ENZO Festival / 12.08.-13.08.2022 – Wagersrott
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- Kategorie: Berichte aus dem Pit
- Veröffentlicht: Dienstag, 07. Februar 2023 16:04
- Geschrieben von Philipp Wolter
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Eigentlich schreibe ich Konzertreviews gern möglichst bald nach der erlebten Veranstaltung, das ist ja klar. Aber gerade die Nachbetrachtung der Festivals erweist sich häufig als sehr zeitaufwändig. Während du noch am Bericht des letzten Festivals schreibst, packste praktisch schon die Klamotten fürs kommende Wochenende zusammen. In diesem Jahr gab es im Umfeld der erweiterten DreMu-Familie zudem einen Todesfall, weswegen wir mit dem Wackenbericht gehörig ins Stocken kamen. Und zack! prasselten schon die Einzelkonzerte auf uns ein, eine wahre Flut, gerade nach Corona. So blieben ENZO, KEEP IT TRUE RISING II und HEAVY HAMBURG HALLOWEEN bisher ohne Bericht. Da ich DreMu ja ein bisschen als mein (durchaus nützliches!) Tagebuch ansehe, nerven mich diese Lücken immer. Und so wird diese Scharte nun ausgewetzt. Die Schwierigkeit dabei: Was weiß man sechs Monate später überhaupt noch? Ich versuche es mal…
Bilder von MJ
Flashback August 2022: Nach IRON MAIDEN (Berlin), dem METALHÖHLE OPEN AIR, dem HEADBANGERS OPEN AIR samt Warm-Up sowie WACKEN geht es endlich wieder aufs ENZO. Leider musste das Festival wie so viele andere ja 2020 und 2021 pausieren, sogar das ENZO WALDFESTIVAL wurde kurzfristig abgesagt (zum Glück spielten die SPERMBIRDS stattdessen im Kieler Luna). Der Bock ist prall, das Wetter spielt mit. Dennoch können wir dieses Jahr nicht hier verweilen und zelten, sondern fahren der Hundeliebe wegen zwischen.
Immer noch gilt: Man geht beim Enzo durch ein Tal, welches den Bühnenbereich vom Campingplatz trennt. Vorsicht ist geboten, denn dieser Weg birgt nicht nur ehebliche Unwuchten im Boden, sondern auch frische Kuhfladen. Eigentlich bleibe ich gern auf dem „Infield“, gucke mir möglichst viele Bands an und vermeide es, ständig hin und herzulatschen, gerade auch weil wir durch das Zwischenfahren die ersten und letzten Bands jeweils verpassen. Das bringt mich leider zu einem Kritikpunkt: Wie schon 2019 gibt es lediglich einen Biertresen und der wird, das muss ich leider so deutlich sagen, derart schlaftablettig bedient, dass die Grenze des Erträglichen überschritten wird. Daran darf sich in Zukunft gern was ändern, denn die Wartezeit ist wirklich absurd. Es ist unmöglich, sich während eines Auftritts ein Getränk zu holen, denn dann verpasst man ab diesem Punkt den gesamten Rest der Darbietung. Ich habe keine Ahnung, warum das auf dem ENZO nicht funktioniert, vielleicht sollte die Crew sich mal auf anderen Festivals inspirieren lassen, beim HEADBANGERS OPEN AIR läuft das zum Beispiel top, obwohl da eher noch mehr durstige Kehlen versorgt werden müssen und auch nicht mehr Personal zur Verfügung steht. Oder das VITT-FEST, das einfach vier und fünf Bierpilze aufs Gelände wuchtet. Erweitern könnte man auch die Zahl der Fressstände, denn es gibt es nur einen Wurstgrill und sonst nix. Gut, den Crêpes-Stand habe ich zwar wahrgenommen, aber hatte der überhaupt mal geöffnet? Abends jeweils nicht, zudem ist so’n Crêpe ja auch eher ‘n Nachtisch.
AFFENMESSERKAMPF
Von einer auf Bühne 1 spielenden Band bekommen wir von weitem die volle Animationsklatsche mit. Die erste Band, die wir aber wirklich und komplett sehen, sind AFFENMESSERKAMPF. Hannes haut auch gleich einen Diss gen Hauptbühne raus. Der Mob geht vollständig ab, vor der Bühne ein einziges Gewimmel. Mit Recht, denn die AFFEN liefern! Wahnsinn, was Hauke für einen Punch ins Spiel bringt, das hebt die Band schon mal von anderen ab. Dazu haben wir noch die gewisse Prise Rock’n’Roll, die sich charmant ins Geballer einschleicht. Und natürlich Hannes, der sich seit TACKLEBERRY-Tagen heftig weiterentwickelt hat. Das gilt nicht nur für die Texte, sondern auch für die reine Gesangsleistung. Ich weiß gar nicht genau warum, aber diesen Auftritt empfinde ich als einen der besten, den ich bisher von AMK gesehen habe. Der Sound ist mächtig und die Affen stoßen wie angedeutet auch auf ‘ne geile Resonanz, das macht halt Spaß. Höhepunkte: u.a. „Bundeswehr-karriere.de“, „Ich so, Typ romantischer Rebell“ und „Affenmesserattitüde“.
TEQUILA AND THE SUNRISE GANG
ZELLEN
Der Knaller ein wenig später auch die ZELLEN auf derselben Bühne! Auch hier tobt ein unermüdlicher Pit vor der Bühne. Wie schön ist das, dass sich so viele Leute entweder an die ZELLEN erinnern oder sich spontan von ihnen begeistern lassen. Denn diese Band strahlt völlig ungebrochen diese Begeisterung und Power aus, die ich beim Besuch meiner ersten HC/Punk-Konzerte verspürt habe. Besonders Jan ist wieder mal äußerst agil und springt nur so auf der Bühne herum, bringt zudem seine Ansagen mitreißend auf den Punkt. „Dieser Sommer“ ist zwar zum Zeitpunkt des Gigs noch nicht vorbei, der Text erzeugt dennoch Gänsehaut und überhaupt brennt sich der Moment, als ZELLEN das Stück spielen, tief ins Gedächtnis ein. Geil!
NH3
Unter dem mir unbekannten Namen NH3 erwartet uns eine italienische Ska/Hardcore-Band. Das ist weniger mein Stil, auch wenn ich immer mal eine gute Band aus diesem Genre gesehen habe (SKA-P, NO RESPECT…). NH3 weisen dann doch eine deutliche HC-Schlagseite auf und versprühen Energie, sodass es sehr voll vor der Bühne wird. Nicht nur vor, sondern auch auf der Bühne, denn der Sänger lädt den Mob zu sich ein, und viele Besucher:innen nehmen die Einladung an. FUGAZIs „Waiting Room“ zu covern, ist jetzt nicht superoriginell, die Version kommt aber frisch rüber und alle schmettern mit. Ich bin mir nicht mehr ganz sicher, glaube aber, dass noch ein weiterer Coversong dabei war, von SUICIDAL TENDENCIES vielleicht.
Obwohl es jetzt schon 02:00 Uhr ist, rennen viele Leute im Anschluss gleich zu DJ Bert rüber und tanzen direkt weiter. Find ich ja super, wie bekannt der Kollege mittlerweile geworden ist!
WEDGE
Am Samstag bekommen wir noch ein paar Songs von WEDGE mit, bevor das HOTEL seine Gäste an der Rezeption empfängt. Kommt mir in der Erinnerung wie früher Morgen vor, tatsächlich ist es nach 18:00 Uhr und es haben bereits fünf Combos gezockt. WEDGE bleiben mit einer Mischung aus Rock’n’Roll, Fuzz und Heavy Psych positiv in Erinnerung. Würde und werde ich mir nochmal angucken.
HOTEL KEMPAUSKI
HOTEL KEMPAUSKI liefern danach einen guten Auftritt, der sie allerdings noch nicht mit der Wucht zeigt, die sie später noch entwickeln werden (siehe November-Bericht aus der Bude). Hinreichend Power, um die Zombies aus den Zelten zu wämsen, hat der Gig aber natürlich. Und so füllt es sich von Song zu Song mehr, leider auch vor dem Bierstand. Schrammi reagiert gekonnt auf Zwischenrufer, lädt mehrere Gastsänger:innen dazu und serviert mit „Pünktliche Punks“ einen monströsen 42-Sekunden-Banger, dessen Text hier jetzt in voller Länge zitiert wird: „Reihenendhaus / Morgens früh raus / Hecke schneiden / Leise reden / Tatort oder Rennsport / Nüchtern werden / pünktlich sterben / Pünktliche Punks / Pünktliche Punks / Pünktliche Punks / Pünktliche Punks“. Einen Bonuspunkt bekommt Olli für sein HEART-T-Shirt (verrückterweise habe ich exakt eine Woche zuvor ANN WILSON live gesehen)!
MAD SIN
Wir hängen ein bisschen länger in unserer Hood rum, bevor wir rechtzeitig zu MAD SIN wieder aufs Gelände schlumbumbern. Wow, ich hatte zwar Bock, aber auf eine derartige Rock’n’Roll-Party hatte ich nicht zu hoffen gewagt. Viel zu lange hatte ich MAD SIN nicht mehr live gesehen, tatsächlich offenbar 2008 in der Pumpe, also vor – schluck! – vierzehn Jahren. Wie damals jagt Köfte springend, schwitzend und schreiend über die Bretter, während seine Band dem Mob Feuer gibt, die Gitarristen pirouettenhaft herumwirbeln. Punk, Rockabilly, Rock’n’Roll verschmelzen harmonisch und aufs Dreckigste, „Ace Of Spdes“ ist so tief in die DNA der Band eingedrungen, dass es fast nicht mehr wie ein Cover wirkt. Ich glaube, MAD SIN sind sogar mein ENZO-Höhepunkt, so viel Spaß macht dieser Auftritt, der von Flammen, Pyros und Funkenregen begleitet wird.
Grandioses Festival, ein Rausch aus Farben und Tönen. Nur das mit dem Bier war doof. Aber die Musik und all die Leute und das Miteinander sind ja wichtiger. Dieses Jahr geht’s weiter! Rock’n’Roll!
Bewertung: 5 / 5
