NAPALM DEATH, DROPDEAD, SIBERIAN MEAT GRINDER, ESCUELA GRIND / 18.02.2023 – Hamburg, Gruenspan

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1981 gegründet könnten NAPALM DEATH mittlerweile Jubiläumstouren unter dem Motto „40 years in Grind“ oder so durchführen. Doch das scheint offenbar nicht ihr Ding zu sein, benennen sie ihre aktuelle Touraktivität doch schlicht und zeitlos „Campaign For Musical Destruction“. Hört und sieht man sich die Birminghamer Legende an, mag man es ja auch kaum glauben, dass sie schon so lange Musik zerstört. Erfreulich ist dabei, dass die Läden langsam, aber sicher größer werden und ein Schuppen wie das Gruenspan mittlerweile ausverkauft wird (800 bis 1000 Leute, schätze ich). Die Nachteile daran sind recht hohe Eintrittspreise um 35,- Euro und die Enge, die ein ausverkauftes Grünspan eben mit sich bringt. Wir sind früh dran und entscheiden uns spontan für luftige Plätze auf der Brüstung. Zufällig fällt uns beim Jackenabgeben nämlich auf, dass der „Balkon“ noch völlig leer ist. Diese Entscheidung stellt sich als ziemlich geil heraus, können wir doch den ganzen Abend über hervorragend gucken. Aus Erfahrung weiß man ja, dass es vor der Bühne knalleng wird, was einige nervige Nebeneffekte mit sich bringt. Von solchen bleiben wir gänzlich befreit, zumal der Sound auch oben gut ist und sich dort sogar ein zusätzlicher Tresen befindet. Ich habe länger nicht aus dieser Perspektive zugeguckt (eines der SLAYER-Konzerte im Docks habe ich diesbezüglich noch gut in Erinnerung) und finde es zur Abwechslung mal ganz witzig.

 

NAPALM DEATH

Bilder von MJ. 

 

ESCUELA GRIND

 

Die mir bis jetzt völlig unbekannten ESCUELA GRIND (USA) erweisen sich als positive Überraschung. Es gibt eine Mischung aus Power Violence, Grindcore und Death Metal, die mit viel Power und guter Laune vorgetragen wird. Sängerin Katerina Economou rennt hin und her, stampft passend zu den Breakdowns auf und wirbelt schreigrunzend umher. Obwohl es noch früh ist, strömen die Besucher:innen ins Grünspan und spätestens nach ein, zwei Songs kann man sagen, dass ESCUELA GRIND vor voller Hütte spielen. Die Energie der Band steckt an, das Publikum ist gleich voll dabei, was ja nicht selbstverständlich für einen Opener ist, den kaum jemand kennt. Neben diversen Quatschansagen nutzen ESCUELA GRIND die Bühne, um sich gegen Rassismus und Sexismus auszusprechen. Insgesamt komme ich zum Urteil, dass die Songs zum Teil etwas zerfahren wirken, das Ganze aber gerade live gut kickt. Die LP sieht mit Klappcover, interessantem Artwork und grünem Glow-in-the-dark-Vinyl so schick aus, dass ich später sogar zur Ernte schreite (-> Ernte23, ne).

 

ESCUELA GRINDESCUELA GRIND 

 

Huch, SIBERIAN MEAT GRINDER hatte ich mir ganz anders vorgestellt! Oder präziser: Ich dachte bis jetzt, dass ich diese Band schon mal irgendwo gesehen hatte. Das scheint aber ein Irrtum oder eine Verwechslung zu sein, denn in meiner Vorstellung klangen sie recht HipHop/Rap-lastig. Tatsächlich enthält im heutigen Set lediglich ein Song Sprechgesang, der generelle Stil entpuppt sich als Thrash Metal mit Crossover-Einschlag in Richtung SUICIDAL TENDENCIES. Die Gitarren erinnern mich in Sound und Spielweise sehr an die Venice-Legende. Der Sänger trägt den gesamten Auftritt über ‘ne Bärenmaske, später kommt sogar ein Kollege im Ganzkörper-Bärenkostum auf die Bühne. Während Strecker neben mir etwas von „Plagiat“ murmelt, überlegen andere Besucher:innen, ob der Bär die russische Version von Eddie sein mag. Ob das alles eine Kritik an Putins Politik darstellt, entzieht sich meiner Kenntnis, da Vladimir The Grand Tormentor (v) sich nicht näher erklärt und Song-/Albentitel wie „Join The Bear Cult“, „Metal Bear Stomp“ oder „Enter Bearface“ alle möglichen Deutungen zulassen. Während textlich also Fragezeichen bleiben, fallen SIBERIAN MEAT GRINDER musikalisch besser als erwartet aus.

 

SIBERIAN MEAT GRINDERSIBERIAN MEAT GRINDER 

 

Fast fünfzehn Jahre ist es her, dass DROPDEAD in der Hafenvokü spielten (siehe Review), heute gibt’s endlich ein Wiedersehen. Der sicke Gesang von Bob Otis ist auf den ersten Hör wiederzuerkennen, auch war damals bereits Drummer Brian Mastrobuono dabei, meine ich. Sein Stil, dieses lockere Blasten aus dem Handgelenk, hatte mich jedenfalls schon damals sehr beeindruckt. KILLBITE-Kumpel Ballo schreibt am nächsten Tag, dass DROPDEAD nicht auf eine große Bühne mit Securitygraben passten und im Grunde in schmuddelige Squats gehörten. Ich kann das zum Teil nachvollziehen. Einerseits kommt ihr Turboviolence Hardcore/Punk auf dieser Anlage monströs mächtig, andererseits merkt man besonders bei den Ansagen, dass die US-Veteranen (gegründet 1991) sonst vor einem anderen Publikum spielen. „Mit euch linken Zecken möchte ich gar keine Revolution!“, pöbelt ein Besucher auf eine von Bobs Ansagen hin. Wir lachen uns zwar kaputt, aber ein Kernproblem zeigt sich hier ja schon: Wenn Otis davon spricht, dass wir etwas bewegen könnten, wenn wir in so großer Zahl zusammenkommen, geht er von einer Art Konsens aus, den alle Besucher:innen teilen. Es ist aber doch ziemlich unrealistisch, dass sich 1000 NAPALM-DEATH-Hörer:innen auf gemeinsame politische Ziele einigen könnten, von der Art und Weise, wie diese erreicht werden sollen, mal ganz zu schweigen. Am besten finde ich Bob Otis‘ Ansagen immer dann, wenn er konkreter wird und zum Beispiel über grausame Tierversuche und die Wichtigkeit der Durchsetzung von Tierrechten spricht. Die Mucke knallt durchgehend, viele Songs ballern klar unter der Zwei-Minuten-Grenze ins Hirn.

 

DROPDEADDROPDEAD 

 

NAPALM DEATH sind und bleiben ein Phänomen. Egal, was sie anpacken, alles ist perfekt gespielt und ballert dabei mit unerhörter Vehemenz. Der stilistische Bogen reicht von Death Metal Nummern wie „Suffer The Children“ und „I Abstain“ über die Grind-Eruptionen „Scum“, „Siege Of Power“ & „You Suffer“ bis hin zu experimentellen Hybriden wie „Invigorating Clutch“, „Backlash Just Because“ oder „Contagion“. Und alles passt wunderbar zusammen! Ich liebe es ja schon, wie die Band aussieht, obwohl das eigentlich scheißegal ist. Aber wenn Shane in so einem bunten Hemd über die Bühne eimert, auf der anderen Seite Gitarrist John Cooke krustiger denn je müffelt und dazwischen Barney gewohnt hektisch zuckt, gehen meine Mundwinkel automatisch nach oben (gewohnter Fels in der Brandung: Danny Herrera mit brutal-präzisem Spiel). Barney gelingt es mal wieder, Themen wie Homophobie oder Rassismus anzusprechen und wiederholt auf Zwischenrufer einzugehen, die ihre Songwünsche gen Bühne brüllen („not today, my friend, sorry“). Manche Riffs kommen superheavy, dazu Barneys fette Growls, dann folgt wieder ein Stück mit SWANS-artigen Noise-Attacken und klaren Vocals mit Megahall, da drehste doch durch! Mit zwei Coverversionen verweisen NAPALM DEATH auf zwei ihrer Einflüsse, zunächst BAD BRAINS („Don’t Need It“), später selbstverständlich DEAD KENNEDYS‘ „Nazi Punks Fuck Off“, der ist ja nicht aus der Setlist wegzudenken. Ich kann schwer abschätzen, wie oft ich NAPALM DEATH jetzt live gesehen habe, es dürften über 30 Konzerte sein. Nie waren sie auch nur ansatzweise langweilig, im Gegenteil, mich hauen die wirklich jedes Mal aufs Neue um. So, jetzt höre ich mich erst mal rückwärts durch die Discografie. YOU SUFFER, BUT WHY!    

 

NAPALM DEATHNAPALM DEATH

Kommentare   

+2 #2 Philipp 2023-02-21 18:34
Ja, wundert mich auch. Habe übrigens schon gemutmaßt, ob ich sie mit MDB verwechselt hatte. Ich möchte das auch nicht bewerten. Wobei MDB sich ja zumindest früher sehr explizit geäußert haben.
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+2 #1 bockfred 2023-02-21 18:08
SMG waren nun schon so oft in der Saufbude, wundert mich dass du die anscheinend noch nie gesehen hast. Zur politischen Haltung von SMG: es gibt personelle Überschneidungen mit MDB und What We Feel. Wie laut sich Menschen aus Russland dann direkt zu Putins Politik äußern und ob sie es mehr tun sollten möchte ich aus meiner behüteten Komfortzone lieber nicht bewerten.
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