SLIME, BILL COLLINS / 22.12.2022 – Hamburg, Fabrik

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Selten hab ich so Bock darauf gehabt, eine Band bereits zum dritten Mal innerhalb eines kurzen Zeitraums zu sehen! Es macht einfach Spaß, mitzuerleben, wie SLIME einen x-ten Frühling erleben, wie sie der eigenen Legende neues Leben einhauchen. Kürzlich las ich ein interessantes Interview mit Marcus Wiebusch, der zum Thema Reunion sagte, dass er sich eine solche keinesfalls vorstellen könne und reine Nostalgieveranstaltungen ablehne. Als Beispiel führt er SLIME an. Nun weiß ich nicht, ob Wiebusch die aktuellen SLIME schon live erlebt hat. Ich schätze mal nicht, denn das Spannende an Auftritten wie dem heutigen ist ja gerade, dass die Setlist zu ca. 50% aus ganz neuen Songs von der „Zwei“ besteht! Wer es genau wissen möchte: Zwölf von insgesamt 27 (!) gespielten Stücken stammen vom aktuellen Album (sogar 13, wenn man „Ebbe und Flut“ als „Zwei“-Song zählt). Dazu kommt, dass auch viele der alten Lieder mit Tex anders klingen. Wobei ich auch die drei letzten Alben mit Dicken sehr gerne mag. Aber stürzen wir uns ins Getümmel der offenbar ausverkauften Fabrik:

 

SLIME

Bilder von MJ. 

 

Die Hinfahrt im Regio verläuft erbaulich. Doom Fränk hat beim Pferderennen in Kuala Lumpur eine ganze Stange Geld gewonnen. Da er den Schotter nicht mit ins Grab nehmen könne, habe er ihn gleich ausgegeben und zwar für eine Rolex. Die wiederum sei in vielerlei Hinsicht nützlich. So könne sie im Falle eines Überfalls als Pfand für sein Leben dienen. Besorgte Fahrgäste fragen Doom Fränk, ob er denn nicht Bedenken habe, dass ihm ein ganz ruchloser Übeltäter gleich die ganze Hand abhacken könnte (samt SAINT-VITUS-Fingerring), doch der frischgebackene Rolexträger entgegnet gelassen, dass dies ohne das originale Echtheitszertifikat keinen Sinn ergäbe.

 

BILL COLLINSBILL COLLINS 

 

Vor SLIME ist wie auf der letzten Tour wieder ein Mensch mit Akustikgitarre auf der Bühne. Doch anders als DAN GANOVE im Knust kann mich BILL COLLINS durchaus unterhalten. Der Kerl spielt(e) auch bei MDC, FANG oder SWAGGERTS und hat zusammen mit Elf ein Projekt namens RABBLE ROUSERS am Start. Der Background ist somit bereits interessant, die Musik besitzt Punkwurzeln, welche um Einflüsse von JOHNNY CASH bis WOODIE GUTHRIE ergänzt werden. Bill Collins spricht selbst von Acoustic Oi und von Gewerkschaftsliedern. Manche der Stücke könnte man sich auch gut mit klassischer Besetzung in Punkrockform vorstellen, nicht zuletzt, weil Bill dazu schreit, pöbelt und spuckt. Wenn der Americana-Einfluss deutlicher wird, singt er regelrecht melodisch. Am Ende des Sets kommt Elf dazu und es gibt ein kurzes RABBLE-ROUSERS-Set mit zwei Gitarren. Klingt ganz geil, zumal die beiden eine originelle Version von „Bullenschweine“ präsentieren. Natürlich in Bills Muttersprache und zwar mit dem Titel „Trump You Liar“. Statt des bekannten Refrains „Wir wollen keine – Bullenschweine“ singen die beiden „Trump You Liar – you’re fuckin‘ fired!“. Netter Auftakt.  

 

SLIMESLIME 

 

Kurzes Intro und ab geht’s! Wie schon auf den letzten Konzerten hat die Band eindeutig Bock, spielt druckvoll & tight und lässt sich auch mit der Spieldauer nicht gerade lumpen. Ich erwähnte bereits eingangs, dass die Setlist 27 Songs umschließt, was ich ziemlich amtlich finde. Langweilig wird es dabei zu keinem Zeitpunkt. Gibt es Unterschiede zu den anderen Konzerten, die ich bisher von SLIME mit Tex gesehen habe? Nun, zunächst ist Tex stimmlich heute fitter. Beim Knust-Auftritt war er etwas heiser, was zwar nicht wirklich als störend auffiel, aber heute singt er doch mit mehr Dampf in den Lungen. Die Stimmung ist heute vielleicht sogar besser, die Leute singen sehr laut mit und pogen von vorne bis ins hintere Hallendrittel. Welchen Laden man lieber mag, ist Geschmackssache, ich könnte mich da kaum entscheiden. Rein emotional tendiere ich wohl aufgrund des 1990er Konzerts am selben Ort zur Fabrik, was bekanntlich ziemlich abging. Die Setlist ist grundsätzlich identisch zu der im September, allerdings haben SLIME mittlerweile drei Stücke mehr reingenommen, nämlich „Zweifel“ und „Zusammen“ von der „Schweineherbst“ sowie „Weggefegt“ von „Zwei“. Finde ich sehr gelungen, denn beim letzten Mal war die „Schweineherbst“ nur mit dem Titelsong und „Gewalt“ vertreten.

 

SLIMESLIME

 

14 Stücke lang kracht es ohne Pause, bevor Tex mal von der Bühne gehen kann, weil Elf die ABWÄRTS-Coverversion „Computerstaat“ singt. Elf ist eh sehr präsent, sagt viele Songs an oder liefert sich kleine Dialoge mit Tex (das war ja schon früher so mit Dicken) und singt auch diverse Refrains und einzelne Zeilen mit. „Zu kalt“ und „Gewalt“ kommen in den mittlerweile gewohnten Akustikversionen, was für Abwechslung und ‘ne kurze Verschnaufpause sorgt. Danach ist natürlich längst nicht Schluss und der Pit wird fast durchgehend wieder aktiv bei Nummern wie „Sein wie die“, einer grandiosen Version von „Ebbe und Flut“ inkl. Jampart am Schluss (der Song ist richtig gewachsen), „Religion“, „Lieben Müssen“, „Linke Spießer“ und „Störtebecker“. Es ist fast schon schwierig, Höhepunkte zu benennen, denn das gesamte Konzert macht durchgehend Spaß. Aber klar, an „Schweineherbst“, „Alle gegen alle“, „Alptraum“ oder „A.C.A.B.“ werde ich mich in diesem Leben wohl nicht mehr satthören können. Mir fällt auch auf, dass viele der neuen Songs sich langsam wie Klassiker anfühlen, z.B. „Heute nicht“, „Weil fickt euch alle“ oder „Bester Freund“. Herrlich kommt auch immer wieder der Mittelteil bei „Weil fickt euch alle“, bei dem die Leute sich mitsingtechnisch austoben können. Klappt heute auch super und lauter denn je. Yeah, ein weiteres gelungenes SLIME-Konzert, ich freu mich tatsächlich schon aufs nächste!

 

Regio 

 

Die Rückfahrt wäre ein Extrareview wert. Vielleicht schreibe ich mal ein Buch mit dem Titel „Geschichten aus dem Zug“ oder so. Unsere fünfköpfige Reisegruppe lässt den Abend Revue passieren und fachsimpelt über eine Vielfalt von Themen von Pferdewetten über Bud-Spencer-Filme bis hin zu Wörtern-die-man-nicht-mehr-sagt.

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