MTV HEADBANGER’S BALL TOUR 2022: VIO-LENCE, XENTRIX, WHIPLASH, ARTILLERY / 24.11.2022 – Hamburg, Kulturpalast

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Die Tour unter dem etwas seltsamen Titel MTV HEADBANGER’S BALL (offenbar hat jemand die Namensrechte erworben) hätte ursprünglich vor ziemlich genau einem Jahr stattfinden sollen. Angekündigt waren damals VIO-LENCE, VOIVOD, EXCITER und ARTILLERY. Die beiden mittleren Bands wurden gegen XENTRIX und WHIPLASH ausgetauscht, was ich persönlich als gleichwertig starkes Billing erachte, zumal EXCITER mittlerweile im Juni und VOIVOD gerade erst live in Hamburg zu sehen waren. Gespannt bin ich aber, wie viele Thrasher:innen heute erscheinen würden. Ich rechne mit ca. 200, was erfreulicherweise klar zu niedrig geschätzt ist. Der Kulturpalast füllt sich doch recht ordentlich und was noch wichtiger ist: Die Stimmung ist von Anfang an super, alle Bands finden ein motiviertes Publikum. Let’s get into the pit!

 

VIO-LENCE 

Bilder von Jan Bünning - Jans Instagram-Profil und Torsten Matzat

 

ARTILLERYARTILLERY 

 

Wir können kaum all die pünktlichen Punks begrüßen, als ARTILLERY auch schon loslegen. Eigentlich ja gemein: Ausgerechnet die Band, die über die Jahre am hartnäckigsten Präsenz gezeigt und die meisten Alben geliefert hat (du solltest alle zehn in der Sammlung stehen haben), wird als Opener verbraten. Dazu ist der Sound anfänglich nicht optimal, die Gitarren sind zu leise und auch der Gesang kommt nicht perfekt durch den Mix. Doch die dänischen Recken lassen sich keineswegs entmutigen, sondern ackern sich durch ihr Set. Tatsächlich lohnt sich auch ein Standortwechsel, denn weiter hinten und auf der linken Seite klingt es schon deutlich besser. Mit jedem Stück strömen mehr Banger in die Halle, reagieren mit „ARTILLERY“-Chören und anfeuernden „Hey! Hey! Hey!“-Shouts. Das ist angesichts der zeitlosen Smasher auch legitim und folgerichtig. Los geht es mit „The Challenge“ vom 87er Zweitling „Terror Squad“, gefolgt von „By Inheritance“, dem Titelsong des gleichnamigen Meisterwerks von 1990. Meiner Meinung ist das ja eine der besten Thrash-Metal-Scheiben überhaupt, unvergessen auch ihr damaliger Auftritt in Roskilde. Später folgt von dieser Platte noch „Khomaniac“, dessen Riffs und Melodien mich fast um den Verstand bringen. Schon jetzt hat sich der Besuch gelohnt, was für eine Dynamik, was für eine Power und was für ein geiler Gesang auch! Michael Bastholm Dahl ist mittlerweile auch schon zehn Jahre in der Band und singt die Stücke aller Phasen perfekt. Von der Dr. Oetker-Platte („B.A.C.K.“) kommt zwar nichts, aber das Debut ist mit „Deeds Of Darkness“ vertreten, von „When Death Comes“ (2009) kommt „Rise Above It All“, und natürlich ist mit „Turn Up The Rage“ auch ein neuer Song dabei. Als sympathisch erweist sich der Sänger auch noch, und wer noch kritisch bleibt, bekommt mit „Terror Squad“ das Maul gestopft. R.I.P. Morten Stützer!

 

ARTILLERYARTILLERY 

 

 

WHIPLASHWHIPLASH

WHIPLASH bestehen zwar nicht mehr aus drei Tonys (R.I.P. Tony Bono!), aber als Trio sind sie dennoch wieder unterwegs (es gab ja mal die eher experimentelle Phase zu „Cult Of One“ und „Sit Stand Kneel Prey“-Zeiten, in der sie das Line-Up erweitert hatten). Und sie klingen herrlich nach alter Schule, da hört man förmlich noch die Punk-Ursuppe und sogar Blues heraus. Krass tighter Drummer! Auch bei WHIPLASH dauert es etwas, bis der Mischer die Gitarre gefunden hat (Junge, was da los?), aber dann sägt sie richtig. Tony Portaro hat einen völlig eigenständigen Stil und zockt so geil singende Obertöne, dazu keift er auch noch angepisst. Es braucht nicht lange, bis WHIPLASH den Mob richtig am Haken haben. Wer könnte auch derart peitschenden Perlen wie „Last Man Alive“, „Killing On Monroe Street“, „The Burning Of Atlanta“ oder „Insult To Injury“ widerstehen? Ich habe WHIPLASH schon in unterschiedlicher Verfassung erlebt, es gab auch schon weniger packende Shows. Heute knüpfen sie aber fast an den grandiosen 2015er Auftritt beim METAL ASSAULT an. Die umstrittenen Scheiben werden komplett ignoriert (auch das Comeback „Unborn Again" von 2009), dafür stehen natürlich die ersten drei Alben im Fokus, ergänzt um zwei Nummern der häufig vergessenen (aber geilen!) „Thrashback“-LP (1998), von der neben „Killing…“ auch „This“ geballert wird, sowie „Sword Meet Skull, Skull Meet Sword“, das 2013 mal auf einer 7“ rauskam. Mit „Walk The Plank“, „Stage Dive“, „Spit On Your Grave“ und “Power Thrashing Death” steigern sich Band und Publikum in einen regelrechten Rausch, eine thrashing rage, wie sie im Buche steht. Bitte eine neue LP in dieser Qualität!

 

WHIPLASHWHIPLASH

 

XENTRIXXENTRIX

 

Bei XENTRIX fielen die Setlist-Diskussionen sicherlich kurz aus, springt für diese Tour doch Urmitglied Chris Astley ein, der die Band ja eigentlich 2015 verlassen hatte. Doch Jay Walsh, der seit 2017 Gesang und Gitarre bei XENTRIX spielt, muss wegen Vaterschaftsfreuden pausieren. Find ich cool, dass die Band die Situation auf diese Art und Weise regelt! Es gibt jedenfalls einfach eine komplette Old-School-Setlist mit ausschließlich Songs der ersten beiden Alben „Shattered Existence“ und „For Whose Advantage?“ XENTRIX profitieren vom bislang besten Sound des Abends. Es zeigt sich, dass die Leute die Band und deren Songs nicht vergessen haben, denn fast die ganze Hütte schmettert bei „Balance Of Power“, „No Compromise“, „Black Embrace“ oder „The Human Condition“ mit. Man kommt nicht umhin, immer mal wieder an METALLICA zu denken, was sowohl für die Art des Riffings als auch einige Gesangsmelodien gilt. Ja, man kann sogar bei einigen Bühnenbewegungen sehen, dass zumindest der junge Hetfield Chris Astley beeinflusst hat. Was völlig okay ist, denn bis 1988 waren METALLICA ja auch beeindruckend. Mich gewinnen XENTRIX heute als aktiven Hörer zurück. Ich ernte am Merch die beiden neuen Alben „Bury The Pain“ und „Seven Words“ ab und muss jetzt nach mehreren Durchgängen sagen, dass ich beide Platten richtig gut finde. So sehr ich mich über dieses Wiedersehen mit Chris Astley gefreut habe, desto gespannter bin ich darauf, die Band auch mit neuen Songs und halt mit Jay Walsh zu sehen. Ach ja, und Danke dafür, dass der alte „Ghostbusters“-Heuler nicht gespielt wurde!

 

XENTRIXXENTRIX

 

VIO-LENCEVIO-LENCE 

 

VIO-LENCE! Hier war die Spannung im Vorfeld natürlich am größten, waren die US Thrasher doch schließlich noch nie in Europa. Würden sie halten können, was „Eternal Nightmare“ und „Oppressing The Masses“ versprechen? Ein positives Zeichen war ja schon die neue EP. Immerhin drei Originalmitglieder sind dabei – Sänger Sean Kilian, Drummer Perry Strickland (später auch EXODUS und TESTAMENT) sowie natürlich Phil Demmel an der Gitarre. Das neue Line-Up wird von recht bekannten Gesichtern komplettiert: Am Bass steht Christian Olde-Wolbers (FEAR FSCTORY) und für den bereits wieder ausgestiegenen Bobby Gustafson ist Ira Black (HEATHEN, VICIOUS RUMORS, LIZZY BORDEN usw.) am Start. Und was soll man sagen? Diese Besetzung ist sogar noch besser als erhofft. Das Ganze hat nicht nur Punch und Energie, sondern das nötige Quäntchen Wahnsinn! Dies liegt vor allem an der Ausstrahlung Sean Kilians. Der Kerl bewegt sich zwar gar nicht so viel, kommt aber komplett sicko rüber. Dazu klingen seine Vocals völlig manisch. Vom ersten Song an entsteht ein großer Circle Pit, der tatsächlich bis zum Ende nicht mehr aufhört! Die Leute rennen zwar nicht durchgehend, sondern schlurfen auch mal zombiehaft, aber die Maxime „Don’t break the circle“ wird eisern bis zum Schluss befolgt. Es ist eine reine Sideshow mit diversen spektakulären Momenten, so dass man gar nicht weiß, wohin man gucken soll. Da ist Titus, der vehement in Gegenrichtung des Pits zirkuliert und sich sicher einige blaue Flecken einfängt. Da ist der 200-Kilo-Stagediver, der ohne Warnung in die erste Reihe springt… Mit „Flesh From Bone“ und „Upon Their Cross“ gibt’s zwei neue Songs, ansonsten regieren das Debut und sein Nachfolger. Als absolute Höhepunkte würde ich „Eternal Nightmare“, „Serial Killer“, „Officer Nice“, „I Profit“ und „World In A World“ nennen. Die massiven Gangshouts kicken die Songs zusätzlich nach vorne, so dass das Publikum immer wieder aufgepeitscht wird. Insgesamt ein vollständig überzeugender Auftritt, für viele hat sich eine jahrzehntelang klaffende Lücke geschlossen.

  

VIO-LENCEVIO-LENCE

 

Fazit: Der Erfolg des Abends kann wohl dem Package zugesprochen werden, dass viele angelockt hat. Einzeln hätte wohl keine Band so viel Leute gezogen. Anyway, durchweg gelungen, THRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRASH! 

 

VIO-LENCE 

 

Kommentare   

0 #3 Philipp 2023-03-10 21:16
Rest easy, Josua Madsen!
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+1 #2 Philipp 2022-12-03 12:49
Jetzt auch mit Bildern von WHIPLASH und XENTRIX! Besten Dank an Jan Bünning!
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+3 #1 Philipp 2022-11-30 21:34
Von WHIPLASH und XENTRIX folgen natürlich auch noch Bilder... Danke schon mal an Jan und Torsten.
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