auflösen, wurden aber einer Ansage des Sängers zufolge von den befreundeten PASCOW dazu animiert, zurückzukehren. Gelungene Reanimation.
Zwei Tage Markthalle, beide ausverkauft. Als PASCOW loslegen, bebt der ganze Laden, der Innenraum besteht aus einem riesigen Klumpen hüpfender Leiber. Das ist nur logisch, denn die Band pumpt auch eine gewaltige Menge Energie in Instrumente und Kehlen. Damit haben sie mich damals schon gekriegt, als wir irgendwo im Pott mal Vorband waren mit BONEHOUSE. Shoegaze geht anders, in der Hinsicht praktizieren PASCOW lieber die AC/DC-Schule – abgehen, bis man durchgeschwitzt ist bis auf den Schlüpper. Alle wirbeln über die Bühne, sofern möglich, Alex wirft sich wiederholt auf den Boden, während Bassist Flo auf die fetten P.A.-Boxen springt. Häufiger als früher kommt eine Gastsängerin dazu, heute ist es Hanna Landwehr. Die zusätzlichen Gesangseinsätze sind eine gelungene Ergänzung, kommen die Melodien so gänzlich zur Entfaltung. Wahnsinn, wie laut das Publikum mitsingt, und das nicht nur bei den Refrains! „Jade“ ist recht früh im Set gleich so ein Ultrahit mit den schönen Zeilen „Himmel auf für das Geballer / hört einfach nie mehr auf / denn so lange sie spielen / wird dieses Rattenloch / zum besten Platz der Stadt“. Wobei sich streng genommen Highlight an Highlight reiht, super zum Beispiel auch „Die Realität ist schuld, dass ich so bin“, welches Alex auf das Ende dieses Tourblocks bezieht („Seit vier Tagen wach…“). In den Stücken „Kriegern“ („Let them eat cake / let them drink coke / let them eat cake“), “Äthiopien die Bombe” und “Silberblick und Scherenhände” treffen Melancholie und Triumph auf faszinierende Art aufeinander. Bei „Silberblick…“ ist der Mob wirklich außer Rand und Band, was für ein Supersong! Auch viele der neuen Songs vom aktuellen Killeralbum „Sieben“ kommen bereits an wie die seit Jahren bekannten Stücke. Wie gut ist zum Beispiel „Mailand“, in dem ja auch Hamburg erwähnt wird: „Politik hört einfach auf / Du weißt es und du liebst es auch / Dass Hamburg heute Nacht Angst hat / Vor den letzten Anarchisten dieser Stadt“, was die Markthalle besonders freut. Auf demselben Niveau befinden sich „14 Colakracher“, „Gottes Werk und Teufels Beitrag“, das bereits erwähnte „Monde“ sowie „Königreiche im Winter“, bei dem Alex und Hanna abermals zusammen singen bzw. sich abwechseln („Auf dem Baum bei den toten Fabriken / Haben wir uns Rache geschworen / Du die Königin im Ritzen / Und ich als König hab immer gelogen“). Hanna Landwehr bekommt auch einen Solospot und spielt eine vollständig ergreifende Version von „Wunderkind“. Auf Platte ist der ja schon gut, aber Hanna holt auf der Akustischen und mit ihrer Stimme glatt noch mehr aus dem Stück heraus – Gänsehaut. „Wurdest geboren als Geist / und solltest so leben / doch wer nichts hat / dem kann man auch nichts nehmen“. Auch der DUESENJAEGER-Sänger kommt für einen Gesangsbeitrag dazu, was die freundschaftliche Beziehung der Bands unterstreicht. Am Ende gibt’s noch ein AGAINST ME-Cover und natürlich „Trampen nach Norden“ – „ihr Ficker!“
Knaller! Ich habe das Konzert sehr genossen, obwohl die Nacht davor kurz war und wir uns beim Aufbruch noch ziemlich lädiert fühlten. Aber so ist das – kaum triffst du all die bekannten Gesichter (und das waren mal viele heute!) und kaum hörst du das erste Lied, bist du wieder voll da. Ein letztes PASCOW-Zitat: „Zur Hölle mit all den Zweifeln / Für das hier hab ich Halt / Und ich will nicht wissen / Was jetzt richtig ist“ („Himmelhunde“).