THEE DRONGOS, THE CHEATING HEARTS / 13.10.2022 – Hamburg, MS Hedi

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Eine Band kommt direkt von der eigenen Hochzeit auf die Bühne? In einer anderen spielt der exzentrische Sänger und Gitarrist Ray Orson? Wo sind „The Beasts“ und wer sind „Thee Drongos“? Mumie über Bord oder Wrestler an Deck? Plastikkamm oder Springmesser? Super Stimmung auf der MS Hedi oder totale Flaute? Fragen über Fragen… Daher: „Anker hoch und Leinen los!“, ruft Kapitän Singapur-Siggi um 19:10 Ortszeit an den Landungsbrücken. „Beide Maschinen AK voraus!“

 

THE CHEATING HEARTS

 

Der Gezeiten wegen ist gerade Hochwasser. Die Barkasse liegt daher nicht tief genug, um unter der vor ihr liegenden Brücke hindurchzukommen. Zum Glück sind aber noch nicht alle Gäste an Bord und ein weiterer Pluspunkt ist, dass Konzertbesucher von Jahr zu Jahr immer dicker werden. Das sorgt zwar ansonsten für schwitzige Enge und lautes Schnaufen vorne im Pit, drückt aber dafür heute auch die MS Hedi tief genug ins Wasser. Die Fahrt kann also los gehen.

Unser Skipper, Singapur-Siggi, ist gerade von ganz großer Fahrt zurück, die ihn – wie immer – quer über den Atlantik geführt hat. Aber auch im Hamburger Hafen kennt er sich bestens aus. Das Konzert heute wird nebenbei zu einer Hafenrundfahrt par excellence! So schippern wir unter rosa Puff-Beleuchtung vorbei an den Docks von Blohm + Voss, werfen einen Blick auf die Elbphilharmonie, rocken die Speicherstadt und bewundern die Seehundbänke und ihre knuddeligen Bewohner vor der Hafencity.

 

THE CHEATING HEARTSTHE CHEATING HEARTS

 

„Wir kommen gerade von unserer Hochzeit!“, erklären uns The Cheating Hearts unter großem Jubel sofort nach dem Ablegen. Auch wenn Viva Valli und Stu Black sich vermutlich öfters heiraten, so tragen sie doch jedes Mal zumindest immer das entsprechende Outfit. So sitzt Viva im Hochzeitskleid hinter ihrem Schlagzeug und Stu trägt seinen besten Anzug – so viel Coolness bringen nicht viele andere Bands auf die Bühne.

„I want your drug!“, haucht Viva lasziv und gleichsam fordernd ins Mikro derweil der Garage Rock heiß und brutzelnd aus den Boxen strömt. Eingängige und messerscharfe Akkorde vermischen sich mit dem ständigen auf und ab der Hi-Hat. „She´s got another Lover!“, stellt Stu schockiert an anderer Stelle fest und erweckt damit scheppernden 60s Rock`n`Roll erneut zum Leben. E-Gitarre und Schlagzeug - das ist minimalistisch, aber so ist Garage Rock halt. Ist ein Riff eingängig, wird er wiederholt und was anderes machen Sigur Rós doch auch nicht. Die Texte drehen sich natürlich um Liebe, Trennung und alles-wieder-von-vorn – aber bitte jeweils nur mit einem Partner zur Zeit!

 

THE CHEATING HEARTSTHE CHEATING HEARTS

 

Dabei wird es nie schmalzig oder altbacken – der teils hysterische, gelebte Gesang treibt einen Einfluss des Punk – ja, des Aufbegehrens und der Zügellosigkeit  - in die brodelnde Melangé irgendwo zwischen The Cramps und The Hives.

Stu Black gehört zu den 10 schönsten Männern Hamburgs – das kann ich zweifelsfrei sagen, da ich diesem erlesenen Kreis in Kiel ja ebenso angehöre. Gekonnt wird nach (fast) jedem Lied mit einem Kamm das lange, gegelte Haar wieder in Position gebracht und süffisant eben dieser mit lässiger Bewegung ins kreischende Publikum geworfen. Das ist schon mal sehr, sehr, sehr, sehr geil.

Einer dieser prallt gegen die Beleuchtung, wird zu einem Querschläger und trifft den Donster in die - umgangssprachlich - Fresse. Dieser verharrt gleich einer Salzsäule und weiß nicht, was eben passiert ist. "Ich dachte, mein Brillenglas wäre zersplittert. Von dem geilen Bass!", erklärt er später und passiert ist natürlich nichts, aber den vor ihm liegenden Kamm hatte ich mir längst abgegriffen und als echter Fan zurück in Kiel gleich eingerahmt. Weiter geht´s mit 60s Garagenrock, der so heiß ist wie der Auspuff von einem Camaro nach 500 Meilen Vollgas durch die Wüste von Arizona. Viva Valli bearbeitet ihr Schlagzeug derweil mit gespielt(!) gelangweiltem Gesichtsausdruck, lässt es hier und da rumsen und anschließend bezieht die Hi-Hat reichlich Prügel. Nach 15 bis 20 Garage Rock Krachern ist leider schon viel zu früh Schluss und die MS Hedi nähert sich wieder den Landungsbrücken.

Beide hätten sich vor Jahren im Keller einer Bar auf Pauli kennengelernt, berichtete (glaube ich) das Feuilleton der FAZ (also der Frankfurter Allgemeinen Zeitung) in einer Sonderbeilage. Darauf hätte Viva Valli sofort angefangen, Schlagzeug Unterricht zu nehmen. So die Entstehungsgeschichte der The Cheating Hearts. Ich wette, es war unten im Komet, dieser alten Spelunke. An gleicher Stelle haben meine Ex-Freundin und ich uns vor einigen Jahren gegenseitig das Versprechen abgenommen, ab jener Nacht nur noch Leder-Unterwäsche zu tragen und wenigstens ich habe dieses bisher nicht gebrochen.

 

THE DRONGOSTHE DRONGOS

 

Nach kurzer Pause an der Mole und einem möglichen Ein- und Aussteigen geht es mit den Thee Drongos weiter. Hier verlässt aber keiner freiwillig die natürlich ausverkaufte(!) Barkasse – alle wollen rocken! Das Publikum ist heute im Durchschnitt erstaunlich jung und auch viele Konzertbesucherinnen sind anwesend.

Thee Drongos ist eine weitere Band um den exzentrischen Sänger und Gitarristen Ray Orson. Regelmäßigen Konzertgängern und/oder Lesern dieser Konzertschmonzette sollten „The Beasts“ bereits hinlänglich bekannt sein. Die rockenden Mumien haben schon einige untote Pharaonen zum Schwitzen und die Wände derer Pyramiden zum Wackeln gebracht. Zord Drongo sitzt da ebenfalls hinterm Schlagzeug, statt Cleopatra III am Keyboard bei den Beasts steht hier bei den Drongos jedoch Juliette Drongo am Mikrophon und spielt zudem eine der beiden Gitarren.

Zudem übernimmt sie den Großteil des Gesangs, der mich teilweise an eine weibliche Form der Ramones erinnert. Derweil konzentriert sich der umtriebige Ray Orson auf die Lead-Gitarre und übernimmt teilweise die Backing Vocals. Nur normale Akkorde sind ihm ohnehin viel zu platt – gerne schwingt auch hier der Surf-Vibe durch. Wie bei den Cheating Hearts sind viele der Einflüsse im 60s Sound zu finden, aber nichts ist pomadig oder mit langweiligem Alt-Herrn-Rockabilly zu vergleichen.

 

THE DRONGOSTHE DRONGOS

 

Für die Bühnenpräsenz hat sich der gleichsam extrovertierte Orson etwas ganz Neues überlegt: Es werden mexikanische Wrestler-Masken (hier der Tuamalteke-Style) getragen! Do the Drongo!, sag ich nur. Natürlich wird das Lied – die Hymne der Band – ebenfalls gespielt und das Becken scheppert. Dafür bittet die Band zuvor allerdings um Unterstützung aus dem Publikum.

Ein Tamborin – oder ein Schellenkranz, da bin ich mir nicht mehr sicher – wird ausgerechnet dem Donster vor die Nase gehalten. Dieser erstarrt erneut zur Salzsäule und ich spähe sofort vor ihn, ob da wieder ein Kamm liegt, von dem er zuvor getroffen wurde. Aber nichts - und das Instrument greift sich eine andere Konzertbesucherin und macht natürlich den Drongo! Nein, wir alle machen ihn und der Garage-Rock-Surf-Punk geht weiter! Zum Schluss werden noch die beiden Gitarren an deren Hälsen zusammen geschreddert und ich bin mir sicher, die müssen danach neu gestimmt werden. „Die Fahrt war viel zu schnell zu Ende“, bemerkt Juliette Drongo erstaunt, als wir uns wieder dem Anleger nähern und damit hat sie leider Recht.

Nichtsdestotrotz geht der Drongo - zurück an Land - weiter und zwar im Zug bis wir wieder in Kiel sind!

Do the Drongo!

 

THE DRONGOS

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